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02.02.2011 | 13:31 | Ökostrom-Reform 

Fragezeichen hinter Röttgens Ökostrom-Reform

Berlin - In der Energiebranche ist man reichlich erstaunt.

Solarenergie
«Was hätte das für ein Geschrei gegeben, wenn der Umweltminister mit den Atomkonzernen eine Einigung aushandelt und diese dann gemeinsam in aller Freundschaft der Öffentlichkeit präsentiert», heißt es in einem Konzern. Gemeint ist die Einigung mit der Solarbranche auf eine Kürzung der Förderung um bis zu 15 Prozent bis Juli - und maximal 24 Prozent bis 2012. Denn es ist noch nicht ausgemacht, ob dadurch die Kosten für die Photovoltaik in den Griff zu bekommen sind.

Aber Umweltminister Norbert Röttgen (CDU) gibt sich unbeirrt, am Mittwoch segnete das Bundeskabinett seine kleine Ökoförder-Reform ab. Für eine weiterhin hohe Akzeptanz müssten jetzt die richtigen Maßnahmen getroffen werden, betont er. 340.000 Jobs, eine stärker dezentrale Energieversorgung und erfolgreiche Maßnahmen gegen den Klimawandel sind die Vorteile, die für die erneuerbaren Energien ins Feld geführt werden. Sie verursachen zudem keine milliardenschweren Folgekosten wie Atom- oder Kohleenergie. Zudem wird die Förderung in den nächsten Jahren stückweise sinken und Ökostrom wirtschaftlicher.

Aber Unions-Fraktionsvize Michael Fuchs kritisierte Röttgen zuletzt in einem Brief: «Es kann doch nicht sein, dass wir jetzt lediglich den Vorschlag der Solarbranche umsetzen.» Hinter vorgehaltener Hand heißt es, Röttgen habe sich von dem Bundesverband Solarwirtschaft um den Finger wickeln lassen. Ob das stimmt, wird im Juli klar sein. Der Knackpunkt ist, dass als Bemessungsgrundlage für die Solarkürzung im Sommer die Monate März bis Mai genommen werden.

Das kann durchaus dazu führen, dass bis Juni, dem Zeitpunkt der Bekanntgabe der Kürzungshöhe, abgewartet wird. Dann könnte bis Juli ein «Sommerschlussverkauf» bei Solaranlagen einsetzen, die derzeit äußerst günstig sind. Und so ist auch das Investitionsrisiko gering. Die Folge wäre eine erneut sehr hohe Zahl von neuen Anlagen, die ans Netz gehen, um noch von der höheren Förderung zu profitieren, die derzeit bei rund 28 Cent pro Kilowattstunde für Dachanlagen liegt.

Das wiederum könnte aber die Kosten für die Verbraucher, die über ihre Stromrechnung die Förderung bezahlen, weiter erhöhen. Derzeit verlangen rund 700 Anbieter im Schnitt 70 Euro mehr pro Jahr wegen der Förderung. Selbst die Grünen und die SPD schlagen dreimonatige Kürzungsschritte vor, um die Menge neuer Anlagen besser zu steuern und um das Wachstum zu drosseln.

Eine andere Baustelle ist ebenfalls umstritten - hier fürchten Ökostromanbieter um ihre Pfründe. Das sogenannte Grünstromprivileg soll ab 2012 gekappt werden. Damit werde die Axt an das einzige Instrument gelegt, mit dem Ökostrom in den Markt gebracht wird, wettert der Bundesverband Neuer Energieanbieter (BNE).

Stromanbieter sind bisher von der auf 3,5 Cent pro Kilowattstunde explodierten Ökostromumlage befreit, wenn sie mindestens 50 Prozent grünen Strom aufkaufen und anbieten. Für ihn gibt es nicht die feste Einspeisevergütung, er wird zu Marktpreisen und nicht über die Leipziger Strombörse gehandelt. Gekauft wird nicht teurer Solarstrom, sondern vor allem billiger Strom etwa aus Wasserkraftanlagen. Ohne das Privileg könnten Grünstromanbieter zu Preiserhöhungen gezwungen sein.

Röttgen kritisiert, dass der übrige Strom etwa aus Kohle- oder Atomkraft bei den Anbietern ebenfalls von der Ökoumlage befreit ist. Die Last für die Ökoförderung, die die Verbraucher bei anderen Anbietern über ihre Stromrechnung mitbezahlen, wird so auf weniger Schultern verteilt. Röttgen will, dass die Befreiung auf zwei Cent eingefroren wird. «Wir müssen den Run auf das Grünstromprivileg stoppen, da er kostentreibend ist», sagt der Minister.

Das strukturelle Problem aber bleibt auch mit Röttgens Reformen. Zwar ist mehr Ökostrom preisdämpfend, aber an der Strombörse werden oft nur Ramschpreise erzielt, da die Wind- und Sonnenproduktion kaum planbar ist. Die Differenz zwischen an der Börse erzielten Preisen zu den festen Einspeisevergütungen ist von den Verbrauchern zu bezahlen. In diesem Jahr beträgt diese und damit die Fördersumme geschätzte 13,5 Milliarden Euro. Stark kostentreibend ist auch die weitgehende Befreiung energieintensiver Betriebe von den Ökokosten.

Angesichts der Kappung der Solargelder könnte es für Energie aus Biogas bald mehr Geld geben als für große Solaranlagen-Betreiber. Deshalb sieht Röttgen hier die nächste Baustelle und will mit Landwirtschaftsministerin Ilse Aigner (CSU) rasch Änderungen in die Wege leiten, da es sonst einen ausufernden Maisanbau geben könnte. Immer mehr Bauern könnten auf dieses lukrative Ökoenergie-Feld umsatteln und einen neuen Förderboom mit hohen Kosten auslösen. (dpa)
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