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14.03.2011 | 17:57 | Atomunfall 

Merkel setzt Verlängerung von Atomlaufzeiten aus

Berlin - Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) zieht Konsequenzen aus der Atomkatastrophe in Japan und setzt die erst im Herbst beschlossenen längeren Atom-Laufzeiten für drei Monate aus.

Angela Merkel
Das kündigten Merkel und Vizekanzler Guido Westerwelle (FDP) am Montag in Berlin an. Alte Meiler, die nur wegen der längeren Laufzeiten noch am Netz sind, sollen abgeschaltet werden. Dies betrifft das Kraftwerk Biblis A in Hessen und das AKW Neckarwestheim I in Baden-Württemberg. Im Südwesten wird am 27. März ein neuer Landtag gewählt. 

«Sicherheit steht über allem», sagte Merkel. «Wir können nicht einfach zur Tagesordnung übergehen.» Solche Erdbeben und Flutwellen wie in Japan seien in Deutschland zwar nicht wahrscheinlich. Dennoch zeigten die Ereignisse in Japan, dass für unmöglich gehaltene Risiken eintreten könnten. Deshalb würden alle Meiler im Lichte der Erkenntnisse aus Japan geprüft. «Es gibt bei dieser Sicherheitsprüfung keine Tabus.» Dabei gehe es zum Beispiel um die Kühlsysteme. Erst dann folgten Entscheidungen.

Merkel will an diesem Dienstag mit den Ministerpräsidenten der Länder sprechen, in denen Atommeiler stehen. Über die Pläne für die Abschaltung älterer Anlagen will sie erst mit den Energiekonzernen Gespräche führen. Für die Aussetzung der Laufzeitverlängerung ist nach ihrer Ansicht keine Gesetzesänderung nötig.

Die Koalition will noch nicht auf die Atomkraft verzichten. Merkel sprach weiter von einer Brücke hin zu Öko-Energien. Im Herbst hatte Schwarz-Gelb eine Laufzeitverlängerung für die Atomkraftwerke von durchschnittlich 12 Jahren beschlossen. Die 7 Meiler, die bis 1980 ans Netz gegangen waren, dürfen demnach 8 Jahre länger laufen, die jüngeren 14 Jahre. Die Regierung steht unter Zeitdruck. Am 20. März wird in Sachsen-Anhalt und am 27. März neben Baden-Württemberg auch in Rheinland-Pfalz ein neuer Landtag gewählt.

Die baden-württembergische Regierung rechnet damit, dass das zweitälteste deutsche Atomkraftwerk Neckarwestheim I bald vom Netz geht. Fachleute wollten am Montag mit einem Sicherheitscheck der Meiler in dem Land beginnen. Hessens Umweltministerin Lucia Puttrich (CDU) kündigte an, dass Biblis A Ende Mai für zunächst einmal acht Monate vom Netz gehe. Geplant seien Revisionsarbeiten. Biblis B stehe derzeit ohnehin planmäßig still.

Umweltminister Norbert Röttgen (CDU), der sich im Herbst innerhalb der Koalition für kürzere Restlaufzeiten eingesetzt hatte, sagte: «Je länger Kernkraftwerke laufen, desto länger begleitet uns Restrisiko. Und wir müssen auch über Risiken neu reden, neue Annahmen treffen.»

Westerwelle sieht in dem Moratorium keine Vertagung. Er kündigte an, dass unabhängige Experten eine neue Risikoanalyse erstellten. Der Ausstieg aus der Atomenergie in Richtung erneuerbarer Energien müsse beschleunigt werden.

Nordrhein-Westfalen möchte über den Bundesrat einen Ausstieg aus der Atomenergie einleiten. Die rot-grüne Landesregierung will die Novelle zur Verlängerung der Laufzeiten nicht nur aussetzen, sondern komplett kippen. Die Grünen-Bundestagsfraktion kündigte einen Gesetzentwurf zur Stilllegung der sieben ältesten Atomkraftwerke in Deutschland an. Zudem solle das AKW Krümmel stillgelegt werden, sagte Fraktionschef Jürgen Trittinin Berlin. Mit dem Gesetz wolle die Partei auch die Atomlaufzeitverlängerung rückgängig machen.

Umwelt- und Anti-Atom-Verbände riefen zu weiteren Protesten gegen die Atomkraft auf. Nach Mahnwachen am Montagabend soll es am Samstag, 26. März, in mehreren Großstädten Großdemonstrationen geben, berichteten die Initiativen ausgestrahlt, BUND, und Campact. In Hunderten Städten hatten Initiativen für Montag zu Anti-Atom-Protesten aufgerufen.

Die SPD-Spitze bekräftigte ihre Forderung nach einem schnellen Ausstieg aus der Atomenergie. SPD-Chef Sigmar Gabriel forderte mehr konkrete Schritte für die Sicherheit der Kraftwerke. Grünen-Chefin Claudia Roth sagte dem Bayerischen Rundfunk: «Kein Reaktor ist sicher bei Kernschmelze, auch kein deutscher Reaktor ist sicher.» Die energiepolitische Sprecherin der Fraktion Die Linke, Dorothée Menzner, nannte eine Aussetzung der Laufzeitverlängerung ohne Abschaltung weiße Salbe. Greenpeace-Atomexperte Tobias Riedl kritisierte die Aussetzung der als «Beruhigungspille für den Bürger».

Der Präsident des Bundesamtes für Strahlenschutz (BfS), Wolfram König, warnte vor Panik angesichts der Atomkatastrophe in Japan. «Es gibt keinen Grund, hierzulande zusätzlich Jod zu sich zu nehmen.» Dies sei gesundheitsschädlich.
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