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25.04.2010 | 11:35 | Neuerscheinung 

Kaffee macht krank - ein fetter Irrtum

Zürich - Vier Tassen Kaffee pro Tag ist gesund und der Genuss einer fetten Salami macht nicht dick: Für leidenschaftliche Kaffeetrinker und Diätmüde ist das Buch «Fette Irrtümer» von Paolo Colombani eine wahre Erlösung.

Kaffeebohnen
(c) proplanta
Mit Hilfe von wissenschaftlichen Fakten räumt der ETH-Ernährungswissenschaftler mit alten Ernährungsmythen auf.

Ernährung liegt im Trend. Wer einen Ernährungsratgeber kaufen will, muss nicht lange suchen: Die Regale der Buchhandlungen sind voll davon. Seit kurzem gehört auch «Fette Irrtümer» des ETH-Ernährungswissenschaftlers Paolo Colombani dazu. Wieder ein Buch über die «richtige» Ernährung, denkt sich die Leserin oder der Leser vielleicht. Falsch gedacht. Dieses Buch ist anders. Davon zeugt schon die Platzierung in den Top-10 der hiesigen Bestsellerlisten - und natürlich der Titel. «Fette Irrtümer» ist kein Ratgeber im klassischen Sinne. Colombani verhängt keine Verbote über «böse» Nahrungsmittel. Im Gegenteil: Der Wissenschaftler räumt mit genau solchen Mythen auf.


Kaffee macht nicht krank

Das beste Beispiel: Kaffee. Seit Jahren wird den Kaffeetrinkern erklärt, dass sie mit ihrer flüssigen Leidenschaft ein Sakrileg gegen ihre Gesundheit begehen würden. Genau so lange schon glaubt man, dass die schwarze Brühe den Körper austrocknet. Genau hier zieht Colombani die Bremse, denn: «Glauben gehört zur Religion». Die Wissenschaft spricht eine andere Sprache und die sagt das Gegenteil aus: Kaffee trägt zum täglichen Flüssigkeitsbedarf bei. Und noch mehr. Kaffeetrinker erkranken weniger an Diabetes. Der Autor empfiehlt gar vier Tassen pro Tag. Solche Aussagen erstaunen und werfen die Frage nach den Gründen für die Ammenmärchen auf. Darauf hat Colombani eine Antwort. Er sieht den Fehler darin, mit dem Nährstoff Koffein gleich das ganze Nahrungsmittel zu verteufeln. Kaffee besteht aber aus zahlreichen anderen Stoffen, die sich eben nicht negativ auf die Gesundheit auswirken. Seine Quintessenz: Man muss das Nahrungsmittel als Ganzes betrachten.

Die Schlussfolgerungen, die er Autor im Buch zieht, basieren nicht auf seiner «Handgelenk mal Pi»-Einschätzung. Sie fußen auf Erkenntnissen aus über 400 wissenschaftlichen Artikeln, die er zusammengetragen hat. Seinen Schlüssen widersprechende Studien blendet Colombani nicht aus. Im Gegenteil, er bespricht sie ausführlich. Um das Buch zu verstehen, muss man deshalb noch lange kein Ernährungsfachwissen haben. «’Fette Irrtümer’ ist für an Ernährung und ihren Hintergrundgeschichten interessierte Laien», sagt der Wissenschaftler. Das spürt man. Colombani nimmt den Leser an der Hand und führt ihn in lockerem Plauderton, illustriert von anschaulichen und kreativen Beispielen, durch die Ahnengalerie der verstaubten Ernährungsmythen.


Aus Fettsäuren werden Liebespaare

Eine solche kreative Veranschaulichung findet sich, wenn er über sonst so komplizierte Dinge wie die Verbindung zwischen Fettsäuren schreibt: «Es könnte ja sein, dass es sich bei der einen Nachbarin um die neue Freundin handelt und die Schmetterlinge im Bauch noch wild herumflattern. Dann wird es sicherlich nicht bei einem einfachen Handschlag bleiben.» Im gleichen Zuge räumt er mit dem Mythos auf, dass Fett generell ungesund sei. Dafür nimmt er eine europäische Studie zur Hand, die anhand der Untersuchung von 90'000 Erwachsenen festgestellt hat: Der Fettgehalt in den Nahrungsmitteln hat keinen Einfluss auf das Körpergewicht.

Das mag für Menschen mit Gewichtsproblemen wie ein Freipass für Schokolade, Chips und Kuchen klingen. Ist es aber nicht. Auch wenn Fett eine kleine Rolle spielt, sind da immer noch die Kohlenhydrate. Und die regen an, besonders wenn die Bewegung fehlt. Colombani empfiehlt Diätmüden daher: Esst ausgewogen, auch fettreich, aber nicht zu kohlenhydrathaltig. Großgeschrieben wird dabei auch die Bewegung. Ob Über- oder Normalgewichtig eine halbe Stunde pro Tag sollte man sich gut Bewegen - «forsches Wandern», wie es die Amerikaner nennen. Darum herum kommt man laut dem Autor nicht, wenn man langfristig gesund bleiben möchte.

Das Buch liest sich gut. Es ist flüssig und anschaulich geschrieben, aber dennoch nicht oberflächlich. Wer auf den Sommer eine gute Figur machen will, ist mit diesem Werk gut bedient.

Literaturhinweis
Paolo Colombani: Fette Irrtümer, Orell-Füssli-Verlag, 34.60 Franken.



Quelle: ETH Life - Das Online-Magazin der ETH Zürich, Rebecca Wyss, 20.04.2010
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