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03.02.2009 | 19:33 | Baunerwerbung  

Hühnerhalter siegt gegen Agrarlobby - Bauernwerbung steht vor dem Aus

Karlsruhe - Mit seinen Kindern sitzt Hühnerhalter Georg Heitlinger in der ersten Reihe des Bundesverfassungsgerichts und strahlt.

Bargeld
(c) proplanta
Gerade hat er als David seinen Sieg gegen den Goliath Agrarlobby errungen. Nach 40 Jahren hat Heitlinger mit mehreren anderen Klägern die zentrale Werbung für die deutschen Bauern ins Abseits gestellt. Künftig will der 38-Jährige die Werbung für seinen Geflügelhof im schwäbischen Eppingen (Kreis Heilbronn) in die eigenen Hände nehmen. Denn die jährlichen Sonderabgaben, die er ebenso wie 380.000 andere deutsche Betriebe bislang als Sonderabgaben für die zentrale Vermarktung zahlen mussten, sind nichtig. Das hat Hühnerhalter schriftlich, bestätigt vom obersten deutschen Gericht. (Az: 2 BvL 54/06 vom 3. Februar 2009)

Seit 40 Jahren mussten Landwirte wie Heitlinger für jedes Ei, für jeden Liter Milch und jedes Schwein Zwangsabgaben an die Centrale Marketinggesellschaft der deutschen Agrarwirtschaft (CMA) in Bonn bezahlen. Rund 3.500 Euro kamen da für Heitlinger zusammen, damit die privatrechtlich organisierte GmbH im Namen der Bauern für ihre Produkte warb. «So ein Betrag wirft den Geflügelhof nicht um, aber er ärgerte mich», erklärt der bodenständig wirkende Mann. Rund 40.000 Legehennen gackern in seinen Ställen, zwölf Millionen Eier verkauft Heitlinger jährlich.

Der Landwirt war so erbost über diese «Erpressung», wie er es nennt, dass er die Grundsatzfrage stellte und bis vor das höchste Gericht in Karlsruhe ging. Zunächst belächelt zog er durch Eigenwerbung, Pressearbeit und Diskussionsrunden immer mehr Anhänger auf seine Seite. Mit Erfolg: Denn nach Ansicht der Verfassungsrichter greift die Abgabenpflicht seit dem Jahr 2002 - dem Jahr der ersten Widersprüche - unzulässig in die unternehmerische Freiheit seines Betriebs ein.

Schließlich könne Heitlinger sein Geld auch - ganz nach freiem Willen - für die eigene Werbung statt für die staatliche Absatzförderung einsetzen, entschieden die Richter. Deshalb sei der seit 1969 existierende Fonds, der derzeit mit 88 Millionen Euro Sonderabgaben finanziert wird, verfassungswidrig. Neben Heitlinger hatten auch ein Mühlenunternehmen und eine Geflügelschlachterei geklagt. Sie argumentierten vor Gericht unter anderem, eine gezielte Förderung der nationalen Landwirtschaft sei gar nicht möglich angesichts der internationalen Verflechtungen. Unklar ist, wie viele Unternehmen sich per Widerspruch gegen die Zwangsabgabe gewehrt haben und nun mit Rückzahlungen rechnen können.

Während die zunächst belächelten Bauern triumphieren, spricht CMA- Geschäftsführer Markus Kraus von einem «schwarzen Tag für die Landwirtschaft». Bauern-Präsident Gerd Sonnleitner zeigt sich ebenso enttäuscht wie die Bundesregierung. «Ich bin und bleibe überzeugt, dass wir Landwirte auf den hart umkämpften Agrar- und Lebensmittelmärkten als Einzelunternehmer verloren sind, wenn wir nicht durch ein gemeinschaftlich finanziertes Netzwerk im Markt agieren können», meint Sonnleitner. Er sucht nun Gespräche mit Politikern und der Wirtschaft, um Alternativen zur CMA zu finden. Die Zahlungen an die Landwirte will der Verband aus Rückstellungen zahlen. «Wir haben ein Polster angesetzt, die Rate der Widersprüche ist sehr gering.»

Nach Überzeugung der Verfassungsrichter kann eine Sonderabgabe zur Finanzierung einer staatlichen Absatzförderung unter engen Voraussetzungen zwar zulässig sein - etwa dann, wenn damit erhebliche Nachteile deutscher Landwirte im EU-weiten Wettbewerb ausgeglichen werden müssten. Aber seit dem entsprechenden Urteil des Gerichts aus dem Jahr 1990 habe sich die Situation der Landwirtschaft so stabilisiert, dass staatliche Werbung zum Ausgleich von Wettbewerbsnachteilen nicht mehr geboten sei. Außerdem sei auch gar nicht ohne weiteres davon auszugehen, dass staatlich organisierte Werbung besser funktioniere als privatwirtschaftliches Marketing.

Heitlinger wird seinen Sieg am Mittwochabend sicherlich mit Kollegen feiern. Dann nämlich will er mit rund 20 anderen Landwirten und Betrieben aus Baden-Württemberg eine eigene Werbegruppe aus der Taufe heben. (dpa/lsw)
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