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01.10.2010 | 10:28 | Genetische Vielfalt 

Verlust der Artenvielfalt gefährdet langfristig die Ernährungssicherheit

Quedlinburg - Anlässlich eines internationalen Symposiums auf Madeira im September 2010 diskutierten 84 Wissenschaftler aus 38 Ländern Strategien zur Erhaltung, Förderung und nachhaltigen Nutzung genetischer Vielfalt.

Artenvielfalt
Die genetische Vielfalt unserer Kulturpflanzen und mit ihnen verwandter Wildarten ist für die Ernährungssicherung von essenzieller Bedeutung. Kürzlich ging an der Universität Madeira ein Symposium zu Ende, bei dem europäische Agrarwissenschaftler und Artenschützer neue Schutzkonzepte und Forschungsergebnisse diskutierten. Im Zentrum des Interesses stand das Projekt AEGRO. In ihm entwickeln Wissenschaftler aus acht EU-Ländern unter Koordination des Julius Kühn-Instituts (JKI) Strategien, Methoden und Werkzeuge, um gefährdete Wildpflanzenarten sowie Landsorten zu erhalten, die mit unseren Kulturpflanzen wie Hafer, Raps, Rüben oder Kirschen verwandt sind. „Als besonderen Erfolg werten wir als Projektteam die Teilnahme von renommierten Wissenschaftlern aus den USA und China, Vertretern internationaler Agrarforschungszentren sowie eines Repräsentanten der Europäischen Kommission“, sagte Koordinator Dr. Lothar Frese vom JKI.

Bereits im Jahr 2001 beschloss die EU beim Gipfeltreffen in Göteborg, dem Verlust der biologischen Vielfalt bis zum Jahr 2010 Einhalt zu gebieten. Trotz einiger Fortschritte verfehlt die Gemeinschaft der EU-Mitgliedsländer diese Zielsetzung mit hoher Wahrscheinlichkeit. Daher arbeitet die Generaldirektion (GD) Umwelt der Europäischen Kommission derzeit an einer post-2010 EU-Biodiversitätsstrategie, so Olivier Diana von der GD Landwirtschaft der EU. Inzwischen steht unumstößlich fest, dass der Verlust der Artenvielfalt langfristig die Ernährungssicherheit gefährdet, da davon auch Wildpflanzenarten betroffen sind, die als Ausgangsmaterial für die züchterische Anpassung unserer Kulturarten an den globalen Wandel mehr als je zuvor benötigt werden. „Im AEGRO-Projekt geht es um diese gefährdeten und zugleich unverzichtbaren Ressourcen“, so Lothar Frese. Er betont, dass die im Projekt entwickelten Strategien, die darauf abzielen, die Formenvielfalt in naturbelassenen Lebensräumen (in situ) und in landwirtschaftlichen Nutzungssystemen (on farm) nachhaltig zu sichern und zu nutzen, erfolgversprechend sind.

Für die wichtigsten Pflanzenarten sind Schutzoasen in Europa geplant. Zur Erhaltung der innerartlichen Vielfalt könnten genetische Schutzgebiete im Natura 2000 Netzwerk der EU-27 ausgewiesen und bewirtschaftet werden. Das erste dieser genetischen Schutzgebiete entsteht wahrscheinlich  auf einer Schäre in unmittelbarer Nähe der Insel Madeira. Nur hier kommt die Wildart Beta patula natürlicherweise vor. Diese extrem seltene und gefährdete Wildart ist für die Zuckerrübenzüchtung als virusresistentes Ausgangsmaterial von Bedeutung.

Referenten aus Norwegen und der Schweiz zeigten, wie die Landwirtschaft im Rahmen von Agrarumweltmaßnahmen genetische Ressourcen erhalten kann. Bauern, die man zu Recht als „Ressourcenwirte“ bezeichnen kann, bewirtschaften hier artenreiche Wiesen und Weiden.

Andere Referenten stellten Arbeiten mit dem Ziel vor, Anbauorte traditionell genutzter Landsorten zu ermitteln und in einem Informationssystem zu erfassen. Andere Referenten beschrieben, wie neue Landsorten für Landwirte in Entwicklungs- und Schwellenländern mit Methoden der modernen Pflanzenzüchtung zu entwickeln sind. Wie die moderne Pflanzengenetik und Genomforschung dazu beitragen kann, rationale Entscheidungen im Bereich des Managements pflanzengenetischer Ressourcen zu treffen, war ein weiterer Themenkomplex.

Alle Referenten betonten die Bedeutung leistungsfähiger Informationssystemen für pflanzengenetische Ressourcen für Ernährung und Landwirtschaft. Diese weisen derzeit in Europa im Vergleich zu den USA starke Defizite auf. „Die Unzulänglichkeit der europäischen Informationssysteme blockiert nicht nur die Umsetzung unserer Fachkonzepte für den Schutz genetischer Ressourcen erheblich, sondern ebenso deren pflanzenzüchterische Nutzung“, merkt Lothar Frese vom JKI kritisch an. Während wissenschaftlich gut ausgefeilte Konzepte zur Entwicklung dieser Informationssysteme bereits existierten, fehle es bisher an politischem Umsetzungswillen, Koordination und finanzieller Untersetzung zur Realisierung dieser Konzepte in Europa, so ein Resümée des Symposiums. (jki)
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