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06.05.2021 | 06:11 | Von Cannabis bis Klimaschutz 

Baden-Württembergischer Koalitionsvertrag: Was genau steht drin?

Stuttgart - «Jetzt für morgen» heißt das Werk, Aufbruch soll es vermitteln, 162 Seiten ist es lang, auf dem Titel ein saftig grüner Wald mit schwarzen Schattierungen: In wochenlangen Verhandlungen haben Grüne und CDU einen neuen Koalitionsvertrag gezimmert, den sie selbst «Erneuerungsvertrag» nennen.

Grün-Schwarz Baden-Württemberg
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Grün-Schwarz, neue Runde, bitte einsteigen! In 14 Kapiteln beschreiben Grüne und CDU, was sie mit dem Land vorhaben. Der Klimaschutz zieht sich wie ein roter Faden durch den neuen Koalitionsvertrag - genauso aber der Verweis auf klamme Kassen. (c) proplanta
Was drinsteht:

HAUSHALT - Schon in ihrem Vorwort lassen Grüne und CDU keinen Zweifel aufkommen, dass ihnen finanziell die Hände gebunden sind: «Der finanzielle Spielraum im Haushalt ist sehr klein.» Die Corona-Krise fordert ihren Tribut. Das führt dazu, dass die künftigen Partner ihre Vorhaben, die Geld kosten, nicht mit konkreten Zahlen und Daten hinterlegen.

Die Schuldenbremse soll eingehalten werden. Das erste Kapitel des Vertrags ist denn auch nicht dem «Klimaschutz» gewidmet sondern dem Bereich «Haushalt und Verwaltung». Zentraler Satz: «Mehrausgaben brauchen deshalb eine solide Gegenfinanzierung.» Das Ringen um Ressourcen dürfte Grüne und CDU intensiv beschäftigen.

KLIMASCHUTZ - Trotz klammer Kassen das zentrale Projekt der neuen Koalition. Das Wort Klimaschutz taucht in der ein oder anderen Form im Vertrag knapp 120 Mal auf. Klimaneutralität bis 2040, Kohleausstieg bis 2030, Solardachpflicht für Wohngebäude - Baden-Württemberg soll weltbestes «Klimaschutzland» werden, Vorbildregion am liebsten für den ganzen Globus. Dabei setzen die Koalitionspartner nicht so sehr aufs Geld - welches man eh nicht hat - sondern auf Ordnungspolitik, auf schnellere Genehmigungsverfahren, weniger Bürokratie.

Ein Sofortprogramm soll den Bau von bis zu 1.000 neuen Windkraftanlagen auf Flächen des Landes und im Staatswald anschieben. Außerdem soll gesetzlich festgelegt werden, dass mindestens zwei Prozent der Landesfläche für Windenergieanlagen und Photovoltaik reserviert werden. Der Naturschutzbund Nabu zeigte sich «einigermaßen begeistert» von den Plänen, nennt den Haushaltsvorbehalt aber ein «Damoklesschwert».

BILDUNG - Ursprünglich wollten die Koalitionäre knapp 3.000 neue Stellen für Lehrkräfte schaffen. Pustekuchen. Wegen der leeren Kassen steht auch hier alles unter Haushaltsvorbehalt, heißt es zu Beginn auf Seite 60. Die neue grüne Kultusministerin wird daran zu knabbern haben. Sie wird zum Beispiel beantworten müssen, was mit den 1165 Stellen für die Sprachförderung passiert.

In der Präambel steht, Grüne und CDU wollten «den bereits geplanten Wegfall von Stellen» vollziehen. Im Bildungskapitel steht aber, man werde «die Maßnahmen verstetigen». Ansonsten: G8 bleibt die Regel. Die Corona-Folgen an Schulen wollen Grüne und CDU mit einem Sonderprogramm auffangen, indem sie Lernrückstände und sozial-emotionale Probleme angehen.

INNERES - Die Polizei soll «weiter personell und technisch kräftig» gestärkt werden - aber wie das finanziert werden soll, ist unklar. Der Vertrag sieht ein Schwerpunktprogramm für den Kinderschutz und gegen sexualisierte Gewalt sowie zur Bekämpfung der Cyberkriminalität vor. Außerdem geplant ist eine anonymisierte Kennzeichnungspflicht für Polizei-Einheiten in Großlagen, etwa bei Fußballspielen.

Auf Wunsch der Grünen darf man künftig straffrei mehr Cannabis mit sich herumtragen - die sogenannte «geringe Menge» soll auf zehn Gramm angehoben werden - bisher waren es nur sechs. Das Landtagswahlrecht soll zudem reformiert werden. Künftig soll es ähnlich wie im Bund im Südwesten ein Zwei-Stimmen-Wahlrecht geben. Ziel der Reform ist unter anderem, mehr Frauen ins Parlament zu bekommen. Zudem sollen Jüngere schon ab 16 Jahre wählen dürfen.

