Vorsprung durch Wissen
Das Informationszentrum für die Landwirtschaft
01.04.2024 | 01:35 | Alkoholfreier Gasthof 

Fränkischer Gasthof verzichtet komplett auf Alkohol

Hiltpoltstein - Ein Bach plätschert vor sich hin, ringsum thronen Felsen. Idylle pur in Großenohe, einem kleinen Dorf inmitten der Fränkischen Schweiz bei Nürnberg. Ein Gasthof mit Biergarten passt hier perfekt rein.

Alkoholfreies Bier
Ein Biergarten, eine Gaststube - typisch fränkisch geht es zu im Lokal «Zur Sägemühle» im Dorf Großenohe. Fast: Denn es gibt keine Getränke mit Alkohol. (c) proplanta
Seit fünf Jahren betreiben Kerstin Gößl und ihr Mann Vladimir die Gaststätte «Zur Sägemühle» in dem Ortsteil von Hiltpoltstein. Doch ihr Betrieb unterscheidet sich von den vielen Biergärten, wie man sie in Franken kennt, wo Bier einheimischer Brauereien gezapft und nach dem Essen schon mal ein Schnaps gereicht wird. Seit einigen Wochen haben die Wirtsleute den Alkohol komplett verbannt. Bier, Wein, Secco - alles ist nur noch alkoholfrei zu haben.

Der Grund ist sehr persönlich. Offen erzählt Kerstin Gößl von der Alkoholkrankheit ihres Partners. Der Stress in der Gastrobranche, der immer verfügbare Alkohol - irgendwann sei es nicht mehr gegangen. Anfang des Jahres machte er einen Cut, ging in die Entgiftung. Danach war die Frage: Wie weitermachen? Für das Paar gab es nur eine Lösung - die Gastwirtschaft weiter betreiben, aber ohne alkoholhaltige Getränke. «Der Alkohol ist weg, wir arbeiten weiter. Wir hatten nur diese Option.»

Muss ein Wirt «trinkfest» sein?

Jahrelang habe es ja geheißen: Ein Wirt müsse trinkfest sein, sagt Gößl. Es werde so getan, als sei Alkoholkonsum normal - «ist es aber nicht.» Ihr Mann ist mit seiner Erkrankung nicht allein. Beim Bundesgesundheitsministerium heißt es: «7,9 Millionen Menschen der 18- bis 64-jährigen Bevölkerung in Deutschland konsumieren Alkohol in gesundheitlich riskanter Form.»

Die bisherigen Erfahrungen vor allem an den ersten Sonntagen mit schönem Wetter in diesem Jahr geben Gößl recht - der Biergarten war voll: «Vor allem viele junge Leute waren da.» Für die kommenden Wochen hat sie Voranmeldungen für Familienfeiern wie Taufe, Konfirmation, Kommunion.

Inzwischen bekommen die Wirtsleute aus vielen Regionen Kostproben alkoholfreier Biere oder anderer Getränke ohne Alkohol zugeschickt. Gerade packt Gößl ein Paket aus - alkoholfreies Weißbier, auch noch glutenfrei. Denn nicht nur die Getränkekarte ohne Alkoholisches unterscheidet den Gasthof von vielen anderen Wirtschaften der Region: Hier gibt es auch glutenfreie und laktosefreie Gerichte. Und vegane Alternativen wie Soja-Gulasch.

Vor allem in den sozialen Netzwerken kassieren die Wirtsleute durchaus auch negative Kommentare für ihr Konzept, wie sie selbst sagen. Die resolute Wirtin lässt sich davon aber nicht beirren, liest die Kommentare laut vor, schüttelt den Kopf - und macht weiter.

Alkoholfreier Sekt ist gefragt

Aufsehen erregt das Konzept der «Sägemühle» vermutlich auch deshalb, weil in der Fränkischen Schweiz alkoholhaltige Getränke in der Tourismuswerbung eine große Rolle spielen - die Tourismuszentrale bewirbt auf ihrer Homepage offensiv die «Bierwochen» und die «300 Traditionsdestillerien»; Bierwanderwege führen von einer Brauerei zur nächsten.

Doch Bier ohne Alkohol und auch alkoholfreier Sekt gewinnen in den jeweiligen Branchen immer mehr an Bedeutung. Ende Februar teilte der Verband Deutscher Sektkellereien mit, dass immer häufiger Varianten ohne Alkohol gefragt sind bei der Kundschaft. 2023 kauften die Deutschen demnach rund 18 Millionen Flaschen «schäumende Getränke aus entalkoholisiertem Wein».

Das waren etwa 1,5 Millionen Flaschen mehr als im Jahr zuvor. Damit erreichten alkoholfreie Sparklingvarianten nach Verbandsangaben einen Marktanteil von 7,4 Prozent und gegenüber 2022 einen Absatzzuwachs von 9,7 Prozent. Und der Deutsche Brauer-Bund erwartet, dass schon bald jedes zehnte in Deutschland gebraute Bier alkoholfrei sein wird.
dpa
Kommentieren
weitere Artikel

Status:
Name / Pseudonym:
Kommentar:
Bitte Sicherheitsabfrage lösen:


  Weitere Artikel zum Thema

 Corona-Bier wird künftig bei Hasseröder im Harz gebraut

 Bierabsatz in Sachsen rückläufig - Branche für 2024 zuversichtlich

 Bayerns Brauer verteidigen Absatz-Meistertitel

 Bier im Wert von 1,6 Millionen Euro nach Sachsen-Anhalt importiert

 Jugendliche haben keine Lust mehr auf Komasaufen

  Kommentierte Artikel

 Mehr Tote bei weniger Unfällen

 Union Schuld an schwerster Wirtschaftskrise seit Jahrzehnten

 Bundesbeauftragte fordert Nachbesserungen bei Tierschutz in Ställen

 EU-Agrarsubventionen veröffentlicht - Das sind die Top-Empfänger 2023

 Geld wie Heu - Geht auf den Bauernhöfen wirklich die Post ab?

 Tote Ziegen im Schwarzwald gehen auf Rechnung eines Wolfs

 Gärtner verzweifeln über Superschnecke

 Bauerndemo in Brüssel für faire Preise

 Tierschutznovelle erntet Kritik von allen Seiten

 Online-Abstimmung über Verbrenner-Verbot manipuliert?