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12.01.2011 | 21:00 | Ölkatastrophe 

Ölpest-Kommission ruft zum Umdenken auf

Washington - Es ist ein Zitat, das US-Präsident Barack Obama vermutlich am liebsten aus dem Geschichtsbuch streichen will.

Golf von Mexiko
«Bohrinseln verursachen heute im Allgemeinen keine Ölpest», sagte der Präsident, als er im April vorigen Jahres neue Bohrungen in Küstengewässern erlaubte. Nicht mal ein Jahr später zeigt der Bericht einer Regierungskommission über die Ölpest im Golf von Mexiko noch einmal deutlich auf, wie falsch Obama mit seiner Einschätzung lag. 

Dabei hätte es niemals so weit kommen müssen, dass 780 Millionen Liter Rohöl über Monate ungehindert aus einer defekten Ölquelle vor Louisiana ins Meer schießen. Dass die Brühe zeitweise mehr als 1.000 Kilometer Küste und sensibles Marschland vergiftete - mit unabsehbaren Langzeitfolgen für die Umwelt und für zehntausende Arbeitsplätze. «Die Katastrophe hätte nicht passieren müssen. Sie war vorhersehbar und vermeidbar», sagte der Co-Vorsitzende der Kommission Bob Graham am Dienstag bei der Vorlage des Reports.

Eine Reihe von «menschlichen Fehlurteilen» trug zu dem Desaster bei. Warnsignale wurden schlicht ignoriert. Zeitdruck und mangelnde Kommunikation der beteiligten Unternehmen BP, Transocean und Halliburton ergaben eine gefährliche Mischung. Die Regierung und Behörden hätten mit ihrer schlechten Ausstattung und dem fehlenden Wissen nur hilflos zuschauen können, so das Gremium, das der Präsident einrichtete. Kurzum: Die Ölpest nach der Explosion der Bohrinsel «Deepwater Horizon» im April war ein Desaster mit Ansage. Elf Menschen starben bei der Explosion.

Doch die schlimmste Umweltkrise in der US-Geschichte offenbarte nicht nur gefährliche Sicherheitslücken bei Tiefseebohrungen, urteilt das siebenköpfige Gremium weiter. Sie zeigte auch die Ignoranz auf, die bei Umweltfragen in Amerika herrsche. Jahrelang habe man lieber weggeschaut, statt sich mit den Risiken zu beschäftigten, die eine Ölsuche immer weiter weg von der Küste mit sich bringt. Das ganze sei auch ein «systemisches Problem».

«Eingelullt in das Gefühl des ewigen Erfolges» sei man gewesen, sagt der Co-Vorsitzende des Gremiums, Bob Graham, am Dienstag bei der Vorlage des Berichtes. Er meinte nicht nur die Ölindustrie, die wegen einer steigenden Weltnachfrage nach Öl und höheren Preisen immer größere Dollarzeichen in den Augen hat. «Ich bin traurig sagen zu müssen, dass die Regierung geholfen hat, es passieren zu lassen.»

Der Schmusekurs zwischen staatlichen Aufsehern und den Öl-Bossen ließ so manches Sicherheitsbedenken unter den Tisch fallen. Die USA wollen ihre Abhängigkeit von ausländischem Öl senken - und die Industrie soll dabei helfen.

Das vernichtendste Urteil der Experten ist jedoch, dass eine solche Katastrophe jederzeit wieder passieren könnte. Nur massive Reformen könnten das verhindern. Im Klartext heißt das: Mehr Geld für die Behörden und eine erheblich kürzere Leine für die bislang in den USA nur zaghaft regulierte Ölindustrie.

Bohrgenehmigungen darf es nur noch geben, wenn Umwelt und Sicherheitsexperten ausdrücklich ihr Okay geben, fordert die Kommission. Die Haftungsgrenze für Ölfirmen im Unglücksfall soll am besten gleich von dem geltenden zweistelligen Millionen- auf einen Milliardenbetrag angehoben werden. Finanzieller Druck, wo politischer nicht hilft.

Ölfirmen, die in den Tiefen des Meeres oder in der Arktik nach dem schwarzen Gold suchen, gehören ebenso wie Atomkraftwerkbetreiber einer Risikoindustrie an, sagt der andere Co-Vorsitzende des Gremiums William Reilly. Die Nuklearbranche hat nach dem Atomunglück im amerikanischen Harrisburg 1979 ein Sicherheitsinstitut gegründet. Die Ölfirmen sollen dem Beispiel nun folgen.

Doch Umweltschützer bezweifeln, ob sich die Vorschläge überhaupt jemals umsetzen lassen. Seit der Kongresswahl im vergangenen November haben die industriefreundlichen Republikaner die Oberhand im Abgeordnetenhaus. Fraglich, ob gerade sie Gesetze durchwinken, die von der Öl-Lobby als zu teuer abgelehnt werden. «Wir haben keine sehr großen Hoffnungen für die Reformen», sagt Kert Davies von Greenpeace. (dpa)
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