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13.08.2023 | 05:20 | Getreidedrusch 

Ernte 2023: Qualitätseinbußen bereiten den Landwirten Sorgen

Bonn - Anhaltende Regenfälle haben die Landwirte in Deutschland beim Getreidedrusch lange Zeit ausgebremst und für tiefe Stirnfalten gesorgt.

Getreideernte 2023
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Wegen des anhaltenden Regens konnten die Mähdrescher über Tage nicht eingesetzt werden - zunehmend Lager und Auswuchs sowie Pilzbefall - Wintergerstenerträge dagegen besser als erwartet - Erste amtliche Ernteschätzung für Halmgetreide und Raps witterungsbedingt wahrscheinlich überholt. (c) proplanta
Seit Donnerstag (10.8.) konnten die Mähdrescher zumindest zeitweise wieder auf die Felder. Am Wochenende sollte es ebenfalls zumeist trocken bleiben, regional aber auch weitere Schauer geben. Auch danach dürfte die Witterung dem Deutschen Wetterdienst (DWD) zufolge eher unbeständig bleiben.

Zunehmend Sorgen bereiteten den Landwirten die Qualitätseinbußen durch Lager, Auswuchs und Pilzbefall, vor allem beim Weizen. Vielfach dürfte es nicht mehr zur Einstufung als Brotweizen reichen. Derweil fielen die vor der Niederschlagsfront verzeichneten Erträge offenbar besser aus als zuvor erwartet. Dies gilt nach Angaben von Marktexperten insbesondere für die Wintergerste.

Bestätigt wurde diese Einschätzung am Dienstag vom Hessischen Bauernverband (HBV). In der ersten amtlichen Schätzung zur diesjährigen Getreideernte in Deutschland sind die zuletzt ungünstigen Witterungsbedingungen noch nicht berücksichtigt, denn diese beruhte auf Erhebungen von Ende Juni.

Auf dieser Basis wurde laut dem Statistischen Bundesamt (Destatis) mit einer Getreideerzeugung ohne Körnermais und Corn-Cob-Mix (CCM) von 37,5 Mio t gerechnet, was aber bereits gut 2 Mio t oder 5 % weniger wären als 2022. Der Deutsche Bauernverband (DBV) hatte in seinem zweiten Erntebericht letzte Woche keine Mengen genannt, sondern lediglich festgestellt, dass sich für Weizen, Roggen und Triticale „allenfalls durchschnittliche Ergebnisse“ abzeichnen. In seinem ersten Erntebericht hatte der DBV die Getreideerzeugung inklusive Körnermais auf 40,9 Mio t taxiert; das wären 2,7 Mio t oder 6 % weniger als 2022.

Mehr Wintergerste in Hessen



In Hessen geht der Landesbauernverband bei der Wintergerste von einem mittleren Hektarertrag von etwa 78 dt aus, was bei einer Anbaufläche von 79.000 ha eine Ernte von 616.000 t bedeuten würde. Im Vorjahr waren in dem Bundesland nur 458.000 t Wintergerste gedroschen worden.

Beim Winterweizen rechnete der HBV ungeachtet der Niederschläge und noch ausstehender Feldbestände ebenfalls mit etwa 78 dt Ertrag pro Hektar, und zwar auf 142.000 ha. Die hessische Winterweizenproduktion würde sich demnach wie 2022 auf rund 1,10 Mio t belaufen. Die Erträge des auf etwa 44.000 ha angebauten Winterrapses wurden auf 35 dt/ha geschätzt, womit das Aufkommen 154.000 t erreichen würde.

Im vorigen Jahr waren es gut 189.000 t. Speziell zum Weizen stellte HBV-Vizepräsident Stefan Schneider beim zweiten Erntepressegespräch des Verbandes in Fulda-Maberzell fest, dass sich regional die Bestände aufgrund der Feuchtigkeit schwarz gefärbt hätten. Ein Großteil des Weizens werde keine Backqualität mehr erreichen. Schneider schätzte, dass noch 35 % bis 40 % des Winterweizens in dem Bundesland gedroschen werden mussten.

Deutlich weniger Weizen als 2022



Destatis veranschlagte im Einzelnen das bundesdeutsche Aufkommen an Winterweizen auf 20,4 Mio t, womit das Vorjahresergebnis um 1,7 Mio t oder 8 % verfehlt würde. Die Gerstenernte wurde von den Statistikern mit Stand Ende Juni auf 10,8 Mio t und damit um 445.000 t beziehungsweise knapp 4 % niedriger als 2022 geschätzt.

Entgegen dem negativen Gesamttrend sollen die Produktion von Roggen und Wintermenggetreide sowie die von Triticale im Jahresvergleich zulegen, und zwar um 7 % auf 3,35 Mio t beziehungsweise 5 % auf gut 2,0 Mio t. Schlechter als 2022 ausfallen dürfte indes die Winterrapsernte.

Laut Destatis wird diese der Ende-Juni-Erhebung zufolge bei 4,1 Mio t gesehen; das wären trotz einer deutlichen Anbauausweitung 217.000 t weniger als im Vorjahr. Der DBV rechnete zuletzt mit einer leicht unterdurchschnittlichen Rapsmenge.

Wunschvorstellungen mit Realität abgleichen



Derweil nahm der Verband der „Freien Bauern“ die anhaltenden Niederschläge und die daraus resultierenden Qualitätseinbußen beim Weizen zum Anlass, seine Kritik an der Tierhaltungspolitik der Grünen beziehungsweise von Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir zu bekräftigen.

Durch die ununterbrochenen Regenfälle seien die Weizenkörner vielerorts in ihrer Keimentwicklung so weit fortgeschritten, dass sich aus dem Mehl kein backfähiger Teig mehr herstellen lasse, erklärte Peter Guhl von der Bundesvertretung der Freien Bauern Anfang voriger Woche in Legde. Er gab zu bedenken, dass der Weizen aber über den Futtertrog immer noch wertvolle Lebensmittel produzieren könne.

„Sollte Özdemir seine Pläne wahr machen, die Tierhaltung in Deutschland zu halbieren, gäbe es für das nach einer längeren Regenphase geerntete Getreide allerdings keine Verwendung mehr“, so Guhl weiter. Dann müsste es also entsorgt werden.

Selbst das Stroh nicht mehr zu gebrauchen



Die aktuelle Witterung bietet laut dem 57-jährigen Landwirt „eine hervorragende Gelegenheit, ideologische Wunschvorstellungen mit der Wirklichkeit abzugleichen“: Özdemir würde lernen, dass es gar nicht so schlimm sei, vielleicht sogar ein Segen, wenn ein Teil des Getreides als Tierfutter genutzt werden könne, sagte Guhl.

Derweil häuften sich diese Woche aus dem Berufsstand Berichte, dass der Weizen wegen des nässebedingten Pilzbefalls nicht einmal mehr als Futter eingesetzt werden könne. Als Möglichkeit bleibe nur die Biogasanlage mit deutlicher Erlöseinbuße für den Landwirt. Unterdessen nimmt auch die Kritik an den Mühlen und ihren Qualitätsnormen zu.

Tierhalter geben außerdem zu bedenken, dass aufgrund der Regenfälle das Stroh nicht mehr zur Einstreu genutzt werden könne. Da habe die Stallhaltung gerade ihre Vorzüge, hieß es aus der Praxis.
AgE
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