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28.06.2014 | 10:03 | Elektromobilität 

Sind E-Autos ein ökologischer Flop?

Hannover - Oft war ja früher alles schon einmal da. 1976 - der Ölpreisschock ist noch frisch - baut Volkswagen zu Testzwecken rund 20 «Golf I CityStromer».

Elektromobilität
(c) proplanta
Die erste batteriebetriebene Generation des heutigen VW-Verkaufsschlagers schafft mit 20 PS maximal Tempo 80 und läuft mit einer Füllung der Blei-Akkus 50 Kilometer.

Heute, Fast 40 Jahre später, ist die Elektro-Version im Golf VII serienreif. Tempo 140 und knapp 200 Kilometer Reichweite sind drin. VW nennt den frühen CityStromer ein «rollendes Beweisstück» für die jahrzehntelange Erfahrung mit alternativen Antrieben. Das ist ein Teil der Wahrheit.

Ein anderer Teil liegt in Brüssel und ist 95 Gramm leicht. So viel Kohlendioxid (CO2) dürfen die Neuwagenflotten der Autobauer im Jahr 2021 konzernweit im Schnitt pro Kilometer ausstoßen. Es ist eine politische Vorgabe, mit der die EU die E-Auto-Idee antreibt. So wie damals in den 1970er Jahren der Ölpreisschock.

Batteriebetriebene Autos sind in diesen Zeiten eine wirtschaftliche Notwendigkeit für die Hersteller. Verpassen sie das 95-Gramm-Ziel, drohen Strafen oder - und das dürfte stärker schmerzen - Gesichtsverlust und Imageschäden.

Und daher argumentiert die gesamte Branche gern so, als habe sie jahrelang schon immer auf Elektromobilität gesetzt. Mercedes lässt seine Entwicklungsgeschichte «Fahren mit Strom» sogar im Jahr 1906 starten. Und BMW wirbt damit, mit seinem i3 gleich die Definition für «das Automobil von morgen» abzuliefern.

Die Wahrheit ist banaler: Der VW-Konzern, um ihn beispielhaft zu nennen, benötigt für das Ziel 95 Gramm schlicht und einfach bis zu 400.000 aufladbare Fahrzeuge pro Jahr. Diese Rechnung verriet der Chef für die Zukunftstechnologien bei VW, Wolfgang Steiger, vor einigen Wochen. Denn die Stromer sind - zumindest lokal beim Fahren und damit für die EU-Vorgabe - CO2-frei.

«Ein bisschen ist das wie ein offenes Geheimnis: Die brauchen das halt für ihre Gesamtrechnung», sagt Branchenkenner und Auto-Professor Stefan Bratzel. So einfach sei die Ausgangslage. Dabei sind zwei wesentliche Punkte unklar: In der Praxis der E-Mobilität gibt es noch viele Fragezeichen rein technischer Natur.

Die E-Autos kosten das Doppelte und Dreifache ihrer Verbrenner-Verwandten, haben dabei aber geringe Reichweiten und brauchen stundenlange Ladezeiten - wenn denn überhaupt eine Lademöglichkeit in der Nähe ist. Vor allem aber wird ein Aspekt selten hinterfragt: Umweltfreundlichkeit.

Experte Bratzel zweifelt, ob die Festlegung aufs E-Auto «in der Gesamtbilanz sinnvoll ist». Er sieht die Branche noch in einem Status des Experimentierens. «Das ist alles noch nicht ausgegoren.» Auch Automann Peter Fuß vom Beratungsriesen Ernst & Young (EY) hält fest, dass Elektroautos der Schlüssel für die CO2-Vorgaben sind. Ob das aber so sinnvoll sei, stellt auch Fuß infrage: «Die Batterietechnik entwickelt sich nicht so, wie man sich das erhofft hat», sagt er.

Und es ist ja nicht so, dass es keine Alternativen gibt. Gas ist da etwa oder die Brennstoffzellentechnologie, auf die Weltmarktführer Toyota setzt. Die Politik ist sich aber derweil nicht nur in Brüssel sicher, dass die E-Mobilität genau das richtige Pferd sei. Spätestens 2020 sollen hierzulande eine Million Autos mit steckdosentauglichem Elektroantrieb fahren. Auf dieses Ziel setzt die Regierung weiterhin.

Soweit der Plan. Und die Realität? Experten der TU Dresden haben sie für das meistverkaufte Auto hierzulande beispielhaft durchgerechnet. Damit traf es VW und den Golf. Ergebnis: «Der Golf mit Dieselantrieb ist im Status quo umweltfreundlicher als der E-Golf.» Die Studie betrachtet den gesamten Lebenszyklus von Rohstoffabbau bis Recycling.

Sie hält fest, dass sich die E-Mobilität nur dann umweltfreundlich rechne, wenn die erneuerbaren Energien im Strommix erheblich an Bedeutung gewinnen sollten. Sie machten 2013 aber erst knapp ein Viertel der Stromerzeugung aus. Und wenn Quellen wie etwa Kohlestrom die E-Autos weiter wesentlich füllen, ist die Öko-Bilanz dahin.

Volkswagen hält die Studie für unpräzise. Die VW-interne Berechnung sei Dank hauseigener Daten weitaus genauer. Zwar sieht auch VW ein Nutzungsszenario mit Grünstrom als idealen Fall an. Aber selbst mit einem EU-üblichen Strommix stoße der E-Golf in seiner Nutzungsphase weniger CO2 aus als der Golf-Diesel. Die Studie besagt Gegenteiliges. Ihre Verbrauchsannahmen seien «nicht hinreichend deutlich dargelegt».

Doch selbst Deutschlands Autolobby VDA hielt im Frühjahr fest, dass ein rascher Durchbruch der Batterieautos unwahrscheinlich sei. Der finanzielle Vorteil herkömmlicher Verbrenner - Diesel für Vielfahrer, Benziner für Wenigfahrer - sei noch auf Jahre gegeben. Und bis 2020 sieht das Fraunhofer-Institut die Markthochlaufszenarien der E-Autos wegen vieler Unsicherheiten eher bei 150.000 bis gut einer Million.

Der Koalitionsvertrag von Union und SPD sagt: «Spätestens 2022 wird das letzte Kernkraftwerk in Deutschland abgeschaltet.» Doch für eine verlässliche Grundlast im Netz taugen die schwankenden erneuerbaren Quellen nicht. Eine abrupte Abkehr von Kohle und Gas fällt so flach - mit allen Folgen für die Ökobilanz der E-Autos.

Ein Ausweg könnte dezentrale Energieversorgung in Eigenregie sein. Die Porsche-Mutter PSE als VW-Mehrheitseigner hat da schon einmal vorgesorgt. Die Satzung erlaubt ihr neuerdings auch, Energieerzeuger und -händler zu werden. Eine solche Aufgabenbeschreibung kommt nicht von ungefähr. (dpa)
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