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16.12.2021 | 12:06 | Süßwarenproduktion 

Ein Jahr nach Haribo-Aus in Sachsen: Kampf war nicht vergebens

Wilkau-Haßlau - Die Enttäuschung ist bei manchen Beteiligten nach einem Jahr noch nicht verflogen: Mit Lichterketten, Luftballons und Demonstrationen hatten die Beschäftigten von Haribo beharrlich für den Erhalt des einzigen Werkes in Ostdeutschland gekämpft.

Haribo Gummibärchen
Über Monate haben die Beschäftigten von Haribo in Sachsen gekämpft, der Protest schlug Wellen bis in den Bundestag. Die traditionsreiche Süßwarenproduktion in Wilkau-Haßlau ging trotzdem vor einem Jahr zu Ende. Doch nach Einschätzung der Gewerkschaft hallt der Einsatz nach. (c) proplanta
Das Aus konnten sie dennoch nicht abwenden, und Ende 2020 wurde die Produktion in Wilkau-Haßlau eingestellt. «Hier ist ein Traditionsstandort weggebrochen», beklagt Thomas Lißner von der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG) ein Jahr danach.

Doch der Widerstand und die überregionale Aufmerksamkeit seien ein wichtiger Fingerzeig gewesen. «Andere Unternehmen werden sich nun zweimal überlegen, ob sie dem Beispiel folgen und ihren Oststandort einfach dicht machen.»

Rückblende: Anfang November 2020 gibt Haribo bekannt, sein Werk in Sachsen Ende des Jahres zu schließen. Begründet wird das mit den hohen Investitionen, die dort nötig seien. Kritiker werfen dem Unternehmen vor, über Jahre Gewinne abgeschöpft und das Werk auf Verschleiß gefahren zu haben. Es folgt eine Welle des Protests, bei der sich auch zahlreiche Politiker zu Wort melden. Der Fall Haribo wird sogar Thema einer Debatte im Bundestag. Zeitweise keimt die Hoffnung auf, Konkurrent Katjes könnte das Werk übernehmen. Doch auch der winkt am Ende ab.

Für ihn persönlich sei das Kapitel Haribo abgehakt, sagt der damalige Betriebsratschef Maik Pörschmann heute. Er habe elf Jahre in der Süßigkeitenfabrik gearbeitet und nun einen anderen Job. Bei manch älterem Kollegen sei die Wehmut aber groß, berichtet Pörschmann. Er sei froh, dass mit dem Druck der Beschäftigten Verbesserungen beim Sozialplan durchgesetzt werden konnten. Seine damaligen Kollegen und Kolleginnen hätten inzwischen neue Arbeit, viele aber zu schlechteren Bedingungen. Das bestätigt Gewerkschafter Lißner. Viele hätten nun längere Arbeitswege oder müssten im Drei-Schicht-System arbeiten.

Sorgen hat die Entscheidung der Unternehmensführung in Rheinland-Pfalz nicht nur den rund 120 Beschäftigten bereitet. Auch für die etwa 10.000 Einwohner zählende Stadt Wilkau-Haßlau bei Zwickau brach ein wichtiger Gewerbesteuerzahler weg.

«Es bleibt ein dauerhafter Einschnitt», resümiert Bürgermeister Stefan Feustel (CDU). Zwar habe Haribo für dieses Jahr noch «einen kleineren sechsstelligen Betrag» überwiesen. Der Ausfall könne aber auf absehbare Zeit nicht kompensiert werden, und es stünden der Stadt damit weniger Eigenmittel für Investitionen zur Verfügung.

Offen ist, was mit dem Werksareal mitten in der Stadt geschieht. «Wir sind nach wie vor in Kontakt mit der Stadt Wilkau-Haßlau, was eine Nachnutzung unseres Geländes betrifft - zuletzt im November», erklärt ein Unternehmenssprecher auf Anfrage. Nach dem Scheitern der Verkaufsverhandlungen hatte Haribo angekündigt, mit der Stadt sprechen zu wollen, um das Areal «anderweitig zu entwickeln».

Als Standort für die Ansiedlung neuer produzierender Unternehmen sei es aufgrund seiner Lage nicht geeignet, räumt Bürgermeister Feustel ein. Über den Inhalt der bisherigen Gespräche sei Stillschweigen vereinbart worden, sagt er. Aber im kommenden Jahr solle ein Konzept vorgelegt werden.

In Wilkau-Haßlau wurden schon zu DDR-Zeiten Gummibären und Co. produziert; 1990 hatte der Goldbären-Hersteller aus Rheinland-Pfalz das Werk übernommen. Es ist nicht der einzige Traditionsstandort in Sachsen, der in jüngster Zeit mit Schließungsplänen Aufsehen erregt hat.

Für den Standort des Nutzfahrzeuge-Herstellers MAN in Plauen fand sich immerhin ein neuer Investor - der Fahrzeugbauer Binz aus Thüringen. Zum Jahresende trifft es nun die Produktionsstätte des Feuerwerksherstellers Weco in Freiberg mit rund 100 Beschäftigten. Begründet hat das Unternehmen mit Sitz in Nordrhein-Westfalen den Schritt mit wirtschaftlichen Problemen nach dem Verkaufsverbot von Feuerwerk Ende des vorigen Jahres.
dpa/sn
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