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14.03.2011 | 14:32 | Dramatik in Fukushima 

Brennstäbe im Reaktor 2 in Fukushima fast ohne Wasser

Tokio - Wasserstoffexplosion, Strahlenwolke und möglicherweise eine beginnende Kernschmelze: Die Nachrichten aus dem Katastrophenreaktor Fukushima Eins werden immer bedrohlicher.

Atomenergie
(c) proplanta
Die Brennstäbe in Reaktorblock 2 des Atomkraftwerks waren laut Informationen der Nachrichtenagentur Kyodo am Montag zwischenzeitlich komplett ohne Kühlwasser. Laut Betreibergesellschaft Tepco könnte die Kernschmelze schon begonnen haben, die Radioaktivität um den Reaktor sei erhöht.

Zuvor war die Kühlung der Stäbe zusammengebrochen, dann begannen Techniker der Betreiberfirma Tepco wieder damit, Meerwasser als Kühlmittel einzuleiten. Zuletzt wurde ein Wasserstand von 30 Zentimetern gemeldet. Kyodo berichtete auch, dass erneut Dampf abgelassen wurde - dieser entsteht beim Einlassen von Kühlwasser und muss entweichen, damit es nicht zu einer Explosion kommt. Zugleich bildet sich bei den hohen Temperaturen hochexplosiver Wasserstoff. Unterdessen brach der US-Flugzeugträger USS Ronald Reagan seinen Hilfseinsatz ab - er soll durch eine Strahlenwolke gefahren sein.

Mit einer Kernschmelze steigt die Gefahr, dass der Druckbehälter beschädigt und massiv radioaktives Material aus dem Inneren des Reaktors freigesetzt wird. Deshalb sei es außerordentlich wichtig, die Brennstäbe möglichst schnell wieder abzukühlen, betonte Sven Dokter von der Deutschen Gesellschaft für Reaktorsicherheit. Bei einer vollständigen Kernschmelze mit extrem hohen Temperaturen und Druck gebe es diverse Bedrohungsszenarien. So sei nicht auszuschließen, dass sich die heiße Masse durch den Boden des Druckbehälters frisst. Trifft sie auf Grundwasser, könnte es zu einer verheerenden Dampfexplosion kommen. Außerdem könne das Erdreich radioaktiv verseucht werden.

Nach einem heftigen Nachbeben und einer neuen Tsunami-Warnung wurde das Unglücks-Atomkraftwerk in Fukushima am Montag von einer zweiten Wasserstoffexplosion - diesmal in Reaktor 3 - erschüttert. Die Betonhülle des Gebäudes wurde beschädigt. Nach Greenpeace-Angaben enthält dieser Reaktor das hochgiftige und damit besonders gesundheitsgefährdende Plutonium. Nach Angaben der japanischen Behörden ist der Reaktor selbst jedoch intakt. Im Umfeld der Anlage wurde nach Angaben von Regierungssprecher Yukio Edano keine erhöhte Radioaktivität gemessen. Eine solche Detonation hatte es bereits am Samstag im Reaktorblock 1 gegeben.

Auf dem Pazifik brach der amerikanische Flugzeugträger seinen Hilfseinsatz ab, wie Kyodo meldete. Die «New York Times» nannte die Gefahr durch eine Strahlenwolke als Grund und berief sich auf US-Regierungskreise. Mehrere Crewmitglieder hätten binnen einer Stunde eine Monatsdosis Strahlung abbekommen. Zudem seien am Sonntag von einem Hubschrauber etwa 100 Kilometer vom japanischen Atomkraftwerk Fukushima entfernt kleine Mengen radioaktiver Partikel gemessen worden. Diese Stoffe würden noch analysiert. Dem Bericht zufolge werden darunter Cäsium-137 und Jod-121 vermutet.

Insgesamt funktionieren nun in drei japanischen Atomkraftwerken die Kühlsysteme nicht. Am gefährlichsten ist die Lage im Atomkraftwerk Fukushima Eins: Dort sind in insgesamt drei Reaktorblöcken die Kühlsysteme ausgefallen. In den Fukushima-Reaktor Nummer 1 pumpen Experten bereits seit Samstagabend ein Gemisch aus Meerwasser und Borsäure. Damit soll eine Kernschmelze verhindert werden. Nach wie vor gibt es widersprüchliche Angaben über den Zustand der Reaktoren und ob Kernschmelzen eingesetzt haben. Noch sollen sich etwa 600 Menschen in der Evakuierungszone um Fukushima Eins befinden.

Daneben gibt es auch Probleme mit der Kühlung im rund zwölf Kilometer entfernten Atomkraftwerk Fukushima Zwei. Dort arbeiten Experten an der Wiederherstellung der Kühlung von zwei Reaktoren. Bisher habe man bei keinem der vier Reaktoren Druck abgelassen, teilten die japanischen Behörden der Internationalen Atomenergieorganisation IAEA mit. Zudem versagte im AKW Tokai am Sonntag (MEZ) eine Pumpe für das Kühlsystem. Die Anlage steht nur rund 120 Kilometer nordöstlich der Hauptstadt Tokio, sie hatte sich bei dem Beben am Freitag automatisch abgeschaltet.

Derweil legten die Botschaften mehrerer EU-Staaten ihren Bürgern nahe, Japan zu verlassen. Die deutsche Vertretung forderte die Bundesbürger in dem Krisengebiet und im Großraum Tokio/Yokohama auf, zu prüfen, «ob ihre Anwesenheit in Japan derzeit erforderlich ist» und andernfalls abzureisen.

Die Bundesregierung will die Betriebszeit jedes der 17 deutschen Atomkraftwerke unter Sicherheitsaspekten überprüfen und hält auch ein Aussetzen ihrer Laufzeitverlängerung für möglich. «Focus Online» berichtete bereits, Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) wolle am Montagnachmittag bekanntgeben, dass die Verlängerung der Laufzeiten für die Atomkraftwerke ausgesetzt werde. Vizekanzler Guido Westerwelle (FDP) schloss ein Moratorium nicht aus. «Wir brauchen auch eine neue Risikoanalyse», sagte er. Die Regierung ist unter Druck, weil am 27. März in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz gewählt wird.

Der Münchner Strahlenexperte Edmund Lengfelder forderte sofortige AKW-Stilllegungen: «Eigentlich müssten acht der deutschen Reaktoren sofort abgeschaltet werden.» (dpa)
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