Entgegen der vorgesehenen Tagesordnung wurde die Änderung des Direktzahlungen-Durchführungsgesetzes diese Woche nicht im Plenum behandelt. Die AfD-Fraktion hatte in der Nacht von Donnerstag auf Freitag gegen 1.45 Uhr und damit unmittelbar vor der anstehenden Beratung des Direktzahlungen-Durchführungsgesetzes eine namentliche Abstimmung zu einem vorhergehenden Gesetz beantragt. Dabei war die erforderliche Zahl von 355 Abgeordneten deutlich verfehlt worden. Die Sitzung wurde daraufhin beendet.
Nunmehr soll das Gesetz in der nächsten Woche erneut auf die Tagesordnung des Bundestages kommen. Der Ernährungssauschuss hatte den Entwurf zuvor abschließend beraten und mit der Mehrheit der Stimmen von Union und
SPD ohne Änderungen angenommen. Neben der Mobilisierung von zusätzlich 75 Mio. Euro für Förderprogramme in der Zweiten Säule durch die höhere
Umschichtung sieht der
Gesetzentwurf die Einführung einer Bagatellregelung vor, nach der bei der Umwandlung von Grünland in
Ackerland die Genehmigungspflicht entfällt, wenn ein Landwirt maximal 500 m2 im Jahr umbrechen will.
Bitte um FristverzichtEin rechtzeitiger Abschluss des Gesetzgebungsverfahrens ist trotz der eindeutigen politischen Mehrheit nicht sicher. Weil bei einem Gesetzesbeschluss in dieser Woche die vorgeschriebene Drei-Wochen-Frist bis zur abschließenden Bundesratsbefassung am 29. November nicht mehr eingehalten werden kann, soll der
Bundesrat um Fristverzicht gebeten werden. In der Koalition geht man davon aus, dass die
Länderkammer dem stattgeben wird. Sollte dies wider Erwarten nicht erfolgen oder sollte das Gesetz in der kommenden Woche erneut nicht zur Abstimmung kommen, droht ein Scheitern.
Zwar findet am 20. Dezember noch eine letzte Bundesratssitzung in diesem Jahr statt. Bei einer Zustimmung erst zu diesem Termin wäre eine rechtzeitige Unterzeichnung des Gesetzes durch den Bundespräsidenten jedoch nicht gewährleistet, so dass ein Inkrafttreten zum 1. Januar 2020 nicht möglich wäre. In diesem Fall würde es 2020 keine Umschichtung geben.
RetourkutscheDie den parlamentarischen Gepflogenheiten zuwiderlaufende Beantragung einer namentlichen Abstimmung zu früher Stunde wird insbesondere als Retourkutsche auf die erneute Ablehnung eines AfD-Kandidaten für den Posten eines Bundestagsvizepräsidenten gewertet. Eine Rolle dürfte auch die geplante Abwahl des AfD-Abgeordneten Stephan Brandner vom Vorsitz des Rechtsausschusses nach dessen wiederholt als rassistisch eingestuften Äußerungen gespielt haben.
Der stellvertretende Fraktionsvorsitzende der AfD, Peter Felser, sieht als Nebeneffekt nun die Chance, dass die Umschichtung für 2020 ganz entfällt. Zuvor hatte Agrarsprecher Stephan Protschka den Gesetzentwurf als „weiteren Ausdruck der bauernfeindlichen Politik der Bundesregierung“ bezeichnet. Damit handele die Bundesregierung „bewusst und aktiv gegen das eigene Bekenntnis zur bäuerlichen und regional verwurzelten Landwirtschaft“. Die Kürzung der Agrarsubventionen geht Protschka zufolge vor allem zu Lasten kleiner und mittlerer Betriebe.
Mehr Auflagen und BürokratieKritik kam indes auch aus den Reihen der Liberalen. Für den landwirtschaftspolitischen Sprecher der FDP-Fraktion, Dr. Gero Hocker, ist die geplante höhere Umschichtung „schlicht eine Einkommenskürzung“. Der Effekt der
Neuregelung sei, „jeder Landwirt muss für das gleiche Einkommen mehr Auflagen und Bürokratie erfüllen als vorher“, so Hocker im Vorfeld der entfallenen abschließenden Beratung imBundestag. Der FDP-Politiker bekräftigte die Position seiner Fraktion zu einer möglichen Abschmelzung der Direktzahlungen. Als Voraussetzung dafür müssten zunächst in der EU faire Wettbewerbsbedingungen erreicht werden, damit Landwirte in Deutschland mit ihren Wettbewerbern im gemeinsamen
Binnenmarkt konkurrieren könnten.
Keine Mehrheit für WeideprämieDie agrarpolitische Sprecherin der Linksfraktion, Dr.
Kirsten Tackmann, kritisierte die Ablehnung des gemeinsam von ihrer Fraktion und den Grünen eingebrachten Antrags zur Einführung einer Weidetierprämie im Ausschuss. Nicht gelten lassen will die Linken-Politikerin den von der Koalition in der Sitzung erneut vorgebrachten Verweis auf andere Förderprogramme für Schaf- und Ziegenhalter. Längst sei klar, dass diese für die Betroffenen oft nicht oder nur sehr schwer zugänglich seien und auch nur Aufwandsentschädigungen böten, die wenig einkommenswirksam sind und damit das Problem unbezahlter Arbeit nicht lösten.
Die Linken-Politikerin bekräftigte zugleich ihre Forderung, im Bundeshaushalt 50 Mio. Euro jährlich für ein Bundesprogramm Weidetierhaltung zur Verfügung zu stellen.