Vorsprung durch Wissen
schließen x
Suchbegriff
Rubrik
 Suchen
Das Informationszentrum für die Landwirtschaft
06.09.2012 | 14:13 | Auch Bio-Hühner lassen Federn 

Wie tierfreundlich ist Bio-Landwirtschaft wirklich?

Güstrow - Berichte über schlechte Haltung auf Ökohöfen verunsichern Verbraucher. Biobauern meinen dennoch, dass es ihren Tieren besser geht als denen der konventionellen Landwirte.

Huhn
(c) proplanta
«Bio» - das ist auch nur Landwirtschaft. Die Realität entspricht nicht den Bilderbuchvorstellungen mancher Städter von rosa Schweinen auf grünen Wiesen, sagt die Geschäftsführerin des Ökoanbauverbandes Biopark, Delia Micklich. Hühner lassen Federn, Bio-Hennen vielleicht früher als andere.

Mit nacktem Hinterteil schaut so ein Tier krank und bemitleidenswert aus, wie jüngst eine ARD-Reportage zeigte. Sie war unter anderem in Mecklenburg-Vorpommern in der Gut Dalwitz Ei GmbH und der Erzeugergemeinschaft Fürstenhof gedreht worden, die mit 300.000 Hennen in 14 Betrieben 15 Prozent der Bio-Eier in Deutschland liefert.

Heinrich Graf von Bassewitz ist Gesellschafter der Dalwitzer Ei GmbH im Landkreis Rostock und zugleich Vize-Vorsitzender von Biopark sowie Beauftragter beim Deutschen Bauernverband für den Ökolandbau.

Die 30.000 Dalwitzer Hennen sind nicht wie gerade «aus dem Ei gepellt». Dennoch geht es ihnen besser als in konventioneller Haltung, ist Bassewitz überzeugt. «Sie haben Auslauf im Freiland, bekommen keine Antibiotika, die Schnäbel werden nicht gekürzt.» Tote Tiere im Stall seien nicht vermeidbar. Einzelne Hühner sterben an Herzschlag oder Gehirnschlag, Krebs oder bei Unfällen, sagt er.

Der wissenschaftliche Berater der Tierrechtsorganisation Peta, Edmund Haferbeck, bestätigt, dass die Haltung von 3.000 Hennen in einem Stall unter diesen Bedingungen als biologisch zu bezeichnen ist. Mit dem entsprechenden Futter, versteht sich. Dennoch ist er der Biotierhaltung gegenüber sehr kritisch. Es mangele oft an der Hygiene, die Betriebsführung sei schlecht. Der in der Sendung interviewte Biopark-Schweinehalter aus dem vorpommerschen Pampow habe seine Tiere in engen Koben gehabt, mit wenig Einstreu und denselben Krankheiten wie im konventionellen Bereich - Mastdarmvorfall und Bockbeinigkeit. Daraus werde kein Bio-Fleisch.

Die Sendung hat die Diskussion um die Haltungsbedingungen in Bio-Betrieben neu entfacht. Die Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL) kritisiert vor allem die Größe vieler Bio-Betriebe und nennt sie «Agrarindustrie-Bio». Sie würden Ziele und Akzeptanz des Ökolandbaus gefährden, sogar die Existenz tausender Biohöfe, die den Gedanken der Ressourcenschonung, Kreislaufwirtschaft und Tiergerechtheit ernst nehmen. AbL-Sprecher Eckehard Niemann forderte auch den Einzelhandel auf, die Erwartungen seiner Kunden an nachhaltige und ehrliche Bio- Produkte zu erfüllen: «Qualität und Ethik haben ihren Preis.»

Peta moniert auch, dass Biobauern dieselben «hochgezüchteten Rassen» halten wie konventionelle Landwirte. Dabei gibt es Haferbeck zufolge andere, langsam wachsende Schweinerassen sowie Hühner, «die auch am Ende der Legeperiode noch wie Hühner aussehen». Aber solche Rassen werden nach seiner Ansicht nicht nachgefragt und nicht gezüchtet, weil sie nicht genug Leistung bringen.

Biopark-Geschäftsführerin Delia Micklich verteidigt den Pampower Schweinehalter. Sie habe den Betrieb sofort überprüft und ganz anderes vorgefunden als in der Fernsehsendung. Die alten Ställe würden von außen schlimm aussehen, gibt sie zu. Aber innen seien sie in Ordnung, die Schweine hätten Stroh und Auslauf. Micklich zufolge halten 25 Prozent der Biopark-Schweinehalter ihr Borstenvieh in Hütten im Freiland. Das gehe aber nicht überall.

Bio-Schweine- und Geflügelhalter haben Bassewitz zufolge ein weiteres Problem: Es fehlt an Eiweißfutter. Die Tiere bekommen zu wenig Eiweiß, seitdem 2001 das Verfüttern von Tiermehl - oder Fleischmehl, wie er sagt - verboten ist. Hintergrund für das Verbot war die BSE-Krise. Tiermehl hatte damals Rinder krank gemacht, die von Natur aus vegetarisch leben. Hühner und Schweine aber sind Allesfresser, die von der EU zu Veganern gemacht werden. Als Folge lassen die Hühner Federn. «Federn sind Eiweiß», erläutert Bassewitz.

