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18.08.2015 | 10:11 | Schrebergärten für alle 

Gemüse vom Parkdeck

Stuttgart - Hier oben sollen auch mal Autos geparkt haben. Heute blühen hier Blümchen, wachsen grüne Zucchini neben rotem Paprika und philosophieren Hobbygärtner über Tipps und Tricks für Obst und Kräuter.

Gemüse vom Parkdeck
Auf dem Parkdeck, auf der Brachfläche, auf dem Flachdach: Auch Städter wollen in der Erde wühlen und Gurken oder Kürbisse wachsen sehen. In Stuttgart bekommen sie jetzt sogar amtliche Unterstützung. (c) proplanta
Licht hat's reichlich auf dem obersten Parkdeck. Wärme auch. Und die Wasserversorgung ist sichergestellt. «Ebene 0» auf dem Stuttgarter Züblin-Parkhaus nahe dem Rathaus ist ein Musterbeispiel der neuen Generation deutscher Schrebergärten: Die Stadt bietet die Fläche, Bürger säen und ernten.

Die weitaus meisten dieser Gärten gibt es zwar in Berlin, Stuttgart will das Ganze aber professioneller angehen - mit dem bundesweit ersten hauptamtlichen Koordinator für Urbanes Gärtnern. Andere Beispiele sind einer Stiftungsgemeinschaft für nachhaltige Lebensstile zumindest nicht bekannt.

Bei der überregional bekanntgewordenen «Essbaren Stadt» Andernach bei Koblenz etwa kümmert sich im Unterschied zu Stuttgart ein Koordinator um die Bewirtschaftung der Flächen durch die Stadt: Die Verwaltung sät, die Bürger dürfen ernten.

Baden-Württembergs Landeshauptstadt fördert solche Gärten in Holzkisten auf Flachdächern oder auf Brachflächen mit bis zu 5.000 Euro. Für Erhalt und Betrieb sind 1.000 Euro jährlich drin. Der Gemüsebau kehrt quasi in die Stadt zurück, schließlich trägt das erste Wohnquartier im Stuttgarter Kessel direkt neben dem Parkhaus bis heute den Namen Bohnenviertel. Kletterbohnen zwischen den Häusern stellten hier die Versorgung in Krisenzeiten sicher. Alexander Schmid, 31 Jahre, Landschaftsarchitekt, koordiniert den Gartenbau in der Großstadt. Er vernetzt, berät, spricht Eigentümer an.

Bundesweit rund 450 Gemeinschaftsgärten hat die Münchner Stiftungsgemeinschaft Anstiftung und Ertomis in ihrer Datenbank. Sie hat sich der Erforschung nachhaltiger Lebensstile verschrieben. Allein in der «Hauptstadt des Urbanen Gärtnerns» Berlin gibt es 60 Projekte, in München knapp 50, in Bremen rund 30. Das vielleicht bekannteste Projekt sind die Prinzessinnengärten in Berlin-Kreuzberg. Jahrzehnte lag die verwahrloste Fläche brach, heute sollen da über 500 verschiedene Gemüse- und Kräutersorten stehen.

«Es geht auch um ein neues Bild von Stadt, das überall entsteht», sagt Gudrun Walesch von der Münchner Anstiftung. Ein neues Bewusstsein. «Der Grünraum gehört dazu.» Mit den Urbanen Gärten entwickelten sich sowas wie öffentliche Gemeingüter «als Zeichen einer lebenswerten, lebendigen und zukunftsfähigen Stadt». Die ungewöhnliche Stuttgarter Stelle eines Koordinators für Urbanes Gärtnern sei «ein wichtiges und ein gutes Zeichen» für die Kooperation zwischen Zivilgesellschaft und Stadt.

In Stuttgart ist es nicht nur der Hipster, der eher vorübergehend ein Interesse am coolen Gärtnern entdeckt, sagt Schmid. Alt und Jung sowie interkulturell - die Mischung der Urbangärtner sei wirklich bunt. Anfragen kämen aus allen Gruppen, was ja auch so gewünscht sei.

Die Älteren hätten «unheimlich viel Wissen» über Kürbisse, Tomaten oder Gurken. Auch Kindergärten und Schulen könnten mitmachen. «Ich drücke Samen in die Erde und dann wächst da was» - für manch Stadtkind sei das eine durchaus wichtige Erfahrung, sagt Schmid.

Gefördert werde, was einen gesellschaftlichen und ökologischen Mehrwert verspreche, verspricht er. Einen neuen Aspekt könnten da auch die Flüchtlinge bringen. Auch deren Wissen über Gemüse und Obst könnte gefragt sein. Der Prototyp des interkulturellen Gärtnerns entstand laut Anstiftung Mitte der 1990er Jahre in Göttingen. Anderswo gibt es Kiezgärten, Nachbarschaftsgärten, Selbsternteprojekte, Stadtteilgärten. Schmid sagt: «Wir wollen einen Rahmen schaffen, aber Spielräume erhalten.» (dpa)
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