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06.06.2016 | 07:24

Umweltministerium feiert 30. Geburtstag

Ehemalige Umweltministerin
Umweltminister ist nicht unbedingt der dankbarste Posten im Bundeskabinett. «Man braucht Geduld», sagt die Frau, die ihn gerade innehat. Allzu viele Freunde hat man jedenfalls nicht. (c) proplanta

Umweltministerin: «Bin eine Frau für die langen Linien»



Deutschland gilt im Ausland als Vorreiter im Umweltschutz. Im Interview mit der Deutschen Presse-Agentur erklärt Umweltministerin Barbara Hendricks (SPD), wo es aus ihrer Sicht noch hapert - und warum sie den Landwirtschaftsminister trotzdem duzt.

Frage: Die Umweltpolitik konkurriert oft mit den Interessen der Wirtschaft. Welche Eigenschaften braucht eine Umweltministerin?

Antwort: Man braucht Geduld und muss viel Überzeugungsarbeit leisten. Zwischen den Ressorts gibt es natürlich unterschiedliche Interessen, vor allem mit dem Verkehrsministerium, dem Landwirtschaftsministerium und dem Wirtschaftsministerium, manchmal auch dem Forschungsministerium. Das liegt in der Natur der Sache. Aber bei vielen Themen haben wir uns ja völkerrechtlich verpflichtet, etwa im Klimaschutz. Die nationalen Ziele, die sich daraus ergeben, sind dann vom ganzen Kabinett beschlossen worden und bindend für alle. Das vergessen manche Kollegen zwar manchmal, aber es ist so.

Frage: Womit sind Sie bisher zufrieden in ihrer Amtszeit?

Antwort: Besonders schön war der Abschluss des Klimaabkommens von Paris. Jetzt folgen die Mühen der Umsetzung, da gibt es dicke Bretter zu bohren, aber da beschwere ich mich nicht. Andere Erfolge freuen mich auch sehr: Etwa, dass wir nochmal mehr als 30.000 Hektar Flächen des Bundes der natürlichen Entwicklung überlassen. Oder dass wir einen nationalen Hochwasserschutzplan aufgesetzt haben, der dazu führt, dass wir den Flüssen wieder 20.000 Hektar mehr Raum geben.

Frage: Und was frustriert?

Antwort: Es gibt natürlich auch Bereiche, in denen sich noch zu wenig tut. Zum Beispiel brauchen wir unbedingt eine Umstellung auf eine Landwirtschaft, die verträglicher für Natur, Menschen und Tiere ist. Wie viel ich da in dieser Wahlperiode am Ende tatsächlich erreichen kann, weiß ich noch nicht.

Frage: Trotzdem duzen Sie sich inzwischen mit dem CSU-Landwirtschaftsminister.

Antwort: Ich werde immer wieder gefragt: Wie hältst du diesen Streit aus? Viele Leute denken, wir hätten immer Streit, und ich wäre froh, wenn das wieder vorbei ist. Aber so ist das ja nicht, es geht ja um Sachfragen, das muss man nicht persönlich nehmen. Dafür sind wir alle professionell genug.

Frage: Bekommen Umweltthemen genug Aufmerksamkeit?

Antwort: Wir haben viel Unterstützung aus der Zivilgesellschaft mit gut organisierten Verbänden. Die Dachorganisation, der Deutsche Naturschutzring, vertritt fünf Millionen Mitglieder. Das hat also eine große gesellschaftliche Bedeutung. Ich bin eine Frau für die langen Linien, aber die langen Linien finden eben nicht immer öffentliche Aufmerksamkeit. Da kann ich gut mit leben.

Frage: Im Skandal um Abgaswerte hat das Umweltministerium nicht viel zu sagen, verantwortlich ist das Verkehrsressort. Was sagen Sie dazu?

Antwort: Das stimmt so nicht. Wir sind auf der europäischen Ebene dafür verantwortlich, dass die Schadstoff-Regelungen verbessert werden. Wir haben das vorangetrieben, und zwar schon vor dem VW-Abgasskandal. Dass es realitätsnähere Messungen geben soll, haben wir bereits vergangenes Jahr im Mai mit durchgesetzt, lange bevor der VW-Skandal ans Tageslicht kam.

