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21.05.2016 | 08:02 | Schneckenzucht 

Glitschiges Geschäft - Schneckenpäpstin züchtet 40.000 Tiere

Münsingen - Diese Schnecke ist ganz schön verschmust. Neugierig blickt sie aus ihrem Häuschen, als Rita Goller ihr sanft mit einem Grashalm über den Kopf streicht.

Schneckenzucht
Was für andere Menschen ein Alptraum wäre, erfüllt Rita Goller mit Stolz: Mehr als 40.000 Schnecken kriechen durch ihren Garten. Goller ist Schneckenzüchterin aus Leidenschaft. Doch das Geschäft mit den glitschigen Weichtieren ist ein wahrer Knochenjob. (c) proplanta
«Sie genießt die Streicheleinheiten», sagt die Schneckenzüchterin aus Münsingen in Baden-Württemberg. Während die 58-Jährige die Schnecke mit dem Finger krault, kriecht das glitschige Tier ihr langsam über die Hand und streckt die Fühler ganz weit nach vorn. «Wenn die Schnecke eine Katze wäre, dann würde sie jetzt vor Freude schnurren.»

Auf der Schwäbischen Alb gilt Goller als «Schneckenpäpstin». Mehr als 40.000 Weinbergschnecken mit dem wissenschaftlichen Namen Helix pomatia fressen, kriechen und kleben auf vier eingezäunten Wiesen in Rita Gollers Garten. Die Schwäbin gehört zu den wenigen Kleinerzeugern in Deutschland, die Schnecken vermarkten.

Feinschmecker halten Weinbergschnecken für eine Delikatesse, Gerichte mit den schleimigen Zeitgenossen haben im Südwesten Deutschlands ebenso wie in Frankreich und Italien Tradition. Doch das Geschäft mit den Schnecken hat Tücken.

In Deutschland gibt es nach Angaben des Verbandes für artgerechte Schneckenzucht etwa 25 Züchter, die im Jahr höchstens zehn Tonnen der glitschigen Ware erzeugen. Zum Vergleich: In Frankreich vermarkten Züchter mehrere Tausend Tonnen im Jahr. «Die Schneckenzucht in Deutschland ist und bleibt eine Nische», sagt der Verbandsvorsitzende Klaus Krebs. «Das ist hierzulande eher eine Liebhaberei als ein lukratives Geschäft.»

Ein vernünftiges Einkommen lasse sich mit den Weinbergschnecken meist nicht erzielen. «Die Produktionskosten für Schnecken sind zum Teil höher als die erzielten Preise», sagt Krebs. So müssten für ein Kilogramm Schnecken im Schnitt 2,50 Euro investiert werden, aber Händler zahlten dafür häufig nur rund 1,90 Euro. «Schnecken sind ein Luxusartikel. Und die Deutschen wollen seit jeher nicht viel fürs Essen ausgeben.» Lohnender sei eine Direktvermarktung der Delikatessen.

Für Goller ist die Schneckenzucht bislang eher ein aufwendiges Hobby als eine Geldquelle. Abnehmer sind acht Wirtschaften in der Region, auch ein paar Sterneköche sind unter ihren Kunden. Reich werden könne sie bei einem Preis von 50 Cent pro Schnecke aber nicht, sagt Goller.

In diesem Jahr bereitet Goller, die auch Landschaftsführerin und Biosphären-Botschafterin auf der Schwäbischen Alb ist, besonders der milde Winter Kopfzerbrechen. Zu früh seien einige Schnecken aus dem Winterschlaf erwacht - und erfroren. Mindestens vier Jahre leben die Tiere in ihrem Garten, bis sie bei Gastronomen und Feinschmeckern im Kochtopf landen. Seit 2005 stehen die Weinbergschnecken unter Naturschutz. Das heißt, dass sie in freier Natur nicht mehr gesammelt werden dürfen.

Die Schneckenzucht ist kein Zuckerschlecken. Mit ihrem 65 Jahre alten Mann Walter ist Goller jeden Tag stundenlang beschäftigt, Salat oder Löwenzahn zu besorgen, die Tiere damit zu füttern und nach ihnen zu schauen. «Wenn die Schnecken richtig Kohldampf haben, fressen sie bis zu 50 Köpfe Salat pro Tag», sagt Goller. Das Futter ist meist aussortierte Ware, die sie von Supermärkten und Landwirten aus der Umgebung bekommt.

Besonders fasziniert Goller das gelassene und friedliche Wesen der Tiere. «Schnecken haben Gedanken und Gefühle», ist Goller überzeugt. Bereits ihr Urgroßvater war Schneckenzüchter.

Goller hat ihre Schnecken auch zum Essen gern und schwört auf das Fleisch, das proteinreich und fettarm sei. «Es schmeckt wie feines Kalbfleisch mit etwas nussig-erdigem Geschmack», sagt sie. Das haben auch die Gastronomen von der Schwäbischen Alb entdeckt, die Schneckengerichte wie Schnecken-Bärlauch-Suppe oder Schneckenragout auf Bandnudeln anbieten.
dpa
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