Konventionelle Betriebe verabreichen ihren Tieren chemisch-synthetische Aminosäuren, was bei Bio nicht erlaubt ist. Die Bauern könnten Bio-Soja aus Südamerika verfüttern, was dem Grundsatz der regionalen Kreisläufe widerspreche. Das Futter darf ausnahmsweise noch zwei Jahre lang fünf Prozent konventionelles Kartoffeleiweiß enthalten, wie Bassewitz berichtet. Danach seien nur noch heimische Lupinen, Erbsen oder Bohnen möglich, die schlechte Erträge bringen.

Mecklenburg-Vorpommerns Agrarminister Till Backhaus (SPD) kritisiert, dass die Forschung und Züchtung von Eiweißpflanzen wegen des billigen Sojas auf dem Weltmarkt in ganz Europa vernachlässigt wurde. Er will bei Rostock ein Kompetenzzentrum für Eiweißpflanzen in Norddeutschland etablieren. (dpa)
Kommentieren Kommentare lesen ( 2 )
weitere Artikel

Status:
Name / Pseudonym:
Kommentar:
Bitte Sicherheitsabfrage lösen:


Kommentare 
Eckard Wendt, AGfaN e.V. schrieb am 07.09.2012 19:52 Uhrzustimmen(92) widersprechen(111)
Die im Video gezeigten Zustände sind reine Negativ-Beispiele, die allenfalls belegen, daß das Management eine große Rolle spielt. Die Behauptung, Muttersauen in Bio-Haltung kämen auch nicht raus, stimmt definitiv nicht. Das ist nicht nur bei Neuland anders, sondern auch bei Bioland-Betrieben. Ich kenne u.a. einen Bioland-Betrieb in Schleswig-Holstein, der knapp 500 Sauen hat ... alle (mit Ausnahme der kurzen Besamungszeit in Freilandhaltung). In England werden - gleichgültig ob Bio oder nicht - ca. 35% der Sauen in Freilandhaltung versorgt. Von den Aussagen des FS-Beitrags stimmt in der Pauschalität nur, daß die Tiere nicht totgestreichelt werden! Anliegen der Tierfreunde ist nicht die Verbesserung der Tierhaltung. Sie lehnen nämlich die Tierhaltung generell ab. Das zu sagen, kann ich akzeptieren. Große Vorbehalte habe ich aber bezüglich der Tierrechtler, die ihre Heimtiere mit Futter aus der Massentierhaltung versorgen. Fazit: Es geht den Autoren ganz offensichtlich nicht um "BIOWAHRHEIT", sondern sie verfolgen ganz andere (keinesfalls unehrenhafte!) Ziele. Bio-Haltungen und konventionelle Tierhaltungsformen unterscheiden sich vom System her. Während die konventionellen Betrieb auf hohe Effizienz ausgelegt sind, wollen Bio-Halter den Tieren ein Leben vor dem Tod gewähren, was von den (meisten) Konsumenten auch finanziell honoriert wird. Übrigens: Die AGfaN zeigt in der Regel nur Bilder vom normalen Wahnsinn der Intensivtierhaltung, also von gut geführten Betrieben, nicht von Tieren, die von kranken Bauern vernachlässigt werden / wurden, die eigentlich der psychiatrischen Betreuung bedürfen.
Antonietta schrieb am 07.09.2012 16:43 Uhrzustimmen(138) widersprechen(109)
Auch Biotiere werden geschlachtet. Egal ob Käfig- oder Bioeier: am Anfang sind die Küken, und nur die weiblichen müssen ihr kümmerliches Dasein als Legehennen fristen. Die männlichen werden, da es für die Fleischproduktion spezielle Züchtungen gibt, nicht mehr gebraucht, aussortiert und vergast oder vermust. 45 Millionen jedes Jahr alleine in Deutschland. -> http://www.youtube.com/watch?v=lGpJ7J8ReJ4&feature=related http://www.youtube.com/watch?v=WYY3Kxw4U9k
  Weitere Artikel zum Thema

 Anteil der Ökobetriebe in Schleswig-Holstein bei sieben Prozent

 Anteil von Ökolandbau in Thüringen unter Bundesdurchschnitt

 Ökolandbau in Brandenburg gewachsen

 Pachtpreise für Ackerland gestiegen - Mehr Öko-Landbau als bundesweit

  Kommentierte Artikel

 Erleichterungen bei GAP-Anträgen und Hanfanbau

 In der Corona-Pandemie wurden zu oft Antibiotika verschrieben

 Jäger sehen dringenden Handlungsbedarf bei Umgang mit Wölfen

 Söder setzt sich gegen Verbrenner-Aus ab 2035 ein

 2023 war Jahr der Wetterextreme in Europa

 Wind- und Freiflächen-Solaranlagen: Niedersachsen führt Abgabe ein

 Keine Reduzierung beim Fleischkonsum durch Aufklärung

 Größter Solarpark von Rheinland-Pfalz eröffnet

 Gipfelerklärung der EU setzt auf Lockerungen für Landwirte

 Grundwasser in Bayern wird weniger