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08.10.2014 | 11:35

Schwarz-Rot will private Investitionen gegen Konjunkturschwäche fördern

Kanzleramt
(c) proplanta

Ein bisschen Frieden im Kanzleramt



Erstmal heißt es warten. SPD-Chef Sigmar Gabriel ist mal wieder etwas spät dran. Kanzlerin Angela Merkel (CDU) redet derweil mit anderen Spitzengenossen wie Generalsekretärin Yasmin Fahimi und Fraktionschef Thomas Oppermann. Fahimi bekommt dem Vernehmen nach ein paar recht böse Blicke von Unionsleuten ab - als Retourkutsche für ihre Attacken gegen Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU). Aber das Signal nach außen ist: Geschlossenheit.

Es ist schon eine Nachricht an sich, dass über ein Jahr nach der Bundestagswahl am Dienstagabend erstmals ein Koalitionsausschuss im Kanzleramt stattfand. Bei Matjes, Bohnen und Kartoffeln ging es erst um die Notwendigkeit möglicher Wachstumsimpulse, da die Wirtschaft unter anderem wegen der Ukraine/Russland-Krise zu schwächeln droht.

Aber an die EU-Partner wird das klare Signal ausgesendet: Ein Anzapfen des Euro-Rettungsschirms ESM für ein Investitionsprogramm wird es nicht geben. Ein großes Problem ist das vorläufige Veto von CSU-Chef Horst Seehofer gegen zwei große Nord-Süd-Stromtrassen - er will eine Prüfung, ob sie wirklich notwendig sind. Am Donnerstag findet dazu ein Spitzengespräch bei Wirtschaftsminister Gabriel statt. Subventionierte Gaskraftwerke in Bayern als Alternative zu Windstrom aus dem Norden sind unrealistisch. Für Irritationen sorgt zudem, dass Seehofer 2013 den Trassen bereits zugestimmt hatte.

Im Vorfeld war das Treffen der Partei- und Fraktionschefs, Fraktionsgeschäftsführer und Generalsekretäre auf den Charakter einer vertrauensbildenden Plauderstunde heruntergestuft worden. Sogar eine klare Tagesordnung fehlte. Es gebe ein paar Dinge, über die man reden wolle, «weitere Themen mögen hinzukommen», sagte vor Beginn SPD-Fraktionschef Oppermann. Am Ende ging die schwarz-rote Runde nach dreieinhalb Stunden auseinander. «Viele Übereinstimmungen machen lange Sitzungen überflüssig», hieß es lapidar zur Stimmung.

Greifbare Ergebnisse gab es nicht. Aber man sprach über diverse Probleme vom schleppenden Internet-Breitbandausbau bis hin zum Kampf gegen die Terrormiliz Islamischer Staat. Die wichtigen Entscheidungen treffen Merkel, Seehofer und Gabriel aber am liebsten im kleinen Kreis. Das nahm etwa im März skurrile Züge an, etwa als die im Ministerium ausharrende Arbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) per Telefon die Details zum Mindestlohn von 8,50 Euro diktiert bekam.

Für die SPD ging es nun ohnehin erstmal darum, nach den Sticheleien gegen von der Leyen abzurüsten. «Die Verteidigungsministerin trägt nicht die Verantwortung für die derzeitigen Zustände», sagte Oppermann vor dem Treffen mit Blick auf die Ausrüstungsmängel der Bundeswehr. Merkel wertete das Entspannungssignal in der Unionsfraktion positiv. Man muss wissen: Von der Leyen gilt einigen in der SPD als potenzielle Merkel-Nachfolgerin. Mal wurde sie zuletzt als Foto-Ministerin verspottet, dann warf ihr Generalsekretärin Fahimi unabgestimmte «Plaudereien» über neue Auslandseinsätze vor.

So war oberstes Ziel: Einigkeit demonstrieren. Kurz vor dem Treffen wurde eine Lösung in der Debatte um Karenzzeiten gefunden. Die Wechsel von Ex-Kanzleramtschef Ronald Pofalla (CDU) zur Deutschen Bahn, von Ex-Entwicklungsminister Dirk Niebel (FDP) zum Rüstungskonzern Rheinmetall und von Ex-Gesundheitsminister Daniel Bahr (FDP) zur Allianz hatten den Druck für eine Regelung verstärkt. Wenn das Kabinett Interessenskonflikte befürchtet, soll es vor dem Start beim neuen Geldgeber für Bundesminister und Parlamentarische Staatssekretäre eine Abklingphase von mindestens zwölf Monaten geben.

Mit einer übergroßen Mehrheit von 504 der 631 Sitze im Bundestag ausgestattet, hat die Koalition eigentlich reichlich Spielraum für Reformen. Bisher hat sie vor allem auf soziale Wohltaten gesetzt: Rentenverbesserungen für 9,5 Millionen Mütter und die Rente mit 63 bei 45 Beitragsjahren kosten pro Jahr bis zu elf Milliarden Euro.

Dabei mehren sich Alarmsignale, dass eine deutliche Eintrübung der Konjunktur wegen der globalen Krisen droht. Wirtschaftsminister Gabriel stellt das Wachstumsziel der Regierung von 1,8 Prozent für 2014 in Frage. Während die Welt aus den Fugen gerät, ruht im Inland scheinbar still der See. Jede Seite bekommt ihre Wünsche erfüllt.

Große Reformprojekte wie der rasche Breitband-Ausbau, die Sanierung maroder Straßen und Brücken oder die Herausforderungen der alternden Gesellschaft werden hingegen nach Experteneinschätzung halbherzig angegangen. Warum sind die Bürger also zufrieden mit der Regierung? Weil sie ihnen wenig abverlangt? Oder weil sie Stabilität garantiert, in Zeiten von Ukraine-Krise und Köpfe abschlagenden IS-Terrormilizen? Fast scheint es, als greifen Merkel und ihre Koalition derzeit das alte Gerhard-Schröder-Motto auf: «Regieren mit ruhiger Hand.» (dpa)
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