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23.03.2012 | 18:28 | Wetterfühligkeit 

Experte: Wetter beeinflusst Leben und Sterben weniger als angenommen

Hamburg - Gibt es typisches Selbstmordwetter oder kann ein Sturmtief Wehen auslösen? Der Einfluss des Wetters auf Leben und Tod ist Thema vieler Geschichten und Diskussionen.

Wetterfühligkeit
(c) proplanta
«Die Menschen waren seit Urzeiten der Überzeugung, dass Leben und Tod mit dem Wetter zusammenhängen, doch der nachweisbare direkte Einfluss ist bei uns erstaunlich gering», sagte der Klimaforscher Johannes Orphal vom Karlsruher Institut für Technologie im Gespräch mit der Nachrichtenagentur dpa.

Gemeinsam mit der Soziologin Tina Kunz-Plapp wertete er Statistiken und Fachliteratur aus. Die Ergebnisse der Untersuchung werden am Donnerstag in Hamburg beim 7. Extremwetterkongress präsentiert.


Beeinflusst das Wetter die Geburtenrate?

Orphal: «Darüber gibt es jede Menge Spekulationen, teilweise auch in der Fachliteratur. Doch das Wetter hat nach unseren Erkenntnissen auf die Geburtenrate keinen Einfluss.

Ein heftiger Regen etwa löst keine Wehen aus und auch die Idee, dass man sich im Frühjahr schneller verliebt und deshalb mehr Kinder im Winter geboren werden, lässt sich nicht belegen. Derzeit werden in Deutschland im Sommer etwa zehn Prozent mehr Kinder geboren als im Winter. Besonders interessant ist, dass sich das in den vergangenen 50 Jahren europaweit verschoben hat: Ursprünglich gab es mehr Geburten im Frühjahr und das ist dann ganz deutlich zum Sommer hingewandert.

Unserer Meinung nach hat das aber mit dem Wetter nichts zu tun. Wir vermuten, es liegt ganz einfach an der Pille. Die Leute haben wahrscheinlich durch Familienplanung die Geburt in den Sommer verlagert, weil sie das praktischer finden. Das zeigt, dass es ziemlich schwierig ist, den Einfluss des Wetters von gesellschaftlichen Phänomenen zu trennen.»


Inwieweit verändert das Wetter denn die Sterberate?

Orphal: «Im Winter sterben in Deutschland 30 Prozent mehr Leute als im Sommer, weil dieses Wetter für den Körper belastender ist. Falsch ist die Vorstellung, dass sehr viele Menschen durch Extremwetter wie Kälte oder Blitzeinschläge ums Leben kommen.

Die größte Zahl der wirklich nachweisbaren "Wettertoten" gibt es europaweit durch Hitzewellen und auch die damit verbundene Schadstoffbelastung. Die Opfer sind vor allem kranke und alte Menschen. Der Anstieg war im vergangenen Jahrzehnt erheblich.

Die Hitzewellen werden aufgrund des Klimawandels noch weiter zunehmen. Da besteht klarer Handlungsbedarf, Politik und Gesellschaft müssen rechtzeitig vorsorgen. Es gibt dafür die Hitzewarnungen des Deutschen Wetterdienstes sowie Informationen von den zuständigen Bundesämtern. Wir widmen eigens diesem Problem ein neues Forschungsthema in der Klimainitiative der Helmholtz-Gemeinschaft.»


Welchen Mythos haben sie noch ausgeräumt?

Orphal: «Regen, graue Wolken am Himmel, es folgen schwarze Gedanken - angeblich ist das ja ein typisches Selbstmordwetter. Doch die Statistiken zeigen, dass die Selbstmordrate in einer ganz anderen Jahreszeit höher ist: Viele Leute nehmen sich im Frühjahr das Leben, wenn die Sonne wieder länger scheint - die Zahl ist dann um etwa 20 Prozent höher.

Das ist schon sehr merkwürdig. Doch woran das wirklich liegt, wissen wir leider noch nicht. Aber das ist ganz bestimmt keine Fragestellung für die Klimaforschung.» (dpa)
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