«Wir wollen und müssen im Interesse unserer Bürgerinnen und Bürger die Stickstoffdioxidbelastung in bayerischen Innenstädten schnellstmöglich reduzieren», sagte Ministerpräsident Horst
Seehofer (CSU) am Dienstag nach der Kabinettssitzung in München.
Insbesondere in den großen Städten soll die Schadstoffbelastung durch Diesel-Fahrzeuge rasch gesenkt werden. Konkret setzt die Regierung auf eine zügige Nachrüstung von Euro-5-Dieselautos, Kaufanreize für neue Diesel-Fahrzeuge, eine massive Stärkung des öffentlichen Nahverkehrs sowie des Radverkehrs und einen schnelleren
Ausbau der Elektromobilität.
Geplant sind zudem Fördermaßnahmen für die
Modernisierung von Bussen - rund 400 Millionen Euro sollen in den nächsten fünf Jahren fließen, für Preisvorteile für Pendler im Münchner ÖPNV, mehr Park- & Ride-Angebote, bessere Taktungen bei S- und U-Bahnen sowie attraktivere Radfahrmöglichkeiten.
«Wir wollen keine Funktionalität einer Stadt lahmlegen», sagte Umweltministerin Ulrike Scharf (CSU). Die CSU sei weiter gegen ein pauschales Diesel-Fahrverbot. Seehofer sprach gar von einer Entscheidung mit «historischem Maß». «Es bricht ein neues Zeitalter an», betonte er. Die Mobilität in den Großstädten umweltfreundlicher zu ordnen, sei nicht nur der Luftreinhaltung geschuldet. «Solche Projekte werden auch notwendig in den Städten, in denen wir die Luftreinheit-Problematik nicht haben.»
Die Umrüstung älterer Diesel-Fahrzeuge soll laut Staatsregierung von den Autoherstellern bezahlt werden. Eine endgültige Zusage der bayerischen Konzerne werde es zwar erst bei einem für 2. August geplanten Autogipfel in Berlin geben, sagte Staatskanzleichef Marcel Huber, betonte aber: «Sie werden das machen, haben sie uns gesagt.» Bei der Konferenz von Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU), an der auch Seehofer teilnehmen will, gehe es auch um die Einführung eines Förderfonds für den öffentlichen Personennahverkehr.
Zur Abwendung drohender Diesel-Fahrverbote hatten die bayerischen Autohersteller Audi und BMW bereits angekündigt, die Hälfte ihrer in Deutschland zugelassenen Euro-5-Diesel technisch nachzurüsten. Damit soll der Ausstoß gesundheitsschädlicher Stickoxide gesenkt werden. Kritiker bemängeln jedoch, dass dies nicht ausreicht, da die noch schmutzigeren Euro-3 und Euro-4-Diesel nicht berücksichtigt werden.
In München werden die Stickstoffdioxid-Grenzwerte vielerorts überschritten, teilweise sogar massiv. In einem Viertel aller Hauptstraßen, in 123 von 511 Kilometern, liegen die Belastungen über dem Grenzwert. 27 Kilometer davon weisen deutlich erhöhte Werte auf, 16 Kilometer sogar extrem erhöhte Werte. Das geht aus einer Studie hervor, die die Staatsregierung am Dienstag mit mehrwöchiger Verzögerung im Internet veröffentlichte.
Unter den Straßen mit deutlichen oder extremen Belastungen sind zentrale Verkehrsadern der Landeshauptstadt wie der Mittlere Ring. «Wenn knapp 25 Prozent eines Straßennetzes bei Stickstoffoxiden betroffen sind, dann ist das schon ein Alarmzeichen, dem wir Taten folgen lassen müssen», sagte Seehofer.
Während die bayerische Wirtschaft die Maßnahmen begrüßte, zeigten sich etwa die Grünen im Landtag skeptisch: Fraktionschef Ludwig
Hartmann glaubt nicht, dass das
Maßnahmenpaket ausreicht: «Manche Stellschrauben sind sogar völlig widersinnig - etwa die Schaffung zusätzlicher Steuervergünstigungen für den Kauf neuer Dieselfahrzeuge.»
Münchens Oberbürgermeister Dieter Reiter (
SPD) bezeichnete die Maßnahmen als wichtigen Schritt in die richtige Richtung. «Dass die Mittel für den Öffentlichen Nahverkehr spürbar erhöht werden sollen, kann ich nur begrüßen.
Das bedeutet eine deutliche Entlastung der Kommunen, greift aber nur mittel- beziehungsweise langfristig.» Ob die Maßnahmen insgesamt geeignet seien, die Stickoxidbelastung schnell in den Griff zu bekommen und damit Fahrverbote dauerhaft verhindert werden können, werde man sehen. «Entscheidend ist, dass die Automobilindustrie alle betroffenen Dieselfahrzeuge innerhalb eines Jahres nachrüstet.»