Frage: Umweltverbände fordern, Kontrollen vom Kraftfahrtbundesamt ans Umweltbundesamt zu geben. Ist das keine gute Idee?

Antwort: Ich vertraue dem TÜV, aber es sollten Tests im realen Fahrbetrieb auch durch öffentliche Stellen stattfinden. Das Kraftfahrtbundesamt ist dazu geeignet. Ihm wird vorgeworfen, dass es sowas wie eine Verbrüderung gegeben hätte zwischen der Kontrollbehörde und denen, die kontrolliert werden sollen. Ich glaube das nicht, aber wenn es so wäre, dann wäre spätestens jetzt garantiert Schluss damit, denn dann hätten sie gemerkt, dass sie so nicht weiter machen können. Natürlich könnte auch das Umweltbundesamt solche Aufgaben übertragen bekommen. Es hat ja einen exzellenten Ruf.

Frage: Die Opposition erhebt ja vor allem Vorwürfe gegen Ihren Kollegen Alexander Dobrindt im Verkehrsministerium. Sie auch?

Antwort: Man wirft Herrn Dobrindt ja vor, er würde nicht mit genügend Eifer untersuchen. Er hat sich einige Monate Zeit genommen, bevor er mit den Ergebnissen an die Öffentlichkeit gegangen ist. Das ist angesichts der herausragenden Bedeutung des Abgasskandals auch richtig gewesen.

Frage: Muss man die Autobranche nicht härter angehen?

Antwort: Es muss sichergestellt sein, dass Fehler und Versäumnisse aufgeklärt und korrigiert werden, dass man in Zukunft anders arbeitet. Missachtung von Gesetzen muss hart geahndet werden. Trotzdem hilft es nichts, als Ministerin Äußerungen zu machen, die dazu führen, dass der Aktienkurs in den Keller rauscht. Das tut den Verantwortlichen nicht weh, sondern das kriegen die Arbeiter in den Fabriken als erste zu spüren. Als Ministerin muss man seine Worte schon abwägen.

Frage: Umweltschützer sagten, dass die Klimaschutzziele mit der jetzt vereinbarten Reform der Ökostrom-Förderung nicht erreicht werden. War es richtig, den Ausbau der Erneuerbaren Energien zu bremsen?

Antwort: Im Koalitionsvertrag steht, dass wir bis 2025 nicht mehr als 45 Prozent Erneuerbare aufbauen wollen. Das bedeutet jetzt nun mal Beschränkung. Sie ist das Ergebnis einer völlig überzogenen Strompreisdebatte am Ende der letzten Legislaturperiode. Aber ich bin überzeugt, dass die nächste Regierung diese Zielvorgabe ändern muss und ändern wird. Ab 2022 haben wir keinen Atomstrom mehr, außerdem werden fossile Kraftwerke nach und nach vom Netz gehen. Die Zukunft wird elektrisch sein. Wir werden Strom auch für Wärme und Mobilität einsetzen. Das geht natürlich nur mit Ökostrom.

Frage: Glauben Sie, dass die Weltgemeinschaft es schafft, die Klimaschutzziele von Paris umzusetzen?

Antwort: Ich bin sicher, dass die Entwicklung sich irgendwann auch von alleine beschleunigt. In den nächsten Jahrzehnten wird unglaublich viel passieren. Man muss nur an die Telekommunikation denken. Wie sah ein Mobiltelefon vor 25 Jahren aus? So groß wie ein Aktenkoffer und zwölf Kilo schwer. Keiner konnte sich damals vorstellen, dass daraus mal ein kleines Handy werden würde.

Zur Person: Barbara Hendricks (64) ist seit 2013 Bundesministerin für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit. Davor war sie Schatzmeisterin der SPD. Hendricks ist Abgeordnete für ihren Heimatwahlkreis Kleve in Nordrhein-Westfalen und hat über «Die Entwicklung der Margarineindustrie am unteren Niederrhein» promoviert.
dpa
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