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20.11.2008 | 12:50 | Vielseitiger, hochwertiger – und das bei großem Zeitdruck 

Agrarwissenschaftler mahnen neue Hightech-Züchtungsoffensive an

Stuttgart/Hohenheim - Klimawandel, Energiemangel und neue Qualitätsansprüche sind nur einige Gründe, warum der Bedarf an neuen Pflanzen drastisch wachsen wird.

Vielseitiger, hochwertiger – und das bei großem Zeitdruck: Agrarwissenschaftler mahnen neue Hightech-Züchtungsoffensive an
So das Credo von Wissenschaftlern der Universität Hohenheim. Ein neues Tempo und eine neue Vielfalt forderte Züchtungs-Experte Prof. Dr. Gerd Weber von der Universität Hohenheim im Vorfeld des heute beginnenden 23. Kolloquiums zum Forschungsschwerpunkt Biotechnologie und Pflanzenzüchtung in Hohenheim. Gleichzeitig ließe sich im weltweiten Wettlauf gegen Klimawandel und Schädlingswanderungen nur durch innovative Methoden Boden gut machen.

Bis in den Abend diskutieren Wissenschaftler und Vertreter von Saatzuchtfirmen neue Wege, wie sich Entwicklungszeiten neuer Sorten von 10 bis 12 Jahren für neue Sorten reduzieren ließen. Große Hoffnungen setzen die Forscher auch in eine neue Stiftungsprofessur für Nutzpflanzenbiodiversität und Züchtungsinformatik, die in Kürze besetzt werden wird. Finanziert wird dieser weltweit einzigartige Lehrstuhl in Kooperation mit der KWS SAAT AG.

Vergleichsweise einfach sei die Welt der Pflanzenzüchter noch vor wenigen Jahrzehnten gewesen, resümiert Prof. Dr. Weber, Sprecher des Forschungsschwerpunktes Biotechnologie und Pflanzenzüchtung: „Das große gemeinsame Ziel war – und ist – den Ertrag auf dem Acker zu erhalten und gegebenenfalls zu steigern. Dem hatte sich alles andere untergeordnet.“

Inzwischen hätten globale Veränderungen und neue Konsumenten-Ansprüche eine Trendwende ausgelöst: Resistent werden künftige Pflanzen zunehmend sein müssen und zwar gegen immer neue Schädlinge, die aufgrund des Klimawandels weltweit auf Wanderung gehen. Widerstandsfähig bei Wassermangel und effiziente Verwerter, die mit wenig Dünger auskommen, um Flüsse und Grundwasser zu schonen. Bei den Verbrauchern stiegen die Ansprüche an Geschmack und anderen Qualitäten.

Gleichzeitig weite sich das Anwendungsspektrum: „Neben der großen Bandbreite im konventionellen Landbau brauchen wir vielfältige Sorten für die besonderen Ansprüche der Biobauern. Hinzu kommt der wachsende Bedarf an speziell gezüchteten Energiepflanzen.“


10 bis 12 Jahre dauert eine Sorten-Züchtung. Zeit, die die Welt nicht hat.

Fünf bis 50 Millionen Euro koste es, eine neue Sorte zu entwickeln. Zehn bis zwölf Jahre könne die Züchtung dabei dauern. Zeit, die die Welt nach Ansicht Prof. Dr. Webers zunehmend weniger habe: „Als Züchter rennen wir immer nur wenige Schritte vor den sich wandelnden Schädlingen her: Sorten, die wir heute auf den Markt bringen, sind schon in fünf Jahren vielleicht nicht mehr resistent. Bei so langen Vorlaufzeiten muss der Züchter heute in den Startlöchern stehen, um die Anforderungen an die Pflanzen in zehn Jahren zu erahnen.“

Zwei Schwerpunkte stehen bei dem Kolloquium deshalb im Mittelpunkt: zum einen, wie sich lange vergessene Eigenschaften in alten Sorten identifizieren lassen, die dann als Ausgangsmaterial für Neuzüchtungen dienen. Zum anderen, wie sich die sechs bis acht Generationen, die für jede Züchtung notwendig sind, beschleunigen lassen.


