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03.11.2019 | 03:39 | Müllentsorgung 

Droht Bayern ein Müllproblem?

München / Nürnberg - Ein No-Deal-Brexit, ein Ausstieg Großbritanniens aus der Europäischen Union ohne vertragliche Regelungen, gilt für die meisten dies- und jenseits des Ärmelkanals als besonders unheilvoll.

Müllaufkommen
Mit der Wirtschaft wachsen auch Bayerns Müllberge. Vor allem für Gewerbeabfälle werden die Kapazitäten in den Verbrennungsöfen knapp. Hausmüll hat dort Vorrang, während die Entsorgung des Mülls von Unternehmen dem freien Markt unterliegt - mit grotesken Folgen. (c) proplanta
Nicht so in der Müllbranche. Denn der nach Deutschland aus dem Ausland importierte Müll kommt zum Großteil von der britischen Insel.

«Die haben selbst zu wenig Verbrennungsanlagen und sind aus purer Not heraus bereit, ordentliche Preise für die Entsorgung zu bezahlen», sagt der Geschäftsführer des Verbands der bayerischen Entsorgungsunternehmen (VBS), Rüdiger Weiß. In der Branche gebe es bei einigen die stille Hoffnung, dass ein No-Deal-Brexit eine Entlastung an der Müll-Front bringe.

Vor allem beim Gewerbemüll, für dessen Entsorgung die Regeln des freien Markts gelten, spitzt sich die Lage im Freistaat zu. «Die Müllmengen steigen jährlich um zwei bis drei Prozent, mehrere Müllverbrennungsanlagen nehmen zurzeit keine Gewerbeabfälle mehr an», sagte VBS-Präsident Otto Heinz kürzlich auf der Jahrestagung des Verbands.

Die 14 Müllöfen in Bayern müssten erst ihrem gesetzlichen Auftrag folgen und den Haushaltsmüll entsorgen. Erst wenn dann noch Kapazitäten frei sind, dürfen Abfälle aus Betrieben angenommen werden.

Verschärft wird die Lage, weil Verbrennungsanlagen in Nord- und Westdeutschland wegen der britischen Importe inzwischen überschüssigen Müll nach Bayern und Baden-Württemberg transportieren lassen, so Geschäftsführer Weiß.

Sorgen bereite den Entsorgern außerdem der Klärschlamm aus der Landwirtschaft. Die 2017 in Kraft getretene neue Düngeverordnung schreibe höhere Grenzwerte vor. In der Folge dürften Bauern auf zwei Dritteln der Äcker keinen Klärschlamm mehr ausbringen. Der Rest lande nun ebenfalls in der Verbrennung.

Zudem würden noch immer in einigen Landkreisen Küchen- und Gartenabfälle nicht getrennt erfasst - trotz der nach dem Kreislaufwirtschaftsgesetz eigentlich geltenden Verpflichtung.

«Allein durch die Einführung von Biomülltonnen in diesen Gebieten könnten in Deutschland vier Millionen Tonnen Müll eingespart werden - in Bayern wären das etwa 0,8 Millionen Tonnen», sagt Weiß. Enormes Einsparpotenzial ergäbe sich auch, wenn die in der Landwirtschaft eingesetzten Kunststofffolien, etwa auf Spargelfeldern, wiederverwendet würden. Ganz zu schweigen von den 2,8 Milliarden Einwegbechern, die laut Umweltbundesamt jedes Jahr im Müll landen. «Braucht es die wirklich oder könnte man die nicht ganz verbieten oder wenigstens verteuern?», fragt der Müllmanager.

Auch seien die Müllheizkraftwerke im Freistaat vergleichsweise alt und deshalb störanfällig. Viele stünden für Revisionsarbeiten immer wieder still. So wie in Würzburg, wo eine Verbrennungslinie vorübergehend außer Betrieb geht, um den Kessel zu erneuern.

Arbeiten, die im Müllheizkraftwerk Bamberg schon in den vergangenen Jahren erledigt wurden. «Wenn Würzburg dann einen Engpass hat, werden wir Müll von dort mitverbrennen», sagt Geschäftsführer Jochen Frank.

Um den Durchsatz in seiner 40 Jahre alten, aber generalüberholten Anlage zu erhöhen, würden inzwischen einige Zwischeninspektionen eingespart, damit der Ofen möglichst ganzjährig durchlaufe. Die maximale Jahresauslastung von 144.000 Tonnen Müll sei fast erreicht.

Anders als beim Hausmüll gibt es zum Gewerbemüll keine genaue Statistik. Das Umweltbundesamt nennt eine Zahl von jährlich 6 Millionen Tonnen Abfällen aus Unternehmen. Den Anteil Bayerns daran schätzt VBS-Geschäftsführer Weiß auf 20 Prozent, also 1,2 Millionen Tonnen.

Der Preis pro Tonne Gewerbemüll habe sich in den vergangenen fünf Jahren von durchschnittlich 100 Euro auf rund 200 Euro pro Tonne verdoppelt. Daher ließen manche Entsorger ihre Abfälle inzwischen bis nach Dänemark oder Schweden fahren, weil dort wesentlich weniger bezahlt werden müsse.

Probleme bekämen vor allem Handwerksbetriebe wie Dachdecker, bei denen sich Styropor und Bitumenbahnen aus der Gebäudesanierung ansammeln, sagt der stellvertretende Leiter des Abfallwirtschaftsbetriebs der Stadt Nürnberg (ASN), Reinhard Arndt.

Weil diese Stoffe einen sehr hohen Heizwert haben, müssten sie vor der Verbrennung mit anderen Abfällen gemischt werden, damit die Öfen nicht zu heiß liefen. In der Nürnberger Müllverbrennungsanlage, obwohl ursprünglich nur für eine Jahreskapazität von 205.000 Tonnen ausgelegt, werden derzeit 245.000 Tonnen verbrannt. «Wir sind voll bis Oberkante Unterlippe», sagte Arndt den «Nürnberger Nachrichten».

Die Wirtschaft müsste in seinen Augen «Produkte herstellen, die in eine echte Wiederverwertung gehen können». Die meisten Kunststoffverpackungen eigneten sich nicht für das Recycling, weil sie mehrere verklebte Mischplastiken enthalten. Rund 60 Prozent des im Gelben Sack gesammelten Verpackungsmülls würden noch immer verbrannt. Das Verpackungsgesetz schreibt zwar eine Erhöhung der Recyclingquote von heute 36 auf 63 Prozent bis 2022 vor.

«Mit einer reinen Erhöhung der Quote ist es aber nicht getan», mahnt Arndt. Die Hersteller müssten mehr in die Verantwortung für die Entsorgung ihrer Produkte kommen. Seit diesem Jahr werden sie durch ein gestaffeltes Lizenzgebührensystem beim Dualen System belohnt, wenn sie ihre Verpackungen recycelfähig produzieren.
dpa/lby
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