WIRTSCHAFT - Grüne und CDU wollen Baden-Württemberg verstärkt auf grüne Technologien der Umwelt- und Energietechnik ausrichten - mit einer «Green Tech Allianz», die sich an Mittelstand und Start-ups richtet. Als führendes Industrieland setze man sich das Ziel, weltweit die erste Region mit einer klimaneutralen Produktion zu werden, heißt es im Koalitionsvertrag.

Zugleich wollen Grüne und CDU den Südwesten zu einem der führenden Start-up-Hotspots in Europa machen. Das Angebot des Landes für Risikofinanzierungen soll ausgebaut werden, mit dem Ziel, vor allem kapitalintensive Wachstumsfinanzierungen zu unterstützen. Die künftige grün-schwarze Koalition in Baden-Württemberg will dafür sorgen, dass möglichst alle jungen Menschen einen Ausbildungsplatz bekommen.

GESUNDHEIT - Das Wort Corona taucht im Vertrag zwar knapp 70 Mal auf, aber der Blick richtet sich auf die Zeit nach der Pandemie: Die Strukturen im Gesundheitswesen sollen gestärkt aus der Krise hervorgehen, um für zukünftige Pandemien gewappnet zu sein. Das Land will etwa eine angemessene Notfallreserve an persönlicher Schutzausrüstung vorhalten.

Die Abhängigkeit von weltweiten Lieferketten soll reduziert werden. Die Gesundheitsämter sollen personell besser ausgestattet werden. Eine Enquete-Kommission im Landtag soll konkrete Handlungsvorschläge zum Umgang mit den Auswirkungen der Pandemie vorlegen. Pflegeberufe sollen attraktiver werden - etwa indem Pflegerinnen mehr Verantwortung erhalten.

BAUEN - Um beim Thema Bauen voranzukommen, wird in der künftigen grün-schwarzen Koalition ein eigenes Ministerium geschaffen. Das Ressort unter der Führung der CDU ist dann für Bauen, Wohnen und Raumplanung zuständig. Die neue Landesregierung will in den nächsten zehn Jahren den Anteil preisgünstiger Wohnungen konsequent erhöhen.

Dafür sollen Förderprogramme geändert werden, um auch längere Fristen mit Mietpreisbindung zu erreichen. Um den Flächenverbrauch zu reduzieren, soll verstärkt auf die Nachverdichtung gesetzt werden. Zugleich soll ökologischer gebaut und mehr Holz eingesetzt werden.

VERKEHR - Klimaschutz zieht sich auch bei den Verkehrsvorhaben durch alle Zeilen des Vertrags. Das Land bekennt sich zu günstigen Tickets, zu einem ausgebauten Radnetz und zu klimafreundlichem Autoverkehr. Kommunen sollen eine Nahverkehrsabgabe, einen sogenannten Mobilitätspass, einführen können, um den ÖPNV auszubauen und zu günstigen Preisen anbieten zu können.

Straßen, Brücken und Tunnel sollen eher saniert als aus- oder neugebaut werden, beim Straßenbau werden Projekte einem «Klimacheck» unterzogen und an Straßenrändern, Schienen, Parkplätzen und Landebahnen sollen Sonnenkollektoren stehen. Das Angebot auf der Schiene wird ausgebaut, Fahrgastzahlen sollen sich verdoppeln - nicht zuletzt auch durch die Reaktivierung von Strecken. Zudem garantiert das Land im Nahverkehr, dass alle Orte tagsüber zu erreichen sind. Grün-Schwarz will sich auch dafür einsetzen, dass die Maut bundesweit kommt. Sollte dies nicht gelingen, soll sie nur im Land eingeführt werden.

AGRAR - Die neue Landesregierung setzt vor allem auf Klimaschutz durch Windkraft zum Beispiel im Staatswald, auf Flächenerhalt und auf den Ausbau des Ökolandbaus bis zum Jahr 2030 auf 30 bis 40 Prozent, wie ihn das sogenannte Biodiversitätsstärkungsgesetz vorschreibt.

In Schlachthöfen soll der Tierschutz deutlich konsequenter überwacht und die Kommunikation mit den Ämtern verbessert werden. Das Land will die Zahl der Tiere in Tierversuchen reduzieren, einen «Hundeführerschein» für Halter vorschreiben und regionale Bioprodukte zum Beispiel in landeseigenen Kantinen und Mensen fördern. Die Lebensmittelverschwendung soll bis zum Jahr 2030 halbiert werden.

WISSENSCHAFT - Für die klammen Hochschulen setzt das Land auf eine weitere Finanzspritze nach Ende des aktuellen Finanzierungsplans im Jahr 2025. Die Hochschulen seien aber «finanziell so gut aufgestellt wie nie zuvor». Mit Blick auf die Digitalisierung sollen Erfahrungen aus der Pandemie umgesetzt werden, um das Digitale in Forschung, Lehre und Management zu verankern.

Geplant ist zudem die erste klimaneutrale Hochschule. Außerdem soll es nach den millionenschweren Innovationscampussen zur «Mobilität der Zukunft» und zum Gesundheitswesen bis zu zwei weitere solche Modelle geben.
dpa/lsw
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