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22.11.2014 | 15:12 | Ebola-Ausbruch proben 

Training für den Ebola-Ernstfall

Würzburg - Martin Horn schlüpft in seine gelbe Krankenhaus-Kleidung. Das ist berufliche Routine für den großen, durchtrainierten Mann.

Ebola-Ausbruch
Bei der Pflege von Ebola-Patienten kann der kleinste Fehler für die Helfer lebensgefährlich sein. Auch in Deutschland bereiten sich Kliniken für den Ernstfall vor. In Schulungen werden auch scheinbar banale Fragen beantwortet. (c) proplanta
Doch die dunkelgrünen Gummistiefel, in die er als nächstes steigt, gehören nicht zu seiner üblichen Arbeitskleidung im Klinikum Bayreuth.

Auch die weiße, dicke Plastikschürze, die er sich später umbindet, hat auf seiner Station eigentlich nichts zu suchen. Und doch geht es gerade um einen medizinischen Notfall: Ebola.

Der Krankenpfleger trainiert für den Fall, dass er es plötzlich mit einem Ebola-Patienten in der Notaufnahme zu tun hat. Horn ist ein Schulungsteilnehmer, der sich in Würzburg auf den Kampf gegen das gefährliche Virus vorbereiten will. Würzburg hat bislang das bundesweit einzige Ebola-Ausbildungszentrum neben der Bundeswehr.

Seit Oktober trainieren hier wöchentlich Menschen aus ganz Deutschland. Für die meisten steht schon bald die Reise nach Westafrika auf dem Plan. Doch mittlerweile melden sich auch immer mehr Mediziner und Pflegekräfte, die das Wissen in ihren Kliniken und Praxen hierzulande anwenden und weitergeben möchten.

Einer von ihnen ist der Bayreuther Martin Horn. Er ist pflegerischer Stationsleiter der Notaufnahme. «Wir wollen das Personal der Notaufnahmen soweit schulen können, dass sie mit einem Verdachtsfall ohne Panik umgehen können», sagt der 42-Jährige. Gemeinsam mit zwei Kollegen ist er deshalb zwei Tage in Würzburg und lernt alles über Ebola - in Theorie und Praxis.

Dass es das Trainingszentrum in Würzburg gibt, liegt am Missionsärztlichen Institut, das schon lange ähnliche Trainings anbietet. Mit der Tropenmedizin der Missionsärztlichen Klinik ist auch die Fachexpertise vorhanden. Zu den Experten gehört Chefarzt August Stich.

Er war schon mehr als 30 Mal als Arzt in Afrika, ist fachlich für die Kurse verantwortlich und hat die Theorieblöcke übernommen. «Wir müssen auch den Rest der Welt vor Ebola schützen. Und das kann nur da unten passieren», sagt Stich, der auch Sprecher des Ständigen Arbeitskreises der Kompetenz- und Behandlungszentren für Ebola ist.

Erwartungsvoll sitzen die Kursteilnehmer am frühen Morgen in einem Schulungsraum der Staatlichen Feuerwehrschule in Würzburg. Die wichtigste Botschaft liefert Stich gleich am Anfang: Durch gutes Training kann man die Gefahr einer Ansteckung kalkulierbar machen. «Wir können das Risiko gering halten, aber es bleibt eine Grauzone. Je besser das Team ist, je besser Sie sind, desto sicherer sind Sie.» Und schiebt gleich nach: «Um Sie herum wird allerdings immer Panik und Hysterie bleiben.»

Es hat sehr lange gedauert, bis die Weltgemeinschaft den Kampf gegen die humanitäre Katastrophe Ebola ernsthaft aufgenommen hat. Die Terrormiliz Islamischer Staat, die Fußball-Weltmeisterschaft, der Absturz der Passagiermaschine über der Ukraine: Andere Themen standen im Vordergrund. «Ich dachte damals selbst auch, das ist ein Ebola-Ausbruch wie man ihn halt kennt - so war es aber nicht», sagt Stich.

Die Weltgesundheitsorganisation meldete zuletzt mehr als 14.400 Ebola-Fälle, fast 5200 davon endeten tödlich. Die Dunkelziffer sei hoch, meint Stich. Das wichtigste Thema des Kurses in Würzburg: «maximaler Eigen- und Mitarbeiterschutz ohne Kompromisse. Das ist oft ein Dilemma für das medizinische Team. Bei Ebola ist das Patientenwohl nicht an oberster Stelle. Das ist sozusagen ein Paradigmenwechsel.»

Die Männer und Frauen in der Schulung sind wissbegierig, fragen viel nach. In den meisten Fällen geht es dabei um ganz praktische Dinge: Wie funktioniert das mit den Toiletten in einem Ebola-Behandlungszentrum? Was passiert mit der persönlichen Habe eines Ebola-Patienten? Sollte man unter der Schutzkleidung lieber Brille oder Kontaktlinsen tragen? Darf man sich rasieren oder ist das wegen der kleinen Schnittwunden zu gefährlich?

Ebola-Experte Stich und später auch der Frankfurter Mediziner Christian Kleine beantworten geduldig jede Frage: Desinfiziert wird mit Chlor, die persönliche Habe eines Patienten wird meistens verbrannt, Brille ist praktikabler, Vollbart auch.

