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17.09.2014 | 11:28 | Steuertrickser 

Steuerschlupflöcher an OECD-Grenzen

Berlin - Multinationale Konzerne wie Apple, Amazon und Co. können Gewinne und Kosten über Ländergrenzen hin und her schieben. Ihnen gelingt es so, Steuern kräftig zu drücken. Das ärgert viele, vor allem den Fiskus.

Steuertricks multinationaler Konzerne
(c) proplanta
Es ist Industrie- wie Schwellenländern schon lange ein Dorn im Auge: International tätige Konzerne nutzen legale Schlupflöcher, um trotz hoher Gewinne die Steuerlast zu drücken.

Bis Ende 2015 soll ein Aktionsplan der OECD gegen «aggressive Steuergestaltung» und Gewinnverlagerungen umgesetzt werden. Erste Empfehlungen liegen vor, es gibt aber auch noch Differenzen:

Worum geht es beim Problem «aggressiver Steuergestaltungen»?

Für manche Steuerdirektoren und Anwalts-Kanzleien großer Konzerne ist der Aktionsplan mit dem Kürzel BEPS ein «Schreckgespenst». BEPS steht für «Base Erosion and Profit Shifting». Im Kern geht es darum, dass multinationale Unternehmen unter geschickter Ausnutzung nicht abgestimmter Regeln ihre Steuerlast kräftig drücken.

Das führt nicht nur zu Ausfällen in Staatskassen, sondern benachteiligt auch lokale Unternehmen, die weniger Geld durch Verschiebebahnhöfe anhäufen können. Es geht um Fairness und die Frage, warum der ehrliche Steuerzahler belangt wird und Große tricksen können.

Und wie funktionieren solche Gewinnverlagerungen?

Internet-Konzerne wie Apple, Amazon, Google schieben Gewinne, Kosten und Aktivitäten über Ländergrenzen hin und her. Verlagert werden Patente, Markenrechte, Lizenzgebühren oder Darlehenszinsen in Tochterfirmen in einer Steueroase. Das drückt den zu versteuernden Gewinn. Auch konzerninterne Verrechnungspreise sind ein Vehikel.

Nicht nur Internetfirmen nutzen die dank global vernetzter Märkte wachsenden Möglichkeiten der «steuerlichen Gestaltung». Dass US-Konzerne angeblich gar keine Steuern zahlen, liegt auch am amerikanischen Steuerrecht zu Auslandserträgen. Dort müssten die Regeln geändert werden. Dieses Problem ist auch Teil der Debatte.

Wie sollen die Steuerschlupflöcher gestopft werden?

Letztlich geht es um die Aufteilung von Steuereinnahmen zwischen Staaten. Sie wollen verhindern, dass Firmengewinne steuerfrei in Offshore-Zentren wie den Bermudas landen. Grundsätzlich sollen Firmen künftig dort Steuern zahlen, wo sie Produkte fertigen und Patente entwickeln - und nicht dort, wo Briefkastenfirmen unterhalten werden.

Bis Ende 2015 soll ein Gesamtpaket stehen - auf Basis eines 15-Punkte-Aktionsplans der Industrieländer-Organisation OECD. Für sieben Bereiche liegen erste Analysen und Vorschläge vor. Ziehen alle Länder der OECD und die Top-Wirtschaftsmächte (G20) mit, gelten die Regeln für mehr als 90 Prozent der Welt-Wirtschaft.

Worum geht es in dem OECD-Aktionsplan?

Um die Besteuerung von Internetfirmen und deren Geschäftsmodelle etwa. Im Zeitalter von Onlinehandel, Zahlen per Handy, mobilen Download-Läden, «cloud computing» (entferntes Datenspeichern) und Suchmaschinen wird es immer schwieriger zu klären, welchem Land Geschäfte sowie Produkte und damit Gewinne und Steuern zuzuordnen sind. Klassische Betriebsstätten gibt es nicht. Schwellenländer wollen, dass dort besteuert wird, wo die Nutzer sitzen. Andere nicht. Sonderregelungen für Internetfirmen soll es nicht geben.

Ist der steuerliche Umgang mit Internet-Riesen der einzige Bereich?

Nein: Gelöst werden soll auch das generelle Problem der «doppelten Nichtbesteuerung». Das passiert, wenn zwei Länder die Rechtsform eines Unternehmen und Transfers unterschiedlich einstufen, so dass bestimmte Zahlungsströme gar nicht mehr besteuert werden. Ein Missbrauch von Doppelbesteuerungsabkommen soll eingedämmt werden.

Davon gibt es weltweit etwa 3.000. So ein Abkommen dauert Jahre - auch, weil Regierungen streiten, wer was besteuert. Geplant ist ein multilaterales Instrument, um BEPS-Änderungen schnell umzusetzen.

Aber auch in der EU locken doch Länder mit Steueranreizen?

Das stimmt. Lizenzgebühren sind beliebt, um steuerpflichtige Gewinne bei einem Konzernteil in einem Land zu drücken, die bei einer Tochter als Einnahmen gering belastet werden. Lizenzeinkünfte werden dort minimal besteuert, ohne dass tatsächlich geforscht und entwickelt wird.

Der Druck auf Firmen, dies aus Konkurrenzgründen zu nutzen, steigt ebenso, wie der Druck auf Staaten, ähnliche Regelungen einzuführen. Solche «Lizenz-» oder Patent-Boxen» haben in der EU trotz der Bekenntnisse zum Kampf gegen Steuerschlupflöcher zugenommen. Gerade in diesem Punkt herrscht noch keine Einigkeit.

Und was sagen Steuerrechtsexperten?

Schon eine Einigung unter den OECD-Staaten dürfte in vielen Punkten auf Schwierigkeiten stoßen, meint beispielsweise Asmus Mihm von der Frankfurter Kanzlei Allen&Overy. Das betreffe etwa die effektive Nichtbesteuerung von Auslandseinkünften vieler US-Konzerne. Eine Abstimmung der OECD-Staaten mit den Nichtmitgliedern, vor allem großen Schwellenländern, dürfte noch schwieriger werden.

Am Ende könnten auf Unternehmen umfangreiche neue Berichtspflichten und Nachweisanforderungen zukommen, die zu weiterem Bürokratieaufwand und der mehrfachen Besteuerung von Gewinnen führen, sagt Mihm. (dpa)
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