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21.07.2011 | 16:32 | EU-Agrarpolitik 

Absatzförderung und Rindfleischsektor als zentrale Punkte des EU-Agrarministerrates

Wien - Die Zukunft der Absatzförderung europäischer Agrarprodukte und der Rindfleischintervention standen im Mittelpunkt des ersten EU-Agrarministerrates unter polnischem Vorsitz am Dienstag.

EU-Agrarpolitik
In einer öffentlich übertragenen Tischrunde diskutierten EU-Kommission und Minister über die Modernisierung der EU-Absatzförderprogramme, denen gerade in Krisenzeiten eine besondere Bedeutung zukommt.

Die Kommission startete dazu eine Medienkampagne zur Unterstützung des Obst- und Gemüsesektors, um das Vertrauen der Verbraucher nach der EHEC-Krise wiederherzustellen. Die Werbeanzeigen werden in allen EU-Mitgliedstaaten seit 19.07. bis Ende Juli in verschiedenen Print-Medien geschaltet. Da einige EU-Mitgliedstaaten keine zuverlässigen Daten zu den beantragten Gemüsehilfen lieferten werden sich die EHEC-Hilfen aus dem EU-Haushalt für die Gemüseerzeuger verzögern. Für den Rindfleischsektor möchte Agrarkommissar Dacian Ciolos Mindestgewinnmargen einführen.


Marketing für europäische Agrarprodukte

Gezielter und schneller sollen nach dem Wusch der Kommission generell alle Absatzförderungsmaßnahmen laufen, auch jenseits der EHEC-Krise. Ciolos stellte dazu das entsprechende Grünbuch der Kommission vor und erwartete im Agrarrat die ersten Reaktionen der Mitgliedstaaten. Das Gros der Minister forderte mehr Flexibilität und einfachere Genehmigungsverfahren. Unterschiedliche Meinungen gab es über die Angabe des Herkunftslandes. Frankreich forderte, dass bei der Bewerbung von Agrarprodukten in Drittländern der einzelne EU-Mitgliedstaat angeführt werden soll. Auch Portugal und Griechenland machten auf die Bedeutung des Ursprungs aufmerksam. Die Niederlande lehnten dagegen Vorschriften für die Herkunft von Agrarprodukten ab.

Ciolos möchte noch bis zum 30.09. Meinungen von beteiligten Akteuren und interessierten Personen zur Absatzförderung europäischer Agrarprodukte einholen. Auf Basis der Anhörung der Öffentlichkeit sollen bis Mitte 2012 Mitteilungen der Kommission und Ende 2012 Gesetzesvorschläge folgen. Die polnische EU-Ratspräsidentschaft will die Absatzförderung zum Thema des Informellen Agrarministerrates Mitte September in Breslau machen. Darüberhinaus soll das Thema auch im Agrarrat im November behandelt werden.


Stabilisierung des Rindfleischsektors

Unter dem Tagesordnungspunkt "Sonstiges" berichtete der Kommissar von den Ergebnissen, der am Informellen Agrarministerrat im Mai eingerichteten Arbeitsgruppe für die EU-Rindfleischerzeugung. Daraus schließt Ciolos, dass die Intervention überholt ist, weshalb er das System erweitern und Mindestgewinnmargen für die Erzeuger einführen möchte. Schließlich seien die Preise stabil, könnten aber dennoch nicht die hohen Futterkosten abdecken. Ciolos forderte deshalb Mindestmargen als Auslöseschwelle für die staatliche Einlagerung von Rindfleisch. In seinem Reformvorschlag für die Gemeinsame Agrarpolitik (GAP) will er entsprechende Überlegungen einbauen.

Zwischen den EU-Mitgliedstaaten gehen die Meinungen über einen Ausbau des Interventionssystems auseinander. Der französische Landwirtschaftsminister Bruno Le Maire begrüßte die Pläne von Ciolos. "Das heutige System funktioniere nicht mehr, es sei nicht einmal ein Sicherheitsnetz", betonte der Minister. "Die Intervention dürfe nicht erst in Kraft treten wenn alle schon ruiniert sind." Le Maire erwartet Verbesserungsvorschläge von der Kommission. Robert Kloos, der Staatssekretär im deutschen Bundeslandwirtschaftsministerium, warnte dagegen vor zunehmenden Markteingriffen. An dem Interventionssystem soll nach seiner Meinung nichts Grundlegendes verändert werden.

