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22.11.2014 | 09:36 | Radioaktiver Abfall 

Ungelöstes Problem: Atommüll in maroden Fässern

Berlin - Es muss ziemlich übel aussehen da unten. 136 Fässer mit Atommüll sind stark beschädigt, rosten.

Radioaktiver Abfall
Rund 2.000 Atommüllfässer sind bundesweit beschädigt, hinzu kommt das Drama unten in der Asse. Die jüngsten Erkenntnisse zeigen: Der Umgang mit den radioaktiven Abfällen wurde unterschätzt - auch weil man sich darauf verlassen hat, dass es bald ein Endlager hierfür geben wird. (c) proplanta
Eines ist in sich um 30 Zentimeter zusammengesackt - durch die Last von 1.000 Kilogramm der fünf darüber gestapelten Fässer. Bei einigen ist der strahlende Inhalt als breiige Substanz ausgetreten, die Masse klebt Fässer zusammen, auch auf dem Boden findet sich das radioaktive Zeug.

Ein geordneter Zustand und ein sachgemäßer Umgang mit Atommüll sieht wohl anders aus als die Lage, die die Sprecherin von Schleswig-Holsteins Energie- und Umweltminister Robert Habeck (Grüne) aus dem Atomkraftwerk Brunsbüttel schildert. Dort lagern in unterirdischen Kellerräumen seit über 30 Jahren 630 Stahlfässer mit Filter- und Verdampferkonzentraten aus dem Kernkraftwerk.

Es ist «nur» schwach- und mittelradioaktiver Abfall. Aber bundesweit sind inzwischen 2.000 von insgesamt rund 85.000 Behältern beschädigt, wie gerade bekanntwurde. Allein im früheren Kernforschungszentrum Karlsruhe sind 1.692 Behälter beschädigt, kaputte Fässer müssen nach Angaben des Bundesumweltministeriums umgepackt oder in größere Schutzfässer gestellt werden. Letztlich haben die Betreiber vor Ort die Verantwortung für die sachgemäße Zwischenlagerung - aber das beim Thema Atom beliebte Schwarze-Peter-Spiel ist schon voll im Gange.

Denn jetzt wird darauf verwiesen, dass man nicht mit so einem langen Zeitverzug beim zentralen Endlager für schwach- und mittelradioaktive Abfälle, Schacht Konrad bei Salzgitter, gerechnet habe. Das Bundesamt für Strahlenschutz betont: «Bisher ist kein einziger Abfallbehälter in Karlsruhe so vorbereitet, dass er in Konrad eingelagert werden könnte.» Für die Endlagerung soll der Abfall in Beton gegossen werden, so dass sich die Korrosionsgefahr hier nicht mehr stellt.

Konrad wird frühestens 2022 fertig sein - bisher ist es nur für 303.000 Kubikmeter genehmigt, der deutsche schwach- und mittelradioaktive Abfall könnte aber auf bis zu 600.000 Kubikmeter anschwellen.

Wichtig: Eine unmittelbare Gefahr für Mensch und Umwelt bestehe nicht, wird nun von allen Seiten betont. Zwischen den neben- und übereinander stehenden Fässern sind zum Beispiel in Brunsbüttel in der Vergangenheit aber laut Ministerium bis zu 600 Millisievert pro Stunde gemessen worden.

Der Grenzwert für die Bevölkerung liegt bei 1 Millisievert pro Jahr, für AKW-Mitarbeiter bei 20 Millisievert. Die unterirdischen Kavernen sind aber durch meterdicke Betonriegel von der Umgebung abgeschirmt, so dass keine Gefahr für die Bevölkerung und die noch 265 Mitarbeiter des 2011 stillgelegten Atomkraftwerks bestehen würde, heißt es.

Aber es gibt da eine Ausnahme: Noch übler als in Brunsbüttel sieht es in der Asse bei Wolfenbüttel aus, wo bis 1978 rund 126.000 Fässer abgekippt wurden. Der Atommüll hat sich wahrscheinlich hinter den dicken Betonwänden bereits verteilt. Der Bergdruck im früheren, maroden Salzbergwerk könnte viele Fässer schon zerquetscht haben.

Wenn das Zeug überhaupt noch geborgen werden kann, wird es mehrere Milliarden kosten - und neben der eigentlichen Abfallmenge muss auch viel kontaminiertes Salzgestein geborgen werden - insgesamt bis zu 200.000 Kubikmeter. Wo das hin soll? Völlig unklar bisher. Wenn es im Berg verbleibt, fürchten Anwohner, dass radioaktive Stoffe in das Grundwasser gelangen könnten - das wäre ein Drama für die Region.

Zurück zum Beispiel Brunsbüttel. Wenn die sechs Kavernen nun nach und nach inspiziert werden, wird unter anderem mit Bleiabschirmungen gearbeitet. Fünf von sechs Kavernen sind inspiziert. Die Bergung wird sehr teuer. Die Fässer sollen mit einer Sackkonstruktion, in der sie drin stehen, angehoben werden, zusätzlich müssen eigens spezielle Greiferwerkzeuge entwickelt werden. Dann müssen sie in ein Lager am Atomkraftwerk, mittelfristig soll ein neues Zwischenlager gebaut werden, auch für die ganzen beim Abriss des AKW anfallenden Abfälle.

Das strahlende Erbe und der Umgang damit wurden lange Zeit sekundär behandelt. Die Folgekosten sind enorm. Und beim wichtigsten Endlager, dem für hoch radioaktive Abfälle, wurde noch gar nicht mit der Suche begonnen. Wenn die genehmigten 303.000 Kubikmeter in Konrad eingelagert würden, würde die Radioaktivität übrigens dort «nur» die eines Castor-Behälters mit hochradioaktivem Abfall ausmachen.

Aber es ist eine nicht zu unterschätzende Strahlenbelastung. Habeck betont: «Es ist ein mühsames Puzzle, das wir gerade zusammensetzen, um ein Gesamtbild zu bekommen.» Man habe viel zu lange darauf vertraut, dass das Endlager Konrad bald in Betrieb gehen wird, kritisiert er. (dpa)
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