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16.12.2008 | 15:20 | Studentische Initiative FRESH 

Studierende fordern Masterplan für Reform des Agrarstudiums

Stuttgart/Hohenheim - Transdisziplinärer, ethischer und stärker auf Problemlösungen ausgerichtet, soll das Agrarstudium der Zukunft aussehen.

Studierende fordern Masterplan für Reform des Agrarstudiums
So forderten Studierende der Universität Hohenheim auf einem Pressetermin mit Vertretern von Hochschulleitung und Fakultät Agrarwissenschaften. Vor Journalisten übergaben sie ein dreiseitiges Papier mit konkreten Vorschlägen, das durchaus auf fruchtbaren Boden fiel: Er könne sich gut vorstellen, dass Fakultät und Studierende einen konkreten Masterplan mit Zeitvorgaben für die Umsetzung einiger Ideen erarbeiten, signalisierte Studiendekan Prof. Dr. Michael Kruse. Erörtert werden solle das Thema auf der kommenden Sitzung des Fakultätsrates im Januar. Initiator der studentischen Bewegung ist die Initiative FRESH, deren Namenskürzel als Akronym/Abkürzung für Food Revitalisation & Eco-Gastronomic Society of Hohenheim steht.

Zur Pressekonferenz reichten sie Buttermilchbiskuits, die Zutaten regional aus ökologischem Anbau, der Käse, eine italienische Spezialität der Terra Madre Konferenz von Slow Food: "Unsere Initiative hat sich in einer Zeit gegründet, in der das Wort 'Krise' an der Tagesordnung war: die Ernährungskrise, Energiekrise, Finanzkrise" leitete FRESH-Mitglied Athena Birkenberg zur Begründung ein. "Unser Lösungsansatz beginnt bei der Nahrung und erstreckt sich auf das gesamte Ernährungssystem. Wir wollen wissen, wo Essen herkommt, wie es hierher kam, und wie es produziert und zubereitet wurde."

Weltweit litten neun Millionen Menschen an Hunger, eine noch größere Zahl an Übergewicht. "Dabei leben die meisten Hungernden erstaunlicherweise im ländlichen Raum", so die Studentin. Das Paradoxon mache deutlich, dass etwas getan werden müsse - auch in der Lehre und der Forschung der Agrarwissenschaften: "Business as usual" ist keine Option.

Entsprechend enthielt auch das Ergebnispapier einer eintägigen Strategiediskussion aus der Vorwoche sowohl grundsätzliche Forderungen als auch konkrete Vorschläge. Generell transdisziplinärer und mit mehr Raum für ethische und soziale Aspekte wünschen sich die Studierenden das Agrarstudium der Zukunft. Konkret wünschten sich die Studierenden unter anderem Punkte, wie verbesserte Kommunikation zwischen Instituten, Professoren, Studierenden und externen Fachleuten; verstärkte Einbindung der Studierenden in Forschungsprojekte und integratives praxis- und erfahrungsorientiertes Lernen.


Starkes Interesse bei Fakultät und Hochschulleitung

Zupackend und in keinster Weise reserviert, angesichts der Forderungen, zeigten sich auch die Vertreter von Hochschulleitung und Fakultät. "Wenn wir es schaffen, solche Studierende anzuziehen, könnte man sagen, dass wir viele Dinge schon sehr gut machen" - so leitete Prof. Dr. Martin Blum als Vizerektor und Prorektor für Lehre gleich ein Lob für die Universität ab.

Konkreter konnte Prof. Dr. Michael Kruse werden, der als Studiendekan speziell für das Lehrangebot der Fakultät Agrarwissenschaften zuständig ist. Einen Masterplan, bei dem sich Studierende und Fakultät auf konkrete Reformschritte mit verbindlichen Zeitangaben festlegten, könne er sich "durchaus vorstellen", antwortete Prof. Dr. Kruse auf Rückfrage. Erster Schritt dahin sei die Diskussion im Fakultätsrat, der unter anderem Lehrangebot und -inhalte festlegt. Für die kommende Sitzung im Januar habe er den Auftritt der FRESH-Mitglieder bereits auf die Tagesordnung setzen lassen.


Professoren sehen Übereinstimmung in vielen Bereichen

Zurück blieb der Eindruck eines hohen Maßes an Konsens - was auch ein Ergebnis der professionellen Vorarbeit der Studierenden sein könnte. In bester akademischer Tradition hatte die Initiative FRESH ihre Reformideen durch eine internationale Strategie-Konferenz erarbeitet - und dabei sowohl eigene Professoren als auch eine Vielzahl prominenter Fachleute eingebunden:

Von namhaften Wissenschafts-Sponsoren über externe Mitglieder des Universitätsrates bis zu einer Co-Autorin des Weltagrarberichtes, die das Impulsreferat zur Tagung hielt.

