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21.02.2012 | 08:40 | EHEC-Infektion 

Nach Ehec-Epidemie kämpft Ulrike Brandi weiter mit Folgeschäden

Hamburg - Den 16. Mai 2011 wird Ulrike Brandi nie vergessen.

Petrischale
(c) ggw - fotolia.com
Nur einen Tag zuvor hatte sie bei einem Workshop stundenlang Swing getanzt - voller Lebensfreude und Kraft. Doch als die Hamburger Lichtdesignerin am nächsten Morgen erwacht, ist alles anders: Sie hat blutigen Durchfall, hohen Blutdruck, fühlt sich schlapp.

Mit dem Rettungswagen geht es ins Krankenhaus. Verzweifelt suchen die Ärzte nach der Ursache. Es dauert lange, bis sich herausstellt: Brandi ist Opfer der Ehec-Epidemie. Gut neun Monate sind seither vergangen. Doch die Folgen der Krankheit spürt die 55-Jährige noch immer. Ihr Blutdruck ist hoch, sie muss regelmäßig Medikamente nehmen - vielleicht ihr ganzes Leben lang.

Im Frühsommer des vergangenen Jahres beherrschte Ehec in Deutschland wochenlang die Schlagzeilen. Kerngesunde Menschen lagen auf überfüllten Intensivstationen, Schwerpunkt des aggressiven Lebensmittel-Keims war Norddeutschland. 53 Menschen überlebten die Attacke nicht. Nun gibt es in Hamburg einen neuen Ehec-Fall. Ein sechsjähriges Mädchen starb an den Folgen der Infektion. «Das ist ein Einzelfall», betont eine Sprecherin der Hamburger Gesundheitsbehörde.

In Deutschland erkrankten nach Angaben des Robert Koch-Instituts auch vor dem großen Ehec-Ausbruch im vergangenen Mai 800 bis 1.200 Menschen pro Jahr an Ehec. Es habe auch immer wieder vereinzelt Todesfälle gegeben.

Als Ursache für die Ehec-Welle 2011 fanden Wissenschaftler frische Sprossen. Die hatte auch Lichtdesignerin Brandi gegessen. Wer die zweifache Mutter in ihrem Büro in der Hansestadt besucht, kann sich leicht vorstellen, wie schnell sich ihr Leben vor der Krankheit drehte: Sie hat Bauvorhaben in Amsterdam, London, Malaysia und Peking, ist ständig unterwegs. Als die Ärzte in der Asklepios Klinik Altona bei Brandi das hämolytisch-urämische Syndrom (HUS) - die schwere Verlaufsform einer Ehec-Infektion - diagnostizieren, ist das ein riesiger Einschnitt.

«Ich war noch nie in meinem Leben so lange krank», sagt die 55-Jährige und nimmt auf einem Sofa Platz. Die blonde Frau trägt einen dunkelblauen Hosenanzug, eine weiße Bluse und lila-schwarze Absatzschuhe, nippt an ihrem Kaffee und lächelt. Nach außen würde ihr keiner anmerken, was für eine belastende Zeit hinter ihr liegt.

Im Krankenhaus kamen immer neue Symptome hinzu: Ihr ganzer Körper schwoll an, tat bei jeder Bewegung weh, sie musste ununterbrochen auf die Toilette. Auch hatte sie neurologische Störungen, an vieles konnte sie sich plötzlich nicht mehr erinnern. «Ich hatte wahnsinnige Kopfschmerzen, als würde mir der Kopf zerspringen», sagt Brandi.

Lesen oder fernsehen waren zu anstrengend. «Schlafen und leiden waren meine Hauptbeschäftigungen. Für mich gab es den Mai und den Juni im letzten Jahr nicht», berichtet sie mit ruhiger Stimme. Erst als Brandi von ihrem schlimmsten Moment berichtet, merkt man ihr an, wie sehr sie das heute noch bewegt: Auch bei ihrer Tochter gab es Hinweise auf Ehec - doch das war am Ende ein Fehlalarm.

Im Krankenbett quälte die selbstständig arbeitende Chefin von 13 Angestellten in Hamburg und München immer wieder die Frage: Was ist mit meinen Projekten, können meine Mitarbeiter die Arbeit ohne mich stemmen? «Dann erreichte mich ein Geschenk meines Teams, das mir meine Sorgen nahm», sagt Brandi, springt auf und holt mit strahlendem Gesicht eine selbst gebastelte Tasche hervor, auf der ein Gruppenbild ihrer Mitarbeiter prangt. «Wie die zu mir gehalten haben, das war herrlich.» Anders als vielen anderen HUS-Patienten bleiben Brandi eine Dialyse oder eine Plasmapherese (Austausch von Blutplasma) letztlich erspart.

Die Ehec-Erkrankung hat Brandis Leben verändert. «Ich will mich nicht als Pechvogel sehen», sagt die Hamburgerin. Die Krankheit habe ihr die Grenzen ihres Körpers gezeigt. Trotz der zurückgebliebenen Folgeschäden habe sie heute eine höhere Lebensqualität. Sie ist beruflich zwar immer noch viel in der Welt unterwegs, hat für sich aber neue Wege gefunden, mit beruflichem Stress umzugehen. «Ich achte mehr auf mich, gehe mit Überlastung besser um», sagt sie und fügt schmunzelnd hinzu: «Vielleicht hilft Ehec mir ja, 104 Jahre alt zu werden.» (dpa)
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