Vorsprung durch Wissen
schließen x
Suchbegriff
Rubrik
 Suchen
Das Informationszentrum für die Landwirtschaft
12.04.2024 | 07:01 | Agrarpolitik 
Diskutiere mit... 
   2   2

Kanzlerrunde zur Landwirtschaft - Ringen um Entlastungen

Berlin - Die Traktoren rollen wieder auf den Feldern. In vielen Dörfern köchelt aber noch Frust über die Agrarpolitik in Berlin. Nach wochenlangen Bauernprotesten gegen das Aus für langjährige Diesel Vergünstigungen bemüht sich die Koalition, der Branche mit anderen Entlastungen entgegenzukommen.

Agrarpolitik
Die großen Protest-Demos gegen Subventionskürzungen sind vorerst vorbei. Um die Bauern zu besänftigen, will die Koalition aber bessere Bedingungen schaffen. Berührt das auch die Fleischpreise? (c) proplanta
Auch Kanzler Olaf Scholz (SPD) schaltet sich ein und kam am Donnerstag mit der Regierungskommission zur Zukunft der Landwirtschaft zusammen. Im Blick stehen mehrere Erleichterungen und auch die lange ungelöste Frage, wie eine gesicherte Finanzierung für einen Umbau der Tierhaltung aussehen soll - mit möglichen Folgen für Preise im Supermarkt.

Wirtschaftsrunden im Kanzleramt kommen sonst eher zusammen, wenn es etwa um die Autoindustrie geht. Jetzt lud Scholz die noch von Vorgängerin Angela Merkel eingesetzte «Zukunftskommission Landwirtschaft» zum Austausch ein, die aber keine reine Interessenvertretung der Branche ist. Vertreten sind Bauern und Ernährungswirtschaft, Natur- und Verbraucherschützer, Handel und Wissenschaft. Das breit besetzte Gremium brachte 2021 mit Empfehlungen für einen Umbau des Ernährungssystems eine Art Agrarfrieden zustande. Das ist nun wieder aktuell.

Wirbel gab es schon vor dem Treffen um einen zentralen Punkt, bei dem die Politik seit Jahren nicht vorankommt: Auf Mehrkosten beim Umbau der Tierhaltung hin zu besseren Bedingungen sollen Bauern nicht alleine sitzen bleiben. Als Anschub hat die Ampel eine Milliarde Euro für Schweinehalter reserviert. Gesucht wird aber ein Dauermodell für die gesamte Tierhaltung. Schon seit 2020 liegt ein Konzept einer anderen Kommission um Ex-Agrarminister Jochen Borchert vor, das eine höhere Mehrwertsteuer oder eine Tierwohlabgabe auf tierische Produkte vorschlägt.

Das Modell einer schrittweisen Anhebung der Mehrwertsteuer von ermäßigten 7 Prozent bis zum Regelsatz von 19 Prozent ist auch in einem Entwurfspapier der Zukunftskommission genannt, über das zunächst die «Bild» berichtet hatte. Agrarminister Cem Özdemir begrüßte die Idee umgehend. Denn er habe immer betont, auch für andere Finanzierungswege offen zu sein. Inmitten der Bauernproteste warb der Grünen-Politiker offensiv für einen «Tierwohlcent», der zunächst auch kleiner ausfallen könnte als die von der Borchert-Kommission ins Spiel gebrachte Tierwohlabgabe mit einem denkbaren Aufschlag von 40 Cent pro Kilogramm Fleisch.

In der Koalition prallte die Idee vorerst ab, da das FDP-geführte Finanzressort den Ball nicht aufnahm. Kommt nun über die breit anerkannte Zukunftskommission eine neue Dynamik in Gang? Der Bauernverband signalisierte Ablehnung gegen eine Mehrwertsteuer-Anhebung gleich auf 19 Prozent, trägt das Borchert-Konzept aber prinzipiell mit. Die Verbraucherorganisation Foodwatch forderte: «Mehrwertsteuer auf Fleisch hoch, auf Obst und Gemüse auf null: Das wäre eine sofort umsetzbare Maßnahme, die hilft, das Klima zu schützen und gesunde Ernährung zu fördern.»