Gleichzeitig treffen die Studierenden mit ihren Ideen auch auf eine Fakultät, die sich durch schnelle Reaktionen auf neue Herausforderungen wiederholt besonders flexibel zeigte: Mit neuen Studiengängen wie dem "Organic Food Chain Management" oder "Nachwachsende Rohstoffe und Bioenergie" passt sich die Fakultät ständig neuen Herausforderungen an.

Bundesweit gehören die Hohenheimer Agrarwissenschaftler zu den Vorreitern ihres Fachs bei der Umstellung auf das Bachelor-/Master-System. Gefördert durch die EU wurden mittel- und osteuropäische Universitäten, mit Hohenheimer Studienplänen fit für den Beitritt zum europäischen Bildungsraum gemacht.


Studierende wünschen sich Vorbildfunktion ihrer Universität

"In Teilen gehören die Forderungen der Studierenden zu Überlegungen, wie sie auch unter den Professoren der Fakultät bereits in der Diskussion sind", analysiert Prof. Dr. Kruse. "Wenn Lehrende und Lernende hier an einem Strang ziehen, kann das nur noch vorteilhafter sein."

Als eine Möglichkeit, ihre Ideen voranzutreiben, verwies Prorektor Prof. Dr. Blum die Studierenden auf die Studiengebühren: "Wenn sie schon Gebühren zahlen, sollen sie sehen, dass sie für das Geld auch die Extras bekommen, die sie sich tatsächlich wünschen". Aktuell habe die Universität Hohenheim einen landesweit einmaligen Ideenwettbewerb Studiengebühren ausgerufen.

"Hier sehe ich einigen Gestaltungsspielraum, den sie nutzen sollten."
Befragt, wie zufrieden sie mit den bisherigen Ergebnissen ihrer Initiative seien, zeigten sich die FRESH-Mitglieder zuversichtlich und erwartungsvoll: "Wenn es uns gelingt, diese Agenda gemeinsam mit Professoren umzusetzen, dann könnte die Universität ein Vorbild für die Agrarwissenschaften in ganz Deutschland sein."


Hintergrund FRESH

FRESH; das steht für Food Revitalisation & Eco-Gastronomic Society of Hohenheim: eine zehnköpfige, internationale Gruppe von Agrarwissenschaftlern aus Kanada, Sri Lanka, Libanon, Griechenland und Deutschland, die sanft, aber zielstrebig, ambitionierte Visionen zur Realität machen will.

Kennen gelernt haben sich die 10 Mitglieder beim Essen: Im Lokal kamen sie beim Thema -verschiedene Essenskulturen - miteinander ins Gespräch, um zu erkennen, dass sich alle Probleme der modernen Welt im Essen kristallisieren: die Welternährungs-Problematik, der Kulturverlust durch das Aussterben der Vielfalt traditioneller Nutzpflanzen oder die immensen ökologischen Auswirkungen der Lebensmittelproduktion. Als ein Fundament ihrer Lösungsansätze dient der Bericht des Weltagrarrates, der im Frühjahr des Jahres eine grundlegende Wende in der globalen Agrarwirtschaft gefordert hatte.


Hintergrund FRESH-Konferenz vom 28. November 2008

Entstanden ist das Ergebnis-Papier der FRESH-Initiative auf einer eintägigen Strategiediskussion mit über 140 internationalen Studierenden, Professoren und NGO-Vertretern am vergangenen Freitag. Die Diskussion über neue Ansprüche an ihr Studium hatten die Initiatoren in vier thematischen Workshops zu Biotechnologie, Management Natürlicher Ressourcen, International Trade und Local Knowledge & Women in Agriculture gegliedert.

Begleitet wurde jeder Workshop jeweils von zwei externen Experten und einem Hohenheimer Professor, der als Bindeglied zwischen den Externen und den Teilnehmern diente. Für ein Impulsreferat zum Konferenzbeginn hatte die Initiative, als eine der Mit-Autorinnen des Weltagrarberichtes, Dr. Anita Idel gewonnen. Verpflegt wurden die Konferenz-Teilnehmer durch den niederländischen Szene-Koch und Polit-Aktivisten Wam Kat, der bereits bei Großveranstaltungen wie dem G8-Gipfel in Heiligendamm 2007 bis zu 7.000 Menschen verpflegte. (PD)
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