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09.04.2011 | 07:32 | Spezial-Bäckereien 

Ohne Laktose und Gluten - Diätbäckereien sind im Kommen

Berlin - Als Bäckermeister Fritz Poensgen hörte, dass jemand in seiner Familie eine Laktose-Intoleranz hatte, machte er sich an die Recherche.

Laktose-Intoleranz
Und irgendwann ans Backen. Zunächst buk er gluten- und laktosefreies Brot nur für die Familie. Doch weil es sich schnell herumsprach und immer mehr Leute an die Tür klopften, wurde daraus ein Geschäft. Das war in den 1980er Jahren. Seitdem gehört die Bäckerei zu einer kleinen Branche, die aber derzeit im Aufschwung ist.

Deutschlandweit gibt es zwar Dutzende Bäckereien, die ohne Laktose (Milchzucker) Backwaren produzieren - von Brot und Brötchen bis hin zu Kuchen. Oftmals bieten die Bäcker diese sogenannten Diätwaren neben ihrem herkömmlichen Sortiment an. Aber es finden sich nur wenige Spezialbäckereien, die ausschließlich Backwaren ohne Laktose und Gluten, ein bestimmtes Eiweiß, verkaufen - zum Beispiel für Menschen, die an Laktoseunverträglichkeit und Zöliakie, einer genetisch bedingten Krankheit, leiden.

Bei Poensgen ist eine zweite Firma dafür zuständig, spezielle glutenfreie Mittel herzustellen, die das normale Mehl ersetzen. Daraus wird dann Frischbrot gemacht und an die Kunden, zum Beispiel Bäckereien, verschickt. Aber auch haltbare Backwaren oder Mischungen werden hergestellt für die, die lieber selber zu Hause backen wollen.

Poensgens Geschäft läuft und die Bäckerei wächst. «Dem Unternehmen geht es gut», sagt Inhaber René Poensgen. Zahlen will der Bäckermeister nicht nennen. Aber: «Wir hatten in den letzten fünf Jahren Umsatzsteigerungen von 10 bis 20 Prozent jährlich.» In der gesamten Branche blieb der Umsatz nach Angaben des Zentralverbands des Deutschen Bäckerhandwerks 2010 lediglich konstant bei 12,93 Milliarden Euro (Vorjahr: 12,87 Mrd Euro). Die Zahl der Betriebe sank um 500 auf 14.500.

Rund 7.000 Kunden hat Poensgen. «Täglich kommen neue Kunden hinzu, aber wir wissen nicht, ob es mehr Betroffene gibt oder einfach mehr diagnostiziert werden», erzählt der 30-Jährige, der den Betrieb mit seinem jüngeren Bruder führt. Das bestätigt auch die Deutsche Gesellschaft für Zöliakie. «Es werden mehr glutenfreie Lebensmittel nachgefragt. Heute ist Zöliakie bekannter als früher», sagt Expertin Ellen Stemmer. Zöliakie ist eine dauerhafte Unverträglichkeit von Gluten, einem Eiweiß, das auch in Weizen, Roggen und Gerste enthalten ist.

Nach Angaben der Deutschen Gesellschaft für Ernährung vertragen 15 Prozent der Bevölkerung kein Laktose. Das sind in etwa zwölf Millionen Menschen, die zum Beispiel keine Backwaren essen, die mit Milch hergestellt werden. An Zöliakie leidet nach offiziellen Angaben nur einer von 200 Menschen. «Die Dunkelziffer ist allerdings hoch. Zudem hat sich die Diagnostik verbessert», sagt Sprecherin Antje Gahl.

Die Rahmenbedingungen für die kleinen Spezialbäcker sind nicht einfach. Die gesamte Backindustrie ringt mit steigenden Kosten für Getreide, Backfette und Energie. Diese treiben die Preise hoch. Bei Diätbroten müssen Verbraucher ohnehin schon tiefer in die Tasche greifen: Wenn im Handel das Kilo Brot etwa 1,50 Euro kostet, dann verkaufen herkömmliche Bäcker das Brot für drei Euro. Diätbrote können zwischen fünf und sechs Euro kosten.

Und die Konkurrenz wächst: Früher sei es so gewesen, dass nur Reformhäuser laktose- und glutenfreie Waren angeboten haben. Heute gebe es sie auch vermehrt in einigen Supermärkten, betont Gahl von der Ernährungsgesellschaft.

Laktose- und glutenfreies Essen ist eine Nische geworden, in die auch Unternehmen wie Hanneforth eingestiegen sind. Die Firma stellt Waren für Großhändler und Bäckereien her und vertreibt ihre Produkte vermehrt über Onlineshops. Udo Hanneforth hält diätetische Lebensmittel einfach für gesund. Er und seine Familie verzichten häufig bewusst auf Gluten, obwohl sie nicht Zöliakie haben. «Der Trend geht in Richtung weizenfrei.»

Dass Diätbrote mehr konsumiert werden, beobachtet auch Ellen Stemmer von der Gesellschaft für Zöliakie. Die Ernährungsberaterin glaubt aber, dass diese Lebensmittel ein bisschen zu einer Mode stilisiert werden. «Dies ist ein Trend, den man gerade in den USA beobachten kann.» Dort würden viele auf glutenfreies Essen umstellen. Diese Entwicklung habe aber nichts mit Öko- oder Biotrends zu tun. Stemmer meint: «Eine glutenfreie Diät nur als Modediät macht einen auch nicht schöner, fitter oder schlanker.» (dpa)
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