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05.02.2011 | 01:57 | Wüstenstrom 

Wüstenstrom-Planer setzen auf Prinzip Hoffnung

München - Massenproteste, blutige Straßenschlachten und Evakuierungswellen: Unter der Wüstensonne in Ägypten und Tunesien brodelt es und die Furcht vor einem Flächenbrand in Nordafrika wächst.

Solaranlage
(c) proplanta
Manch deutsches Unternehmen meldet Produktionsausfälle und sorgt sich um seine Investitionen in der Region. Doch die Initiatoren des milliardenschweren Wüstenstrom-Projekts «Desertec» wollen sich nicht bange machen lassen - im Gegenteil: «Die politischen Veränderungen können den erneuerbaren Energien auch einen Schub geben, weil dadurch Arbeitsplätze entstehen und die Industrialisierung vorankommt», sagt Paul van Son von der Projektgesellschaft Dii GmbH, welche die Pläne vorantreibt.

Mit Milliarden-Investitionen sollen einmal riesige Solar- und Windkraftwerke in den Wüsten in Nordafrika und dem Mittleren Osten Strom für die Menschen in der Region und in Europa produzieren. Als visionär gilt das Großprojekt bei Befürwortern seit der Bekanntgabe vor gut eineinhalb Jahren. Doch Kritiker verwiesen immer wieder auch auf die instabile politische Lage in der Region. Sie dürften sich jetzt bestätigt fühlen. Hintergrund sind dabei aber auch gegensätzliche Interessen: Manches heimische Solarunternehmen fürchtet die Konkurrenz der schier unerschöpflichen Sahara-Energie. Die an dem Projekt beteiligten Energiekonzerne könnten dadurch ihre Stärke noch ausbauen, lautete der Vorwurf.

Als Standort für ein erstes Referenzprojekt hat die in Deutschland gestartete Industrie-Initiative Marokko ausgewählt. Das Land gilt als besonders geeignet, weil Marokko bereits über Leitungen mit Europa verbunden ist und selbst einen ehrgeizigen Solarplan aufgelegt hat. Auch politisch könnte sich die Entscheidung als klug erweisen: Bisher haben die Proteste noch nicht auf Marokko übergegriffen, das Königreich gilt als eines der stabilsten Länder der Region.

Für ein Kraftwerk im marokkanischen Ouarzazate, das in einiger Zeit als Vorbild für die ersten Desertec-Projekte dienen soll, sind derzeit noch vier Konsortien unter Beteiligung deutscher Unternehmen in der engeren Auswahl, die Ausschreibung soll demnächst anlaufen. Außerdem laufen inzwischen erste Vorbereitungen für ein Solarkraftwerk nach dem Desertec-Modell: Über Messungen zu Sonneneinstrahlung und anderen meteorologischen Daten wollen die Planer derzeit einen geeigneten Standort dafür in Marokko finden.

Aber auch Tunesien und Ägypten bleiben für die Wüstenstrom-Planer vielversprechende Standorte. Noch sind aber viele Fragen offen. So dürfte unklar sein, ob Ansprechpartner, bei denen die Initiatoren in den vergangenen Monaten um Unterstützung für das Projekt warben, auch morgen noch im Amt sind. Laut Zeitplan soll die Projektgesellschaft im kommenden Jahr das Geschäftsmodell erarbeitet haben. Wie lange es danach dauert, bis tatsächlich der erste Strom aus einer Anlage nach Europa fließen kann, scheint aber noch immer unklar.

Van Son will sich nach wie vor nicht auf einen Zeitpunkt festlegen, sieht das Projekt aber auch nicht unter Druck. «Es kommt nicht auf ein paar Monate und Jahre an, sondern es geht um eine Entwicklung für die kommenden Jahrzehnte. Die Sonneneinstrahlung wird nicht anders und die Winde wehen nicht anders.» Ungeachtet der politischen Verhältnisse vor Ort werde der Energiehunger weltweit künftig eher noch wachsen. Auch der Rückversicherer Munich Re, der das Großprojekt mit angeschoben hatte, übt sich in Optimismus: «Es ist sehr wahrscheinlich, dass sich die politische Situation bis zu den ersten Umsetzungsschritten geklärt haben wird», sagt Vorstandsmitglied Torsten Jeworrek.

Schwierigkeiten könnten dem Zukunftsprojekt aber auch auf europäischer Seite drohen. So warnten etwa Vertreter der an Desertec beteiligten deutschen Energiekonzerne Eon und RWE stets vor zu großen Erwartungen. Eon-Chef Johannes Teyssen verwies erst jüngst darauf, wie schwer es schon sei, eine gemeinsame europäische Energiepolitik zu betreiben. Er beobachte sogar eine Rückkehr zu geschlossenen Nationalmärkten im Energiebereich. «Die Realität ist nicht nur ernüchternd, sondern frustrierend.»

Wenn der Ökostromanteil tatsächlich deutlich steigen soll, müsse etwa Deutschland bereit sein, Förderprogramme auch in anderen Ländern zu unterstützen und etwa Einspeisevergütungen für Sonnenstrom aus Afrika oder Südeuropa zu bezahlen. Das allerdings hält Bundesumweltminister Norbert Röttgen (CDU) für politisch nicht durchsetzbar. (dpa)
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