Kleine war vor wenigen Wochen mit der Organisation «Ärzte ohne Grenzen» in Westafrika. Vier Wochen lang hat er dort auf einer Isolierstation etwa 700 Patienten behandelt. Jeden Tag schlüpfte er dafür zwei- bis viermal in die gelben Einmal-Schutzanzüge. Er kennt die Routine und die strengen Verhaltensprotokolle: «Es geht nicht nur darum, sich in den Anzug zu zwängen und wieder raus zu kommen. Es müssen viele strenge Protokolle beachtet werden. Denn erst all das zusammen schützt - nicht nur der Anzug.»

Nach vielen Stunden Theorie müssen die Teilnehmer diesen Schutz nun auch praktisch trainieren: Sie lernen, wie man Schutzanzüge anzieht. Wie man in dieser absolut luftdichten Montur eine Stunde lang arbeitet und wie man sie am Ende wieder auszieht - ohne mögliche Viren mitzunehmen. Und sie lernen, dass ruhiges und bedächtiges Handeln an der Tagesordnung sein muss.

In der großen Fahrzeughalle der Feuerwehr steht die Trainingsanlage. Mit Bauzäunen, Planen, Flatterband und Verkehrshütchen haben die Mitarbeiter des Missionsärztlichen Instituts Teile eines medizinischen Behandlungszentrums aufgebaut. Es gibt eine sogenannte High-Risk-Zone, in der die Patienten liegen, und eine Low-Risk-Zone, in der sich die Mitarbeiter aufhalten. Getrennt werden die Bereiche durch Schleusen-Systeme.

In einem davon ziehen die Kursteilnehmer die knallgelben Schutzanzüge über die OP-Kleidung und die Gummistiefel. Es knistert und raschelt. Die Schutzanzüge fühlen sich an wie eine Zeltplane. Sie lassen keine Luft und keine Flüssigkeit durch. Der Reißverschluss muss bis ganz oben geschlossen werden, anschließend wird er zusätzlich doppelt zugeklebt. Es folgt die dicke weiße Plastikschürze. «Die muss so weit oben am Hals sitzen wie möglich. Je mehr geschützt ist, desto besser», rät Kleine den Teilnehmern. Handschuhe und Schürze zählen zu den am meisten kontaminierten Kleidungsstücken.

Mundschutz, Kopfhaube, Schutzbrille. Zum Schluss ziehen die Teilnehmer ein zweites Paar Gummihandschuhe bis zu den Ellenbogen. Jeder Millimeter Haut ist nun abgedeckt. Sie haben noch nichts weiter gemacht, die Raumtemperatur beträgt kühle 20 Grad Celsius. Nicht zu vergleichen mit den Temperaturen in Afrika. Die Brille von Krankenpfleger Horn ist nach 30 Minuten im Anzug längst beschlagen.

«Und innen fühlt es sich tropisch an», sagt er. Das ist unangenehm, aber das deutlich geringere Problem. «Schwierig ist die Panik, die unter dem Anzug entsteht. Das ist reine Kopfsache. Wenn man es da nicht schafft, sich zu sammeln, hat man Stress und macht lebensgefährliche Fehler.»

Auf einem Feldbett liegt eine Instituts-Mitarbeiterin. Sie spielt Patientin. Ihr soll Blut abgenommen werden - eine hochgefährliche Sache. Denn alle Körperflüssigkeiten der Ebola-Patienten sind ansteckend. Und obwohl die Ärzte Profis sind, machen sie vieles falsch: Sie stellen sich zu direkt vor die Patientin und könnten so von einem Schwall Erbrochenem getroffen werden. Oder sie reagieren falsch auf die Abwehrversuche der Frau - und werden prompt mit einer roten Flüssigkeit von ihr bespritzt.

«Das hättest du schon beim ersten Versuch abbrechen müssen - wegen Selbstgefährdung», sagt Trainer Norbert Gresser vom Missionsärztlichen Institut. Der Anästhesie-Intensivpfleger ist penibel. Jeden noch so kleinen Fehler korrigiert er sofort, denn er kann im Ernstfall tödlich enden. «Präzision vor Schnelligkeit», sagt Gresser, während die Mitarbeiterin wieder Ketchup in die leere Spritze füllt.

Dreimal müssen die Teilnehmer im Laufe des Seminars die Anzüge an- und ausziehen, Blut abnehmen, alles immer wieder mit Chlor desinfizieren, sich ausschleusen und so die Abläufe zur Routine werden lassen. Rund 1.000 Euro kostet die Seminarteilnahme. Von Donnerstag an werden die Kurse von der Missionsärztlichen Klinik auch für Gesundheitspersonal in Deutschland angeboten. Dabei geht es vor allem um das richtige Isolieren des Patienten.

«Ich habe gelernt, dass man höllisch aufpassen muss», sagt Stationsleiter Horn nach den Lehrstunden in Würzburg. «Es ist eine gefährliche Geschichte. Man möchte zwar den Menschen helfen, aber sobald man einen falschen Handgriff macht, ist es eigentlich schon zu spät.»

Er und seine Kollegen trainieren nun das Personal der Notaufnahme im Klinikum Bayreuth. Zweimal pro Woche, je zwei Stunden. Fast 150 Kollegen. «Seit wir das tun, ist Ebola nicht mehr so häufig Thema beim gemeinsamen Frühstück. Vorher wurden da immer die Horror-Szenarien besprochen. Jetzt ist eine gewisse Sicherheit an die Stelle der Angst getreten.» (dpa)
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