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Hasen leben gefährlich - doch sie können sich behaupten
Ein nasskaltes Frühjahr ist für Junghasen brandgefährlich. Allein und ungeschützt im Gras kauernd warten sie auf ihre Mütter, die nur kurz zum Säugen vorbeikommen.
Anders als Kaninchen haben Feldhasen keinen Bau, und so sind die kleinen Märzhasen der Witterung schutzlos ausgeliefert. Auch später bleibt das Leben der schnellen Sprinter hochriskant. Fressfeinde wie der Fuchs trachten ihnen nach dem Leben, sie werden Beute der Jäger oder enden unter Autoreifen. Die größte Bedrohung ist in Zeiten intensivierter Landwirtschaft aber der Mangel an passender Nahrung - Hasen sind wählerisch. Doch trotz aller Gefahren: Kurz vor Ostern legen die Jäger neue Zahlen vor, und die stimmen optimistisch.
«Der Bestand ist stabil», sagt Torsten Reinwald, Sprecher des Deutschen Jagdverbandes (DJV) in Berlin. «Im Durchschnitt leben elf Hasen pro Quadratkilometer auf Deutschlands Feldern und Wiesen.» Das belegten die neuesten Zahlen aus bundesweit 450 Referenzgebieten.
«In Deutschland leben derzeit rund 3 bis 3,5 Millionen Feldhasen», so Reinwald unter Berufung auf Hochrechnungen. «Auf 25 Bundesbürger käme danach ein Osterhase.» Trotz leichter Schwankungen der Bestände hätten sich die Hasen seit Beginn der jeweils im Frühjahr und Herbst durchgeführten Zählungen im Jahr 2002 behauptet.
Das vergangene Jahr sei sogar ausgesprochen fruchtbar für die Feldhasen gewesen, betont Reinwald. Es habe deutlich mehr Nachwuchs als Verluste gegeben. «Die Nettozuwachsrate war vergleichsweise hoch, vom Frühjahr bis zum Herbst lag sie im Bundesdurchschnitt bei 16 Prozent», hebt er hervor.
«Sollte das Wetter mitspielen, werden sich die Hasen deshalb auch in diesem Frühjahr nach dem milden Winter gut vermehren können.» Besonders hoch sei der Zuwachs mit jeweils 21 Prozent im nordwestdeutschen Tiefland von Nordrhein-Westfalen bis Schleswig-Holstein und im südwestdeutschen Mittelgebirge gewesen.
«Dabei haben wir aber erhebliche Unterschiede zwischen den Regionen beobachtet», sagt Reinwald. So kamen die Jäger auf nur fünf Hasen pro Quadratkilometer im Osten und 18 in der nordwestdeutschen Tiefebene.
Besonders erfreulich sehe es in Nordrhein-Westfalen aus. So seien dort bei den Frühjahrszählungen durchschnittlich 18, in der Spitze sogar bis zu 148 Hasen pro Quadratkilometer gezählt worden. Besonders wenig waren es in Sachsen, Sachsen-Anhalt und Mecklenburg-Vorpommern mit jeweils knapp über fünf pro Quadratkilometer. Im Herbst habe es bundesweit sogar im Durchschnitt eine Besiedlungsdichte von zwölf Hasen in den sogenannten Offenlandflächen gegeben. Unter Biologen seien aber die Frühjahrszählungen maßgeblich, so Reinwald.
«Für die Zählungen wenden die Teilnehmer ehrenamtlich jedes Jahr mehr als 5.000 Stunden auf», berichtet Reinwald. Dabei würden nachts die Felder entlang festgelegter Wegstrecken abgeleuchtet. Die Lichtreflexion der Hasenaugen sei eindeutig. «Es besteht keine Verwechslungsgefahr mit anderen nachtaktiven Tieren wie Füchsen, streunenden Hauskatzen oder Mardern», sagt Reinwald, selbst Biologe.
Die Jäger hätten die Jagd angepasst und 2015 eine Jahresstrecke von nur noch 236.000 Hasen gezählt, betont Reinwald, weniger als je zuvor. Dabei wurde nach DJV-Schätzungen mehr als ein Viertel der zur Jagdstrecke gerechneten Tiere im Straßenverkehr getötet. Besonders hoch war der Anteil im Osten - so endeten in Brandenburg mehr als drei von vier Hasen der Strecke unter Autoreifen.
«Maßgeblich für den Feldhasen sind Lebensraum, Witterung und Fressfeinde», sagt DJV-Vizepräsident Volker Böhning. «Leider ist der Anteil vielfältiger Brachflächen in den letzten Jahren stark zurückgegangen - unter anderem durch den Wegfall von Subventionen und den Boom nachwachsender Rohstoffe.» So mangele es an krautreichen Randstreifen, weil Felder zusammengelegt würden. Hier sei die Politik gefragt.
Tatsächlich seien nicht die vielen Jäger der Hasen Tod, sondern die Intensivierung der Landwirtschaft, bestätigt Julian Heiermann, Zoologe beim Naturschutzbund Nabu in Berlin. «Dazu gehört auch der massive Einsatz von Pestiziden.» Auch Andreas Kinser von der Deutschen Wildtier Stiftung in Hamburg sieht den Hauptgrund für den lange zu beobachtenden Abwärtstrend in der modernen Landwirtschaft.
So fehle es an Wildkräutern und Deckung. «Besonders wichtig für den Bestand des Feldhasen sind vielfältig strukturierte Landschaften mit viel Abwechslung», sagt Kinser. «Seine Wunschlandschaft hat viele Hecken, Altgrasstreifen, lockeren Pflanzenbestand und Waldränder.»
Der Feldhase habe dabei bis in die 1960er Jahre als Kulturfolger fast ideale Bedingungen vorgefunden, sagt Wildbiologe Kinser. «Eine Katastrophe steht nicht bevor. In den ursprünglichen Wäldern gäbe es viel weniger Feldhasen als heute, auch wenn die Bestände bis Ende des vergangenen Jahrhunderts drastisch eingebrochen sind.» Um andere Feldbewohner wie etwa das Rebhuhn sei es viel schlechter bestellt.
Übrigens: Auch Spaziergänger können für Junghasen gefährlich werden, wenn sie die vermeintlichen Waisen in bester Absicht mitnehmen. «Die Junghasen müssen am Fundort bleiben - die Mutter ist immer in der Nähe», warnt Reinwald.