Der Präsident des EU-Landwirteverbandes Copa, Gerd Sonnleitner, verwies in einer parallel zum Agrarrat stattfindenden Pressekonferenz auf die geringe Verfügbarkeit von Futter in den von der Dürre betroffenen Ländern, was eine zusätzliche Herausforderung für die Rindfleischerzeuger bedeutet. Wenn diese Situation anhält, dürften mit großer Wahrscheinlichkeit im Herbst vorzeitige Schlachtungen nötig werden, weshalb Sonnleitner die polnische Präsidentschaft mit Nachdruck gebeten hat, für die Agrarratstagung im September/Oktober einen Punkt zur Rindfleischmarkt-Überwachung in die Tagesordnung aufzunehmen.

"Hinzu kommt, dass die Einkommen der Rindfleischerzeuger unter allen landwirtschaftlichen Produktionsbereichen nach wie vor zu den niedrigsten zählen, so der Copa-Präsident. Daher bestehen die europäischen Landwirte und ihre Genossenschaften auf eine Reihe von Sofortmaßnahmen (ohne auf die GAP-Reform zu warten): Erhalt einer mit der GAP kohärenten Handelspolitik, die Einrichtung einer Beobachtungsstelle für Preise und Gewinnspannen, eine genaue Beobachtung des europäischen Rindfleischmarkts im Anschluss an die Abschaffung der Milchquoten sowie eine bessere Organisation des Sektors.


Aktueller Stand EHEC-Hilfen

Schließlich wurde auf dem Agrarministerrat bekannt gegeben, dass sich die Hilfen aus dem EU-Haushalt für die Gemüseerzeuger verzögern werden. Grund sind fehlende zuverlässige Daten aus einigen EU-Mitgliedstaaten über beantragte Gemüsehilfen. Von vier Ländern fordert die EU-Kommission zusätzliche Prüfungen über die Richtigkeit der Anträge. Deshalb soll über die Vergabe des EUR 210 Mio.-Hilfspakets der EU an die EHEC-geschädigten Gemüseerzeuger erst in der kommenden Woche entschieden werden.

Ciolos kündigte dazu einen Sonderverwaltungsausschuss in Brüssel an. Landwirtschaftsminister Nikolaus Berlakovich bestätigte, dass Österreich im Rahmen der EU-Sondermaßnahmen Entschädigungszahlungen in der Höhe von rund EUR 2,4 Mio. beantragt hat. Für die Berechnung wurden 50 % der durchschnittlichen EU-Großhandelseinstandspreise veranschlagt. Die Verluste für die Betriebe, hier ist die Basis der Erzeugerpreis, liegen nach letzten Erhebungen (Erzeugerorganisationen) beziehungsweise Schätzungen (Einzelerzeuger) bei rund EUR 1,2 bis EUR 1,5 Mio. an vernichteten Erzeugnissen zuzüglich weiterer geschätzter Verluste in der Höhe von EUR 700.000,- bis EUR 800.000,- aufgrund der generell gefallenen Gemüsepreise. 
 
Laut Informationen des Lebensministeriums wurden von Deutschland EUR 42 Mio., Spanien EUR 200 Mio. und Niederlande EUR 350 Mio. an Verlusten gemeldet beziehungsweise Entschädigungen beantragt. Von den 27 EU-Mitgliedstaaten verzichten lediglich Finnland, Luxemburg, Litauen, Zypern und Malta auf die Hilfen. Die Antragsfrist für die Mitgliedstaaten endete am 18.07. Am Freitag (22.07.) gibt die Kommission einen allgemeinen Kürzungsfaktor bekannt, falls die Anträge der Mitgliedstaaten die maximal mögliche Beihilfensumme von EUR 210 Mio. übersteigen. Branchenexperten erwarten, dass der Kürzungsfaktor mehr als 50 % ausmacht.

Die Präsidenten der EU-Landwirte- und Genossenschaftsverbände Copa und Cogeca Gerd Sonnleitner und Paolo Bruni betonten, dass die umgehende Einführung von Werbemaßnahmen im Obst- und Gemüsesektor für die Erholung zum Saisonhöhepunkt absolut notwendig sei. Die Präsidenten forderten deshalb die EU-Landwirtschaftsminister zur Schnürung eines zweiten Maßnahmenpaketes auf, durch das zusätzliche Entschädigungen für einen ausgeweiteten Zeitraum bis zum 31.07. finanziert werden können. "Gleichzeitig sollen die Entschädigungen auf eine größere Zahl von Produkten ausgedehnt werden", so Sonnleitner und Burni.

Der Vorsitzende der Copa/Cogeca-Arbeitsgruppe "Obst und Gemüse" Van Es möchte aufgrund des stagnierenden Obst- und Gemüseverbrauches auch Werbekampagnen für Obst und Gemüse in Nicht-EU-Ländern umsetzen. "Diese Kampagne sollte zu 100 % durch die EU aus einem separaten spezifischen Haushalt finanziert werden", so Es. (BMLFUW/AIZ)
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