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06.03.2016 | 08:03 | Religionsfreiheit? 

CDU will sich für Schweinefleisch in Kantinen einsetzen

Kiel - Beim Essen hört der Spaß auf: Mit ihrer Forderung nach einem «Veggie Day» schossen die Grünen 2013 vor der Bundestagswahl ein Eigentor - jetzt hat überraschend die schleswig-holsteinische CDU den Speiseplan der öffentlichen Kantinen als politisches Thema entdeckt.

Schweinefleischkonsum
Heute schon Schwein gehabt? Die Nord-CDU will nicht, dass Schweinefleisch aus dem Angebot öffentlicher Kantinen aus Rücksichtnahme auf religiöse Minderheiten verschwindet - und findet damit so viel Spott wie einst der «Veggie Day» der Grünen. (c) proplanta
«Die Landesregierung wird aufgefordert, sich dafür einzusetzen, dass Schweinefleisch auch weiterhin im Nahrungsmittelangebot sowohl öffentlicher Kantinen als auch in Kitas und Schulen erhalten bleibt», heißt es in einem Antrag der CDU-Fraktion für die Landtagssitzung in der nächsten Woche.

Nach dem «Veggie Day» - einem fleischfreien Tag in der Woche - also jetzt ein «Pork Day»? «Immer mehr Kantinen, Kitas und Schulen nehmen Schweinefleisch aus ihrem Angebot, um auf religiöse Gebräuche Rücksicht zu nehmen», sagte CDU-Fraktionschef Daniel Günther. Die CDU halte das für falsch.

«Wir setzen auf eine gesunde und ausgewogene Ernährung. Dazu gehört in unserer Kultur auch der Verzehr von Schweinefleisch.», sagte Günther. «Niemand soll dazu verpflichtet werden. Wir wollen aber auch nicht, dass die Mehrheit deshalb auf Schweinefleisch verzichten muss.»

Spott prasselte auf die Nord-CDU ein - quer durch die Parteienlandschaft. Und nicht nur von dort: «Die Kantinenköche und ihre Gäste brauchen keine Aufpasser und Speisepläne aus dem Parteibüro», monierte DGB-Nord-Chef Uwe Polkaehn. Für die Landesregierung erklärte Schleswig-Holsteins Landwirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne), er könne staatlichen Handlungsbedarf nicht erkennen: «Und schon gar nicht teile ich die Verkürzung unserer grundgesetzlichen Werte auf die Pflicht, Kotelett oder Hack zu essen.»

Erinnerungen an die Debatte im Jahr 2000 über «deutsche Leitkultur» wurden wach. Der damalige CDU-Bundestagsfraktionsvorsitzende Friedrich Merz hatte Regeln für Einwanderung und Integration unter dem Label «deutsche Leitkultur» gefordert. Im vergangenen Oktober, als immer mehr Flüchtlinge kamen, forderte CSU-Generalsekretär Andreas Scheuer, die Ankommenden sollten die «deutsche Leitkultur» neben dem Grundgesetz anerkennen.

Aber zählt dazu auch das Schwein? «Als Verfassungspatriot erkläre ich: das Schweinefleisch gehört nicht zu den Werten unserer Verfassung», kritisierte Volker Beck, Grünen-Bundestagsabgeordneter und Sprecher für Religionspolitik «Es ist die autoritäre Denke der Rechtspopulisten, wenn Juden, Muslime, Vegetarier und Veganer zum Schweinefleischkonsum gezwungen werden sollen.» Wer keine anderen kulturellen Werte als Schweinefleisch habe, «ist eine arme Sau».

Über die Motive der Nord-CDU für ihren Antrag - ein gutes Jahr vor der Landtagswahl in Schleswig-Holstein - lässt sich nur spekulieren. Traditionell ist die Union auf dem Lande stark verwurzelt. Und in der Fraktion gilt die Agrarlobby als gut vertreten, Schweinehaltung ist ein wichtiges Standbein der Landwirtschaft im Norden. Aber selbst der Bauernverband Schleswig-Holstein äußerte sich differenziert zu dem CDU-Vorstoß: Man setze sich für die Selbstbestimmung bei der Ernährung ein und lehne eine Reglementierung ab. Im Übrigen empfehle die Deutsche Gesellschaft für Ernährung Fleisch als Lieferanten für Mineralstoffe und Vitamine auch für die Schul- und Kita-Verpflegung.

Die GEW in Schleswig-Holstein hielt der CDU vor, «mit ihrem Antrag weniger die gesunde Ernährung unserer Kinder im Auge zu haben als Wählerstimmen vom rechten Rand. Da wird gleichsam mit der Schweinewurst nach rechtspopulistischen Wählerinnen und Wählern geworfen.» Wolfgang Kubicki, FDP-Bundesvize und Landtagfraktionschef, meinte zur neuen «Hackordnung» der CDU: «Gleiches Recht für alle: Keine Diskriminierung von Rindfleisch.»
dpa
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