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22.10.2022 | 10:36 | Bürokratieabbau 

Bundesregierung will Gesetze anwenderfreundlicher machen

Berlin - Durch mehr Online-Anwendungen, anwenderfreundlichere Gesetze und die Streichung nutzlos gewordener Paragrafen will die Bundesregierung langfristig die Kontakte zwischen Bürgern und Staat angenehmer gestalten.

Bundestag
Verständliche Gesetze, weniger Bürokratie-Dschungel, mehr Online: SPD, Grüne und FDP haben sich in Sachen Bürokratieabbau und Bürgerfreundlichkeit viel vorgenommen. Ob sie ihre selbstgesteckten Ziele erreichen hängt auch davon ab, ob alle Ministerien mitziehen. (c) proplanta
Außerdem müsse vor der Verabschiedung neuer Regeln künftig gründlicher bedacht werden, wer durch diese womöglich über Gebühr belastet werde, sagte der Benjamin Strasser (FDP), der vor vier Monaten zum Koordinator der Bundesregierung für Bessere Rechtsetzung und Bürokratieabbau berufen worden war, der Deutschen Presse-Agentur.

Als ein Beispiel nannte der Parlamentarische Staatssekretär im Bundesjustizministerium die seit 2018 geltende Verordnung zum Umgang mit personenbezogenen Daten. Strasser betonte, er sei zwar «ein großer Befürworter der Datenschutzgrundverordnung». Es stehe aber außer Frage, dass die Umsetzung der Verordnung in Deutschland insbesondere Ehrenamtliche besonders belastet habe. Als ehrenamtlicher Präsident des Dachverbands der Amateurmusik, der über Jahre in einem Chor gesungen und im Orchester gespielt habe, habe er gemerkt, dass die damalige Bundesregierung die Perspektive der Vereine «zu wenig mitgedacht» habe.

Laut Strasser soll sich der Staatssekretärsausschuss, in dem jedes einzelne Ressort seine Ziele für den Abbau von Bürokratie definieren wird, in einigen Wochen konstituieren. Geplant sei außerdem die Gründung eines Zentrums, «für praxisnahe Qualifizierung in zeitgemäßer Rechtssetzung». Das sei dringend notwendig, um Gesetze «anwenderfreundlich» zu machen. «Es muss uns schon zu denken geben, wenn selbst Experten wie Rechtsanwälte oder Steuerberater bei immer mehr Gesetzen sagen: Wir können mit den Texten nicht arbeiten, da ist mehr Unklarheit als Klarheit.»

Es könne auch nicht im Interesse des Staates sein, «es so kompliziert zu machen, dass die Menschen nicht mehr aktiv werden und unsere Gesellschaft gestalten, weil sie Angst haben, mit einem Bein im Gefängnis zu stehen», sagte Strasser. Bei Unternehmensbesuchen höre er oft, die Dokumentationspflichten zum Mindestlohn für geringfügig Beschäftigte und andere Kurzzeit-Mitarbeiter sollten vereinfacht werden. Dieser Wunsch komme insbesondere von Unternehmen, die deutlich mehr als den gesetzlichen Mindestlohn von zwölf Euro brutto pro Stunde bezahlten. Hier könne man vielleicht «weniger belastende Lösungen finden, um Umgehungen des Mindestlohns zu verhindern».

Sein Fazit laute insgesamt: «Wir brauchen weniger Regeln, die dann aber auch tatsächlich kontrolliert und durchgesetzt werden.» In der Wirtschaft kommen solche Ideen gut an, allein fehlt manchen Unternehmern der Glaube, dass die Ampel-Regierung das auch praktisch umsetzen wird. Zumal den Grünen oft nachgesagt wird, sie wollten immer alles bis ins kleinste Detail gesetzlich regeln.

«Immer mehr kumulative Bürokratie - noch dazu immer öfter strafbewehrt - erhöht das unternehmerische Risiko», klagt Hans-Toni Junius, Unternehmer und Vorsitzender des Mittelstandsausschusses des Bundesverbands der Deutschen Industrie (BDI) und der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände. Er fordert: «Papierfluten, Berichtspflichten und Prüfungen dürfen unternehmerische Ressourcen nicht mehr als wirklich nötig binden.»

Nicht akzeptabel findet es Strasser auch, «wenn ein Landwirt einen kleinen Betrieb nicht ohne einen Steuerberater führen kann, weil er den Papierkram nicht alleine bewältigen kann». Landwirte klagten häufig über aufwendige Nachweispflichten zur Düngemittelverordnung. Hausbesitzer, die eine Photovoltaik-Anlage auf ihrem Dach anbringen wollten, stöhnten oft über hohe bürokratische Anforderungen. Ein wichtiger Baustein bei der Verbesserung der Kommunikation zwischen Bürgern und Staat sei die Digitalisierung, betonte der FDP-Politiker. Hier seien auch Länder und Kommunen gefordert.

Auf die Frage, wo Deutschland hier im internationalen Vergleich stehe, antwortete Strasser: «Die Besten sind wir sicher nicht, was bessere Rechtssetzung und den Abbau von Bürokratie angeht.» In Israel sei man beispielsweise bei der Digitalisierung der Justiz «meilenweit voraus». Demnächst wolle er nach Portugal und Estland reisen, um von dortigen Erfahrungen zu profitieren. An einigen Projekten arbeite die Bundesregierung aber schon. Dazu zähle die Einführung eines zivilgerichtlichen Online-Verfahrens durch das Bundesjustizministerium. Damit sollen Bürger in die Lage versetzt werden, kleinere Geldforderungen online einzuklagen.

Strasser will zudem einige alte Zöpfe abschneiden. Ein Beispiel dafür ist aus seiner Sicht der Paragraf 134 des Strafgesetzbuches. Da heißt es: «Wer wissentlich ein dienstliches Schriftstück, das zur Bekanntmachung öffentlich angeschlagen oder ausgelegt ist, zerstört, beseitigt, verunstaltet, unkenntlich macht oder in seinem Sinn entstellt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft.» Der FDP-Politiker findet: In Zeiten, wo im Internet veröffentlich werde, könne man das Herunterreißen oder Verunstalten einer Bekanntmachung in Papierform aus einem Schaukasten wohl getrost einfach nur als Sachbeschädigung ansehen.
dpa
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