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11.04.2024 | 11:03 | Dengue-Ausbruch 

Mit modifizierten Mücken im Kampf gegen Dengue

Rio de Janeiro - Es ist tropisch-schwül und es schwirrt und zuckelt in dem Labor in der brasilianischen Metropole Rio de Janeiro. Millionen Mücken werden hier gezüchtet, die dabei helfen sollen, eines der größten Gesundheitsprobleme der Gegenwart in dem südamerikanischen Land zu bekämpfen. Denn Brasilien erlebt derzeit den schwersten Dengue-Ausbruch seiner Geschichte.

Tropenkrankheit
Es ist der schlimmste Dengue-Ausbruch in Brasilien - wahrscheinlich sogar in ganz Amerika. Nun sollen ausgerechnet Mücken die von Mücken übertragene Tropenkrankheit bekämpfen. (c) dgrilla - fotolia.com
Seit Jahresbeginn wurden in dem südamerikanischen Land knapp drei Millionen wahrscheinliche Infektionen mit dem Dengue-Virus registriert, wie das Gesundheitsministerium am Mittwoch mitteilte. Den historischen Rekord von 2015, als im ganzen Jahr rund 1,6 Millionen Dengue-Fälle registriert wurden, hat Brasilien schon lange gebrochen.

Bislang wurden 1.117 Todesfälle aufgrund einer Dengue-Infektion bestätigt - auch das ist ein trauriger Rekord. Das sind mehr Tote seit Jahresbeginn als im ganzen Jahr 2023, als es 1094 Todesfälle gab. Insgesamt 1.806 weitere Verdachtsfälle werden noch untersucht. Die Dunkelziffer dürfte jedoch um ein Vielfaches höher sein. Zehn Bundesstaaten und der Hauptstadtdistrikt haben mittlerweile den Gesundheitsnotstand ausgerufen.

Im Labor gezüchtete Mücken

Um gegen die massive Ausbreitung des Dengue-Fiebers vorzugehen, gibt es verschiedene Möglichkeiten. Eine Strategie: modifizierte Moskitos. Das World Mosquito Program (WMP) hat eine Methode entwickelt, um Viren in Mücken zu neutralisieren, mithilfe von Wolbachia-Bakterien, die in vielen Insektenarten natürlich vorkommen. Forscher haben herausgefunden, dass dieses Bakterium das Wachstum von Viren wie Dengue-Erregern in Gelbfiebermücken (Aedes aegypti) - die unter anderem diese Viren übertragen - verhindert und das Auftreten in der Bevölkerung verringert.

«In der Biofabrik wird die gesamte für die Stechmücke notwendige Umgebung nachgebildet», sagt ein WMP-Sprecher. Die Temperatur liege zwischen 28 und 30 Grad, die Umgebung sei feucht. Jede Woche würden etwa zehn Millionen Mückeneier mit Wolbachia-Bakterien produziert, die Mücken werden dann in Gebieten freigelassen, in denen Dengue-Viren stark verbreitet sind. Durch Fortpflanzung verbreiten sie die Wolbachia-Bakterien über mehrere Generationen hinweg.

In Niterói, der Schwesterstadt von Rio de Janeiro auf der gegenüberliegenden Seite der Guanabara-Bucht, wurde die Verbreitung von Dengue mit dieser Methode bereits deutlich reduziert. Seit 2015 werden dort mit Wolbachia-Bakterien versehene Mücken ausgesetzt. Dadurch sei die Zahl der Dengue-Infektionen um 70 Prozent gesunken, teilte das Forschungsinstitut Fiocruz nach einer Studie 2021 mit.

Auch in Rio werden diese Mücken im Labor gezüchtet, allerdings werden sie bisher nur in einigen Vierteln ausgesetzt - anders als in Niterói, wo sie laut dem WMP-Sprecher im gesamten Gebiet freigelassen werden. Die Inzidenz, gemessen in Fällen pro 100.000 Einwohner, liegt in Rio laut Gesundheitsministerium etwa siebenmal höher als in Niterói.

