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30.10.2018 | 06:42

Unwetter in Italien fordert Todesopfer

Überschwemmungen
Hochwasser ist in Venedig Alltag. Doch nun trifft es die Stadt so hart wie seit Jahren nicht mehr. Fast ganz Italien ist wegen Unwettern im Alarmzustand. Am Brenner rutschen Erdmassen ab. In Rom fliegen Äste und Antennen durch die Luft. (c) proplanta

Überschwemmungen und Wassermangel: Klimawandel bedroht Mittelmeerraum



Heftige Unwetter mit Starkregen und Überschwemmungen führten zuletzt im Mittelmeerraum zu etlichen Toten. In der Region zeige sich der Klimawandel, mahnen Forscher. Aber die Folgen betreffen nicht nur Touristenregionen, sondern auch Deutschland.

Tunis - Wie ein reißender Fluss wälzten sich die Wassermassen durch die Straßen des Ortes Sant Llorenc auf Mallorca. Autos trieben kilometerweit mit den Fluten. Rund 500 Kilometer weiter nördlich, an der französischen Mittelmeerküste, spülten bei einem anderen Unwetter heftige Regenfälle fünf Autos bis ins Meer.

Am Montag vor einer Woche versanken die Straßen der italienischen Hauptstadt Rom unter Hagel und Eisbrocken. Zu Beginn dieser Woche führten Sturmböen und Starkregen in fast ganz Italien zu Unwetteralarm. Mehrere Menschen starben, nach einem Murenabgang war die Brenner-Autobahn gesperrt.

Immer wieder haben extreme Wetterereignisse in den vergangenen Wochen Länder rund ums Mittelmeer heimgesucht. Forscher gehen davon aus: Der Klimawandel macht Wetterkapriolen extremer.

«Die Temperatur der Meeresoberflächen hat sich durch die globale Erwärmung verändert», sagt Peter Hoffmann, Meteorologe am Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK). «Im Mittelmeer weist sie in diesem Jahr fast wieder einen Rekord auf.» Dadurch habe sich die Dynamik des Wetters verändert. «Es muss nicht unbedingt sein, dass die Häufigkeit von diesen Wetterextremen zunimmt, aber es ist wahrscheinlich, dass die Intensität zunimmt.»

Starke Regenfälle werden also extremer, die Gefahr von Überschwemmungen steigt. Das gelte für eine Reihe von Unwettern in der Mittelmeerregion in der aktuellen Saison und es lasse sich da kein exakter Schlussstrich zum Beispiel Ende Oktober ziehen, erläutert Hoffmann mit Blick auf das jüngste Wettergeschehen in Italien.

Bei den heftigen Unwettern der vergangenen Wochen kamen im Mittelmeerraum mehr als 60 Menschen ums Leben. Mitte Oktober traten in der Region um die südfranzösische Stadt Carcassonne Bäche und Flüsse über die Ufer. Mancherorts stieg das Hochwasser mehr als sieben Meter hoch. Binnen weniger Stunden fiel soviel Regen wie sonst in einem halben Jahr. Versicherer bezifferten den Schaden auf 200 Millionen Euro.

Italien erlebte in dem Sommer Unwetter, Starkregen und extreme Hitze. Der Agrarverband Coldiretti warnt vor Millionenschäden. Der Klimawandel könne extreme Verhältnisse mit rapiden Wechseln zwischen kurzen, intensiven Niederschlägen verschärfen und die Agrarwirtschaft enorm schädigen, erklärte er.

Besonders hart trafen Wetterkapriolen in diesem Jahr Mallorca. Dort fielen am Abend des 9. Oktobers binnen weniger Stunden 233 Liter Wasser pro Quadratmeter. Die Wassermassen rissen 13 Menschen in den Tod. Auch andere Regionen Spaniens erlebten Regenrekorde.

In Tunesien verwandelten heftige Niederschläge ausgetrocknete Täler um den bei Touristen beliebten Ort Nabeul in große Flüsse. Die Abwassersysteme waren den Wassermassen nicht gewachsen. Mindestens elf Menschen kamen in dem nordafrikanischen Land ums Leben.

In Jordanien rissen Wassermassen erst vor wenigen Tagen zahlreiche Schulkinder in den Tod. Sie waren auf einem Ausflug nahe dem Toten Meer von einem Sturzregen überrascht worden. Insgesamt kamen mindestens 21 Menschen um.

Dass es im Oktober, in der Übergangszeit vom Sommer zum Winter, im Mittelmeerraum etwas stärker regne, sei nicht ungewöhnlich, erklärt Klimaforscher Hoffmann. Das Mittelmeer heize sich im Sommer auf und speichere die Wärme länger als die Luft. Der Klimawandel aber steigere die Unterschiede zwischen Wasser- und Lufttemperatur: Die Heftigkeit der Regenfälle nehme zu.

«Das ist schon eine Folge des Klimawandels, dass sich durch die Summe von einzelnen Veränderungen, wie Temperaturanstiegen und Veränderungen der Wassertemperaturen, die Dynamik der Atmosphäre verändert», sagt Hoffmann. «Bestimmte Wetterphänomene wie Starkregen können jetzt im Mittelmeerraum extremer ausfallen als früher.»

Mit seinen Warnungen steht der Forscher nicht allein. Vor kurzem mahnten Wissenschaftler aus Kiel im Journal «Nature Communications», ein großer Teil der Unesco-Welterbestätten am Mittelmeer sei durch Sturmfluten und Küstenerosion bedroht: die Lagune von Venedig, das türkische Ephesos, die Ruinen von Karthago in Tunesien.

Klimaveränderungen zeigten sich nicht nur in stärkeren Unwettern, schrieben andere Forscher, darunter Mitarbeiter der Universität Gießen, im Fachblatt «Nature Climate Change». In einigen mediterranen Regionen komme es eher zu Wasserknappheit. In diesem Sommer riefen zum Beispiel die tunesischen Behörden die Bevölkerung dazu auf, Wasser zu sparen.

«Gesundheits- und Sicherheitsprobleme werden sich in den kommenden Jahrzehnten deutlich verschärfen, und die Ernährungssicherheit wird sich verschlechtern», sagt die Gießener Ko-Autorin Elena Xoplaki vom Institut für Geographie.

Niederschläge würden vor allem auf der Südseite des Mittelmeeres geringer ausfallen, was Risiken für die Landwirtschaft berge. «In politisch instabilen Ländern können die Folgen des Klimawandels zudem sozioökonomische Risiken darstellen, die zu Konflikten, Hungersnöten und Migration führen können.»

Und die Folgen bleiben wohl nicht auf den Mittelmeerraum beschränkt. «Die Erwärmung der Wassertemperatur im Mittelmeer hat auch starke Auswirkungen auf die Regenmengen bei uns», sagt Klimaforscher Hoffmann. Die gesamte Dynamik der Atmosphäre verändere sich.

Die Hochwasserereignisse von 2002 und 2013 in Deutschland hingen auch mit Entwicklungen im Mittelmeerraum zusammen. Tiefs transportierten mit Feuchtigkeit angereicherte Luftmassen nach Norden und ließen sie in Mitteleuropa abregnen. «Das ist also eine Fernwirkung der Veränderungen im Mittelmeerraum, die wir auch bei uns in Deutschland spüren.»
dpa
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