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04.08.2010 | 08:37 | Tierseuchen 

Was Prionen natürlich reguliert

Zürich - Prionen waren lange Zeit fast wörtlich in aller Munde. Bilder von BSE-kranken Rindern und Kühen gingen um die Welt. Hunderttausende von Kühen starben.

Prionenforschung
Auslöser waren Prionen, krankmachende Proteine, die sich nach einer Änderung ihrer Struktur zu sogenannten Amyloiden zusammenklumpten und sich dadurch in aggressive Krankheitserreger verwandelten. Befürchtet wurde eine Epidemie, die glücklicherweise nicht eingetreten ist.

Mittlerweile sind die Prionen aus den Zeitungsspalten verschwunden, nicht aber aus den Forschungslabors. Nach wie vor interessieren sich Wissenschaftler für diese merkwürdigen Krankheitserreger. Und finden immer mehr heraus über die Funktionen, die die zusammenklumpenden Proteine in der Natur haben.


Einfaches Immunsystem

In Pilzen, so zeigt eine soeben in « Molecular Cell» veröffentlichte Arbeit von Roland Riek, Professor für physikalische Chemie der ETH, gehören sie zu einem einfachen Immunsystem und sind somit involviert in Selbsterkennung: Zellen von verschiedenen Pilzstämmen verhindern über Prionen, dass einzelne Pilze Erbinformationen von Viren untereinander austauschen.

Dazu verfügt der Pilz Podospora anserina natürlicherweise über zwei sehr ähnliche Proteine, die sich unterschiedlich verhalten: HET-s und HET-S. Ersteres, das HET-s, kann leicht seine Konformation ändern und in ein Prion übergehen, das weitere gleichartige Pilze anstecken kann. Die Prionen lagern sich dabei Legosteinen gleich zu faserartigen Strukturen zusammen, und durch die Rekrutierung von weiteren HET-s-Molekülen kann der Legoturm weiter wachsen. Das Prion vergrössert sich laufend, ist jedoch nicht toxisch.

Anders das Protein HET-S. Es ist zwar bis auf wenige Aminosäure-Bausteine identisch mit HET-s, kann aber selbst kein Prion werden. Vielmehr ist HET-S ein Regulator des HET-s-Prions, wie die ETH-Forscher nun zeigen konnten. HET-S kann an das HET-s-Prion andocken und damit dessen Infektiösität unterbinden. Die ETH-Forscher haben festgestellt, dass schon ein Hundertstel des Prionen-Stoppers HET-S ausreicht, um die Verklumpung von HET-s zu infektiösen Amyloiden zu bremsen.


Zelltod schützt vor Ansteckung

Wachsen nun zwei verschiedene Podospora anserina-Pilze zusammen, einer mit HET-s-Prionen und der andere mit HET-S-Proteinen, so unterbindet HET-S, dass die Prion-Kettenreaktion weiterlaufen kann. Zudem ist der entstandene Komplex aus HET-S-Protein und HET-s-Prion toxisch, was zu einem lokalen und kontrollierten Absterben an der Verschmelzungsstelle der Pilze führt. Das HET-s-Prion von einem HET-s-Pilz signalisiert also, dass ein HET-S-Pilz nicht mit ihm fusionieren soll, weil die beiden genetisch verschieden sind. «Das ist ein einfachster Ansatz eines Immunsystems», sagt Roland Riek.

Seine Forschungsgruppe hat nicht nur die Funktionen, sondern auch die atomaren Strukturen der beiden Moleküle bis ins letzte Detail geklärt. Dabei erkannten sie, welche Abschnitte der Proteine für die erwähnten Vorgänge verantwortlich sind.


Ansatz gegen Amyloid-Erkrankungen

Zwar ist der Pilz und seine Proteine HET-s und HET-S nur ein Modellsystem. Dennoch zeigt dieses System einen möglichen Ansatz auf, mit dem gegen Erkrankungen, die mit der Bildung von Amyloiden verbunden werden, vorgegangen werden könnte. Zu diesen Amyloid-Erkrankungen gehören unter anderem Alzheimer, Parkinson, und Diabetes Typ II.

«Wegen der Assoziation von Amyloiden mit Erkrankungen scheint es schwer vorstellbar, dass Amyloide, wie das HET-s Prion, auch funktioneller Natur sein können», sagt Riek. Protein-Amyloide seien jedoch nicht nur in Pilzen sinnvoll. Im letzten Jahr wiesen er und Kollegen nach, dass der menschliche Körper gewisse Hormone, die ebenfalls Eiweissstoffe sind, zu Amyloiden verklumpt in so genannten sekretorischen Granulae lagern und diese Stoffe bei Bedarf rasch mobilisieren kann. Bei körperlicher Belastung etwa schüttet der Körper relativ rasch Endorphine aus, die er in dieser Situation unmöglich so schnell produzieren kann. Die Natur setzt dabei, diesmal zum Vorteil des Menschen, auf die spezielle Agglomerations-Eigenschaften von Protein-Amyloiden. Prionen und Amyloide können deshalb auch vorteilhafte Funktionen haben. «Wir konnten damit zeigen, dass die Verklumpung von Proteinen natürlicherweise vorkommt und dass diese nicht unbedingt zu gefährlichen Krankheiten führen müssen», betont Riek.

Literaturhinweis
Greenwald J et al. The Mechanism of Prion Inhibition by HET-S. Molecular Cell, Volume 38, Issue 6, 889-899, 25 June 2010. DOI:10.1016/j.molcel.2010.05.019
Maji SK et al. Functional Amyloids As Natural Storage of Peptide Hormones in Pituitary Secretory Granules. Science 17 July 2009: Vol. 325. no. 5938, pp. 328 - 332. DOI: 10.1126/science.1173155.


Quelle: ETH Life - Das Online-Magazin der ETH Zürich, Peter Rüegg, 03.08.10
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