Gen-Analysen und Computersimulationen als Hoffnungsträger

Auf der Suche nach vielversprechenden Ausgangssorten greifen die Züchter längst auf molekularbiologische Züchtung zurück. „Ein großer Teil unserer Anstrengungen kreist deshalb um die Frage, wie wir bestimmte Eigenschaften schon an den Genen erkennen können, um die richtigen Pflanzen schnell identifizieren zu können“, erklärt Prof. Dr.Weber. Und nennt ein Beispiel: „Für die Ketchup-Industrie sind Tomaten mit hohem Zuckergehalt besonders wichtig, weshalb man ertragreiche Sorten mit besonders süßen Wildformen kreuzen wollte. Als es den Züchtern gelang, das Gen für den Zuckergehalt zu identifizieren, konnten sie die Versuchsfelder noch vor der Blüte nach süßen Sorten durchforsten – was viel Zeit und Kosten sparte.“

Hoffnungsträger, um die Züchtung zu beschleunigen, ist die Informatik. „Nach jeder Kreuzung gibt es um die 200.000 Variationen, aus denen ich die besten aussortieren und über sechs bis acht Generationen weiter züchten muss. Dabei entstehen gigantische Datenmengen“, so Prof. Dr. Weber. Mit Computermodellen lasse sich außerdem vorhersagen, wie sich verschiedene Sorten mit möglichst wenig Zwischenschritten am besten kreuzen lassen, um zum gewünschten Ergebnis zu kommen.


In Kürze mehr: dank einer europaweit einmaligen Stiftungsprofessur

Große Hoffnungen setzen die Züchter deshalb in einen neuen Stiftungslehrstuhl mit dem Schwerpunkt Nutzpflanzenbiodiversität und Züchtungsinformatik. „Was Bioinformatik und Züchtung betrifft, hat die Welt bislang lediglich an der Oberfläche des Möglichen gekratzt“, vermutet Prof. Dr. Weber. In Kürze entstünde hier ein neuer Forschungszweig, der in Europa einmalig sei.

„Wir sind sehr zuversichtlich, den Stiftungslehrstuhl noch in diesem Jahr zu besetzen und damit ein neues Kapitel in der Pflanzenzüchtung aufzuschlagen“, bestätigt auch der Rektor der Universität Hohenheim, Prof. Dr. Hans-Peter Liebig. Über einen Zeitraum von insgesamt acht Jahren werden KWS und die Universität Hohenheim die Kosten für Personal und Sachmittel des Stiftungslehrstuhls jeweils zur Hälfte übernehmen. Der Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft fördert die Stiftungsprofessur zusätzlich und betreut sie inhaltlich und organisatorisch. Für mindestens weitere acht Jahre hat die Universität darüber hinaus die Fortsetzung des Lehrstuhls zugesagt.


Hintergrund Forschungsschwerpunkt Biotechnologie und Pflanzenzüchtung

Bereits seit 24 Jahren verfolgt der Forschungsschwerpunkt Biotechnologie und Pflanzenzüchtung große Ziele: effiziente und aussichtsreiche Wege zur Produktion von Pflanzen, zur Ernährungssicherung, die nachhaltige Produktion von Pflanzen und die Verminderung von Umweltbelastungen. Dies geschieht durch den integrierten Einsatz von Biotechnologie, Molekular- und Zellbiologie sowie klassischen Methoden der Pflanzenzüchtung.

Durch die Forschungsarbeiten werden bessere Voraussetzungen für die Entwicklung ertragreicher, krankheitsresistenter und standortangepasster Pflanzensorten geschaffen. Der Forschungsschwerpunkt wird gefördert durch Drittmittel der Eiselen-Stiftung, der Deutschen Forschungsgemeinschaft, des Bundesministeriums für Bildung und Forschung, des Landes Baden-Württemberg und von verschiedenen Partnern aus der Züchtungsindustrie. (ots)
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