Dengue-Fieber - wegen der Schmerzen manchmal Knochenbrecherkrankheit genannt - ist in den Tropen und Subtropen weit verbreitet. Häufig sind die Verläufe mild, und nicht jeder Infizierte erkrankt. Auslöser für den starken Anstieg dürften die heftigen Regenfälle und die hohen Temperaturen der vergangenen Monate gewesen sein. Unter diesen Bedingungen kann sich die Gelbfiebermücke besonders gut entwickeln.

Faktoren für den drastischen Anstieg

Doch das Klima ist laut Wissenschaftlern nicht der einzige Grund für den Anstieg. Die brasilianischen Städte wachsen, damit könne die sanitäre Infrastruktur oft nicht Schritt halten, heißt es in einem kürzlich veröffentlichten Artikel im Fachjournal «Nature». Ungesammelter Müll werde zu einem Nährboden für Insekten, ebenso wie aufbewahrtes Wasser von Menschen, die keinen regelmäßigen Zugang zu Leitungswasser hätten.

Auch eine eingeschränkte natürliche Immunität trägt dem «Nature»-Bericht zufolge zu dem Anstieg bei. Dengue-Fieber wird durch vier verschiedene Subtypen der Viren verursacht. Nach mehreren Jahren, in denen die ersten beiden Subtypen in Brasilien vorgeherrscht hätten, seien in jüngster Vergangenheit die anderen beiden zurückgekehrt. Viele Brasilianer seien für diese Subtypen anfällig und hätten daher ein höheres Risiko, zu erkranken.

Im Februar startete Brasilien mit einem neuen Vakzin eine Impfkampagne, allerdings vorerst vor allem für Kinder und Jugendliche. Insgesamt 3,2 Millionen Menschen sollen laut Gesundheitsministerium in diesem Jahr mit den beiden Dosen geimpft werden. Kritikern zufolge ist das in dem Land mit mehr als 200 Millionen Einwohnern zu wenig.

«Um einen Einfluss auf die Raten zu haben, bräuchten wir eine Massenimpfung», sagt Ana Lúcia de Oliveira, Expertin für Infektionskrankheiten an der Bundesuniversität in Campo Grande im Bundesstaat Mato Grosso do Sul, dem «Nature»-Bericht zufolge. Und selbst eine weitverbreitete Impfung kann laut Forschern die Krankheit nicht besiegen, wenn die grundlegenden Hygieneprobleme nicht angegangen werden.

Rund 3,5 Millionen Dengue-Fälle in Amerika

Nicht nur Brasilien - auch andere Länder des Kontinents hat die Ausbreitung des Dengue-Fiebers erreicht: Mehr als 3,5 Millionen Erkrankungen wurden in den ersten drei Monaten auf dem gesamten amerikanischen Kontinent gemeldet, wie die Panamerikanische Gesundheitsorganisation (PAHO) Ende März mitteilte. «Dies ist besorgniserregend, denn es sind dreimal so viele Fälle wie im gleichen Zeitraum des Jahres 2023 - einem Rekordjahr mit mehr als 4,5 Millionen gemeldeten Fällen in der Region», sagte PAHO-Direktor Jarbas Barbosa. Die PAHO sprach von dem wahrscheinlich schlimmsten Dengue-Ausbruch in der Geschichte des Kontinents.

Neben Brasilien sind Paraguay und Argentinien am stärksten betroffen. Mit mehr als 215.000 bestätigten Infektionen registriert Argentinien die schwerste Dengue-Epidemie der vergangenen 15 Jahre. Im Großraum Buenos Aires sind viele Krankenhäuser überlastet, rund 90 Prozent der Patienten suchen den Bereitschaftsdienst wegen Verdachts auf Dengue auf, wie die Zeitung La Nación» berichtete. In Peru wurde für den Großteil des Landes der Notstand erklärt.

Zunahme in Europa erwartet

Mittlerweile warnt die Weltgesundheitsorganisation (WHO) auch für Europa vor einer Zunahme an Dengue-Infektionen. Die Tropenkrankheit ist zwar in Europa nicht endemisch und die meisten Fälle werden reisebedingt importiert - doch wächst angesichts der steigenden Temperaturen die Gefahr der Verbreitung von Tiger- und Gelbfiebermücken. Wenn es wärmer werde, könnten Eier den Winter überleben und Larven schlüpfen, heißt es. 2023 meldeten Italien, Frankreich und Spanien lokal übertragene Dengue-Infektionen.
dpa
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