Vorsprung durch Wissen
Das Informationszentrum für die Landwirtschaft
07.07.2021 | 15:11 | Flüssiges Brot 

Brotbier: Eine neue Möglichkeit gegen Lebensmittelverschwendung?

Nürnberg - Felix vom Endt öffnet den Zapfhahn und frisches Bier sprudelt aus dem Tank direkt ins Glas: noch etwas trüb, aber mit einer cremigen Schaumkrone.

Bier aus altem Brot?
Bier ist flüssiges Brot, heißt es. Beim Brotbier stimmt das zumindest ansatzweise. Es wird mit übrig gebliebenem Brot gebraut, damit dieses nicht im Müll landet. Ein neuer Genusstrend? (c) proplanta
«Das sieht schon sehr brotig aus», sagt der 35-Jährige und lacht. Denn seinen außergewöhnlichen Inhaltsstoff sieht man dem Bier nicht an. Die kleine Craftbier-Brauerei Orca Brau in Nürnberg braut Bier aus Brot, das sonst in der Mülltonne landen würde.

Das mag ungewöhnlich klingen. Für den jungen Brauerei-Chef ist es aber nur konsequent: «Man spart mit etwas, das sonst weggeworfen würde.» Etwa 30 Prozent des Braumalzes ersetzt vom Endt mit Brot, das in den 35 Filialen der Bäckerei Fehl in der Region nicht verkauft wurde. Vieles gehe an die Tafeln, an Wärmestuben oder Bauern, sagt Geschäftsführer Andreas Feihl. «Aber die können nicht alles abnehmen.»

Zusammen mit Felix vom Endt fand er eine Lösung, die in Deutschland, dem Land von Brot und Bier, eigentlich nur logisch ist. Während des Lockdowns backten Bäcker vielerorts Bierbrote, damit das wegen der geschlossenen Gastronomie übrig gebliebene Fassbier nicht weggeschüttet werden musste. Nun setzen Feihl und vom Endt auf umgekehrte Weise mit dem Brotbier «Der Rebell» ein Zeichen gegen Lebensmittelverschwendung - und damit sind sie nicht alleine.

Brotbier hat laut vom Endt im skandinavischen und baltischen Raum eine lange Tradition. In den vergangenen Jahren ist diese Idee auch in Deutschland, Großbritannien und anderen europäischen Ländern verstärkt aufgekommen, um zumindest einen Teil der unzähligen Tonnen Brot, die niemand mehr essen will, vor dem Abfall zu retten. Meist sind es Start-ups, die die Spezial-Biere in kleiner Auflage brauen.

Deren Zahl ist in Deutschland nach Angaben des Deutschen Brauer-Bunds sehr überschaubar. Im Vergleich zu den großen Brauereikonzernen besetzt der Frankfurter Daniel Anthes mit seinem Brotbier «Knärzje» nur eine Nische, diese aber wächst. Waren es anfangs noch 400 Liter, die er pro Abfüllung braute, sind es inzwischen bis zu 5.000 Liter alle drei bis vier Wochen. Inzwischen ist sein Bier sogar in Supermärkten vertreten, ab Herbst wahrscheinlich sogar bundesweit.

Anthes freut sich über den Erfolg, gibt aber auch zu: «Wir werden mit dem Bier nicht die Welt retten.» 500 Laib Brot verwendet er pro Brauvorgang. Umgerechnet rette eine Flasche Bier damit eine Scheibe Brot, sagt Anthes. Es gehe ihm vor allem darum, ein Zeichen zu setzen und den großen Brauereien zu zeigen, dass es auch anders gehe.

Die Idee für «Knärzje» kam Anthes bei einem Wochenendtrip in London, wo er zum ersten Mal «Toast Ale» trank. Die 2016 gegründete Brauerei verwendet für ihre Biere eigenen Angaben nach die Enden von Toastbroten, die die Industrie normalerweise entsorgen würde, und Brot, das in lokalen Bäckereien nicht verkauft wurde. Mehr als zwei Millionen Scheiben Brot seien dadurch schon gerettet worden, heißt es auf der Homepage.

Abfälle vermeiden und gleichzeitig Rohstoffe sparen - der Nürnberger Felix vom Endt sieht im Brotbier viel Potenzial für mehr Nachhaltigkeit. «Das wäre eine Möglichkeit nicht nur für uns, auch für die großen Brauereien.»

Der Deutsche Brauerbund ist da skeptisch. «Aus unserer Sicht lässt sich der Malzbedarf aus verschiedenen Gründen nicht einfach durch Brot ersetzen», sagt Sprecher Marc-Oliver Huhnholz. Neben den technischen und lebensmitteltechnologischen Herausforderungen spreche auch dagegen, dass Brot für größere Produktionsmengen und längere Produktionszeiten eingelagert werden müsste. «Ein Aufwand, der aus unserer Sicht nur in einem kleineren Rahmen realisierbar erscheint.»

In Nürnberg füllt vom Endt gerade neues Brotbier in Flaschen ab, mit 2.000 Litern diesmal doppelt so viel wie bei der ersten Abfüllung. Diese sei innerhalb von drei Tagen an der Brauerei ausverkauft gewesen, sagt er.

Interessant scheinen die Kundinnen und Kunden das Spezial-Bier jedenfalls zu finden. Aber schmeckt es auch? «Es ist vollmundiger und vom Mundgefühl cremiger», meint vom Endt. Wie Brot schmecke es nicht, eher wie ein Märzen oder ein Festbier.
dpa
Kommentieren
weitere Artikel

Status:
Name / Pseudonym:
Kommentar:
Bitte Sicherheitsabfrage lösen:


  Weitere Artikel zum Thema

 Corona-Bier wird künftig bei Hasseröder im Harz gebraut

 Strategie gegen Lebensmittelverschwendung erntet Kritik wegen langsamer Umsetzung

 Bierabsatz in Sachsen rückläufig - Branche für 2024 zuversichtlich

 Bayerns Brauer verteidigen Absatz-Meistertitel

 Bier im Wert von 1,6 Millionen Euro nach Sachsen-Anhalt importiert

  Kommentierte Artikel

 Mehr Tote bei weniger Unfällen

 Union Schuld an schwerster Wirtschaftskrise seit Jahrzehnten

 Bundesbeauftragte fordert Nachbesserungen bei Tierschutz in Ställen

 EU-Agrarsubventionen veröffentlicht - Das sind die Top-Empfänger 2023

 Geld wie Heu - Geht auf den Bauernhöfen wirklich die Post ab?

 Tote Ziegen im Schwarzwald gehen auf Rechnung eines Wolfs

 Gärtner verzweifeln über Superschnecke

 Bauerndemo in Brüssel für faire Preise

 Tierschutznovelle erntet Kritik von allen Seiten

 Online-Abstimmung über Verbrenner-Verbot manipuliert?