Der Bund Ökologische Lebensmittelwirtschaft sieht eine höhere Mehrwertsteuer etwa auf Fleisch, Wurst oder Milch nicht als idealen Weg. Dies wäre wegen eines geringen Verwaltungsaufwands aber zumindest am ehesten umsetzbar. Damit verbundene Nachteile für Bio-Betriebe, deren Produkte dadurch überdurchschnittlich verteuert würden, müssten bei der Berechnung von Prämien für Höfe ausgeglichen werden.

Die Regierungskommission kündigte nach der Kanzlerrunde ein baldiges Gesamtpaket mit Vorschlägen an, die von allen Mitgliedern getragen würden. Das Gremium stehe für den fairen Ausgleich von Interessen und scheue sich nicht, auch für heiße Eisen wie den Umbau der Tierhaltung und dessen Finanzierung im Konsens Lösungen zu erarbeiten, machten die Agrarwissenschaftlerin Regina Birner und der Agrarökonom Achim Spiller als Sprecherteam deutlich.

Von der Regierung hieß es, das Gespräch habe in vertrauensvoller Atmosphäre stattgefunden. Die Erwartungen der Branche bleiben hoch, dass nun auch bei anderen Aspekten konkrete Schritte für eine Umsetzung folgen. Zugesichert hat die Ampel-Koalition Beschlüsse noch vor dem Sommer. Ein Überblick über den Katalog:

Flächen: Eine gelockerte EU-Umweltauflage setzt Özdemir um. Demnach entfällt für die Höfe 2024 die Vorgabe, vier Prozent des Ackerlandes brachliegen zu lassen. Die Regierung setzt sich dafür ein, dass das auch in den kommenden Jahren zunächst so bleibt und nicht jährlich neu entschieden werden muss.

Steuern: Angepeilt sind Erleichterungen, wenn Bauern etwa wegen des Wetters nur in manchen Jahren hohe Gewinne machen und dann hohe Steuern zahlen müssen.

Marktstellung: Die Position der Landwirte in der Handelskette bis hin zu den großen Supermärkten soll gestärkt werden - etwa mit einer besseren Markt- und Preisbeobachtung als Grundlage für Verkaufsentscheidungen von Bauern.

Technologien: Die Regierung will prüfen, wie der Einsatz alternativer Antriebe vorankommen kann - auch durch Steuererleichterungen für Kraftstoffe.

Bürokratie: Im Blick stehen Erleichterungen bei Auflagen und Vorgaben, etwa bei Dokumentations- und Aufzeichnungspflichten für Tierhalter oder bei Düngeregeln.
dpa
Kommentieren Kommentare lesen ( 2 )
weitere Artikel

Status:
Name / Pseudonym:
Kommentar:
Bitte Sicherheitsabfrage lösen:


Kommentare 
maximilian schrieb am 12.04.2024 19:33 Uhrzustimmen(1) widersprechen(19)
Was der Flächeneigentümer will, ist seine Privatsache.
Wenn ein Landwirt seinen Betrieb nicht fortführen kann, so ist das zunächst seine private, betriebswirtschaftliche Angelegenheit.
Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt
Unser Grundgesetz garantiert das Eigentum. Inhalt und Schranken werden durch Gesetze bestimmt. Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen.
Innerhalb der Schranken von Art. 2 und Art. 14 ist jeder frei in seinem Tun.
Ein Abstocken der Tierbestände für mehr Tierschutz auf das tatsächlich für die Ernährung der einheimischen Bevölkerung ausreichende Maß bedeutet noch lange nicht die Abschaffung der Tierhaltung in Deutschland. Der Fleischverzehr ist bei uns seit fünf Jahren rückläufig.
Weniger Konsum bedingt weniger Produktion. Das ist marktwirtschaftlich völlig ok. Weniger Bauern bei gleichbleibender oder steigender Produktivität ist ebenfalls marktwirtschaftlich ok.
Weniger Bauern entlastet die Städte, weil weniger stinkende Dieselverbrennende Traktoren auf Demos kommen.
Wenn überzogene Erwartungen nicht erfüllt werden, dann ist es nur logisch, das man sich aus der ZKL zurückzieht.
Es ist schwierig, gemeinsame Lösungen zu finden, wen der DBV sie immer wieder ablehnt. Eine Zweckbindung von Steuereinnahmen ist rechtlich nicht machbar. Das sollte inzwischen eigentlich auch der letzte Bauernverbandsfunktionär kapiert haben. Eine Subventionierung des tierfreundlichen, nachhaltigen Umbaus der Landwirtschaft aus dem Bundeshaushalt ist möglich und seit Jahrzehnten üblich. Lange Laufzeiten sind nicht möglich, weil sie die Handlungsfähigkeit künftiger Regierungen in unzulässigerweise einschränken würde. Es ist die freie Entscheidung jedes Betriebsinhabers, ob er seinen Betrieb modernisiert und auch in Zukunft Tiere hält, oder ob er aus tierschutzfachlicher Sicht seinen Betrieb beenden muss, wie es beispielsweise bei den Anbindehaltern in der Milcherzeugung der Fall sein wird.
agricola pro agricolas schrieb am 12.04.2024 08:23 Uhrzustimmen(26) widersprechen(1)
Gebt zunächst einmal eine Machbarkeitsstudie in Auftrag und klärt hier explizit die Frage, WAS(!) der jeweilige Flächeneigentümer will. Vielleicht ergänzend hierzu, was eben die Flächenpflege an Kosten verursachten in Summe für unsere flächenstärksten Eigentümer, kirchliche Trägerschaften, Kommunen, Stadt, Länder, Bund, wenn der jeweilige Bewirtschafter aus einem bestehenden Pachtverhältnis aussteigt, weil seine physische und psychische Belastbarkeit an brandgefährliche Grenzen stößt, man die eigenen gesundheitlichen Aspekte in der bislang geübten Art und Weise einfach nicht mehr fortwährend ignorieren kann/will. - Händische Arbeit wird dato hier in Deutschland eher hart bestraft, schon gar nicht gerecht entlohnt.

„Bauer Willi“ kommunizierte erst gestern, dass der erste Bauernvertreter, Herr Dirk Andresen, nach dem 1. Verhandlungstag aus der Zukunftskommission Landwirtschaft ausgeschieden ist, weil es sich für seine Begriffe allenfalls um eine Alibiveranstaltung handelte, ohne ein erwartbar wünschenswertes Endergebnis. Positive Signale pro LW habe der Bundeskanzler nicht entsendet, es läuft somit mehr oder weniger auf ein baldiges AUS noch vieler Bauernhöfe hierzulande hinaus, die Tierhaltung hier in Deutschland wird komplett abgeschafft. Für seine Begriffe fehle der ZKL der politische Resonanzboden... - Es bedarf der Worte kaum mehr, oder!?

Ein zuhörender Kanzler, der nicht handelt, bewegt nichts!

...Und unsere „EINE STIMME“ DBV, DRV, DLG, verharren wieder einmal auf ihren Plattformen des schweigsamen Stillstandes!?
  Weitere Artikel zum Thema

 Özdemir will mehr Staatshilfe für Landwirte ermöglichen

 FDP-Papier bringt Ampel in die Bredouille

 Union fordert Ergebnisse beim Bürokratieabbau

 Landwirtschaft im Wandel - auf der Suche nach dem richtigen Antrieb

 Landwirte sollen länger vereinfacht Staatshilfe bekommen

  Kommentierte Artikel

 Erleichterungen bei GAP-Anträgen und Hanfanbau

 In der Corona-Pandemie wurden zu oft Antibiotika verschrieben

 Jäger sehen dringenden Handlungsbedarf bei Umgang mit Wölfen

 Söder setzt sich gegen Verbrenner-Aus ab 2035 ein

 2023 war Jahr der Wetterextreme in Europa

 Wind- und Freiflächen-Solaranlagen: Niedersachsen führt Abgabe ein

 Keine Reduzierung beim Fleischkonsum durch Aufklärung

 Größter Solarpark von Rheinland-Pfalz eröffnet

 Gipfelerklärung der EU setzt auf Lockerungen für Landwirte

 Grundwasser in Bayern wird weniger