Vorsprung durch Wissen
Das Informationszentrum für die Landwirtschaft

29.04.2013 | 19:14 | Neonikotinoide 

Bienensterben: Drei Pestizide künftig verboten

Brüssel - Seit Jahren sterben weltweit Bienenvölker. Experten nennen als einen Grund den Einsatz von Pestiziden in der Landwirtschaft. Die EU verbietet nun größtenteils drei Chemikalien. Während Umweltschützer jubeln, warnen Hersteller und die Agrarbranche vor Ernteeinbußen.

Neonikotinoid-Verbot
(c) proplanta
Die EU verbietet zum Schutz der bedrohten Bienen großflächig bestimmte Pflanzenschutzmittel. Vom 1. Dezember an soll der Einsatz von drei umstrittenen Nervengiften für den Anbau von Mais, Sonnenblumen, Raps und Baumwolle untersagt werden. Vertreter der EU-Staaten machten am Montag in Brüssel den Weg dafür frei. Die Insekten steuern diese Pflanzen besonders gerne an. Das Teilverbot der sogenannten Neonicotinoide, die für Bienen gefährlich sein könnten, wird auf zunächst zwei Jahre befristet. Umweltschützer begrüßten den Beschluss.

In der Landwirtschaft werden diese Pestizide genutzt, um Saatmittel zu beizen. Mais wird so vor dem Schädling Maiswurzelbohrer geschützt. Dies soll den Einsatz von Spritzmitteln reduzieren. Künftig darf die Agrarbranche Samen dieser Pflanzen, die mit den Chemikalien vorbehandelt wurden, weder verkaufen noch aussäen. Die Insektizide dürfen auch nicht in den Boden oder auf die Blätter der Pflanzen gegeben werden. Ausnahmen sollen für Pflanzen gelten, die für Bienen nicht interessant sind, wie etwa Wintergetreide.

Die Pestizide, zu deren Herstellern auch das deutsche Unternehmen Bayer gehört, stehen im Verdacht, das seit langem beobachtete Bienensterben mit zu verursachen. Sie schädigen offenbar den Orientierungssinn der Bienen. Allerdings ist die Rolle der Pestizide umstritten. Forscher haben auch andere Ursachen für den Bienentod identifiziert, beispielsweise Nahrungsmangel wegen vieler Monokulturen in der Landwirtschaft. Eine vom Bundeslandwirtschaftsministerium unterstützte Langzeitstudie ergab, dass Varroamilben den Bienen zusetzen und auch Viren sie schwächen.

Die Insekten sind unerlässlich für die Bestäubung von Pflanzen, mehr als 80 Prozent aller angebauten Pflanzen werden von Bienen bestäubt, ihr volkswirtschaftlicher Nutzen wird auf jährlich 22 Milliarden Euro geschätzt.

In Deutschland ist die Verwendung von Neonicotinoiden schon seit 2009 beschränkt. Die Nutzung zum Anbau von Mais wurde nach einem Bienensterben verboten und für den Anbau von Raps eingeschränkt. Bundeslandwirtschaftsministerin Ilse Aigner (CSU) begrüßte am Montag die Entscheidung auf EU-Ebene und stellte klar, dass Deutschland auch künftig an seinen strengen Regeln festhalten könne. Es sei wichtig, dass die EU auch in Zukunft weiter forsche, um mögliche Gefahren für Bienen zu erkennen.

Bei der Abstimmung sprach sich eine Mehrheit der EU-Staaten für das Teilverbot aus. 15 Staaten - darunter Deutschland - stimmten nach Diplomatenangaben dafür. Da die notwendige Zwei-Drittel-Mehrheit aber verfehlt wurde, liegt die Entscheidung über das Inkraftsetzen nun bei der EU-Kommission. Diese ist autorisiert, das Teilverbot eigenständig umzusetzen, ohne die Mitgliedsstaaten noch einmal fragen zu müssen.

EU-Verbraucherschutzkommissar Tonio Borg bekräftigte, die EU-Kommission werde die Sache in den nächsten Wochen voranbringen. «Ich verspreche, mein möglichstes zu tun, um die Bienen zu schützen.»

Die EU zieht damit die Konsequenzen aus einem Gutachten, das die EU-Behörde für Lebensmittelsicherheit (Efsa) Mitte Januar veröffentlichte. Darin sieht die Efsa ein «hohes, akutes Risiko» für Bienen durch die drei Stoffe Clothianidin, Imidacloprid und Thiamethoxam. Diese werden nun größtenteils untersagt.

Allerdings konnte sich die EU nicht zu dem von Umweltschützern geforderten vollständigen Verbot durchringen. Umweltverbänden gehen die Beschlüsse daher nicht weit genug. Greenpeace forderte, mindestens sieben «Bienen-Killer Pestizide» der Firmen Syngenta, Bayer, BASF und anderer Hersteller zu verbieten. Der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) erklärte: «Das Verbot war überfällig, reicht aber nicht aus.» Alle für Bienen schädliche Pestizide müssten generell vom Markt genommen werden. Das Pestizid Aktions-Netzwerk sprach von einer «historischen Entscheidung».

Die Hersteller der Pestizide warnen dagegen schon lange davor, dass das Verbot zu einem deutlichen Rückgang der Ernte führen werde. Der Schweizer Konzern Syngenta kritisierte zudem: «Der Vorschlag entbehrt einer soliden wissenschaftlichen Grundlage.» Das Verbot sei nutzlos - die EU-Kommission solle sich besser «mit den realen Gründen für das Zurückgehen von Bienenvölkern befassen».

Der Industrieverband Agrar e. V. (IVA) kritisierte das Verbot als «unverhältnismäßig, wissenschaftlich undifferenziert und schädlich für die Landwirtschaft». «Hier ist kurzfristiges politisches Kalkül über die Interessen der deutschen Landwirte gestellt worden», sagte IVA-Hauptgeschäftsführer Volker Koch-Achelpöhler. (dpa)
Kommentieren
weitere Artikel

Status:
Name / Pseudonym:
Kommentar:
Bitte Sicherheitsabfrage lösen:


  Weitere Artikel zum Thema

 Getreidehähnchen in Weizenbeständen bisher kein Thema

 Pflanzenschutzmittel Mospilan SG und Danjiri erhalten Notfallzulassungen

 Pflanzenschutzmittel - Zulassungsverlängerungen von Boxer, Filon, Infinito, Bogota Ge

 Pflanzenschutzmittel: Notfallzulassung zur Bekämpfung der Kirschessigfliege und der Kirschfruchtfliege

 Pflanzenschutzmittel - Anordnung des Ruhens der Zulassung von Malvin WG

  Kommentierte Artikel

 Was will die CDU in ihrem neuen Programm?

 LED-Lampen in Straßenlaternen sparen massiv Strom ein

 Zahl der Bäckereien weiter rückläufig

 Wundermittel und Jahrhundertgift PFAS: Derselbe Circus - andere Clowns

 Deutsche Verbraucher offen für abgelaufene Lebensmittel

 Brandenburger Dackel wohl von Wolf angegriffen

 Tag des Wolfes - Bauern machen Druck für vereinfachten Abschuss

 Erleichterungen bei GAP-Anträgen und Hanfanbau

 In der Corona-Pandemie wurden zu oft Antibiotika verschrieben

 Jäger sehen dringenden Handlungsbedarf bei Umgang mit Wölfen