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17.01.2007 | 05:06 | Bio-Landwirtschaft 

Der Bio-Boom: Die Öko-Bauern kommen nicht mehr nach

Berlin - Während die Öko-Branche vor einigen Jahren noch als Nischenmarkt für Latzhosenträger belächelt wurde, ist sie inzwischen zum Boomsektor geworden.

Bio-Verbände
(c) Werkbild
Der Bio-Boom: Die Öko-Bauern kommen nicht mehr nach
Bio-Milch, Bio-Fleisch, Bio-Kartoffeln aus Deutschland - sie sind derzeit knapp in Regalen und auf Märkten. Die Privathaushalte haben ihre Ausgaben für Bio-Produkte im vergangenen Jahr nach Angaben der Gesellschaft für Konsumforschung (GfK) um 17 Prozent gesteigert. Die deutschen Bauern können gar nicht so schnell produzieren, wie die Nachfrage anzieht. Den Vorwurf, sie hätten den Boom verschlafen, wollen die Landwirte nicht gelten lassen: «Nahrungsmittelproduktion ist nicht wie Maschinenbau», sagt Bauernpräsident Gerd Sonnleitner.

Der Anteil von Bio-Produkten am Lebensmittelumsatz könnte nach Ansicht des Bundes Ökologischer Lebensmittelwirtschaft (BÖLW) von rund 3,5 Prozent 2005 auf 4 Prozent 2006 steigen. Wer Öko-Waren kauft, muss laut GfK im Durchschnitt allerdings rund ein Fünftel mehr bezahlen als für herkömmlich erzeugte Agrarprodukte. Die steigende Nachfrage war aus Sicht der Bauern nicht vorherzusehen: «Das Hauptproblem ist, dass die Lebensmitteleinzelhändler und Discounter ohne Absprache mit den Bauern ihre Ladenflächen für Ökoprodukte ausgeweitet haben», kritisiert Sonnleitner. Bio und Discounter - das schließt sich längst nicht mehr aus. Fast wöchentlich öffnet nach BÖLW-Angaben ein neuer Bio-Supermarkt.

Trotz der großen Nachfrage gibt es dennoch genug «Bio» zu kaufen: «Die Lücken werden durch Auslandsware gefüllt», sagt BÖLW-Geschäftsführer Alexander Gerber. Die Importe sieht der Bauernverband nicht so gern: «Ich möchte das schon von der deutschen Landwirtschaft auffüllen», sagt Sonnleitner. Bis zu drei Jahre dauert es, bis ein Bauer seinen herkömmlichen Anbau auf Öko-Produktion umstellt. Er bekommt dafür Mittel aus der Bund-Länder-Gemeinschaftsaufgabe Agrar. Im Gegenzug muss er Auflagen erfüllen wie umweltschonenden Anbau. Das Prädikat «Bio» oder «Öko» darf ein Produkt nur tragen, wenn mindestens 95 Prozent der Grundzutaten aus ökologischem Anbau stammen. Zudem muss die EG-Öko-Verordnung erfüllt sein.

Der BÖLW sieht auch die Länder in der Verantwortung für die Knappheit. Einige Länder hätten die Umstellungsförderung auf ökologische Betriebe ausgesetzt, sagt Gerber. Nach Angaben des Verbands Bioland haben in den vergangenen drei Jahren nur Bayern, Niedersachsen und Thüringen dauerhaft die Umstellung auf Bio gefördert. Das Bundesagrarministerium lehnt eine zusätzliche Förderung für Öko-Landbau ab. «Ich sehe jedenfalls keinen Sinn darin, wenn der Staat, wie manche fordern, in einen boomenden Markt noch zusätzlich hineinfördert», sagt Agrarstaatssekretär Gert Lindemann. Die Fördermittel seien zwar gekürzt worden, die Weitergabe sei aber Sache der Länder.

Die kleineren Höfe, die oft regional Bio-Ware vermarkten, sehen sich angesichts des Booms bestätigt. «Die Art der Erzeugung wird zunehmend vom Markt honoriert», sagt der Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft Bäuerliche Landwirtschaft, Friedrich-Wilhelm Graefe zu Baringdorf. Er warnt: «Es gilt zu verhindern, dass Lebensmittelindustrie und Ketten auch hier in Zukunft den Rahm dieser Entwicklung abschöpfen.»

Nicht alle Landwirte wollen allerdings auf den Öko-Boom aufspringen. «Der Preisunterschied zwischen normaler Milch und Bio-Milch ist nicht groß genug», findet Milchkuhhalter Hans Stöcker aus Engelskirchen im Rheinland. Kühe dürften außer Gras nur Bio-Kraftfutter bekommen, dessen Preis derzeit doppelt so hoch sei wie der von herkömmlichem Kraftfutter.

Quelle: dpa 16.01.2007
© dpa
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