Ungarn hatte am 10. September 2010 einen entsprechenden Antrag gestellt. Diese Verlängerung wurde auf der Grundlage von Informationen gewährt, die Ungarn übermittelt hat und aus denen hervorgeht, dass im Falle der Nichtverlängerung schwere Störungen des Markts für landwirtschaftliche Flächen eintreten können. Gleichzeitig fordert die Kommission Ungarn auf, seine Bemühungen um den Abschluss der Agrarreform zu beschleunigen und insbesondere in Bezug auf andere institutionelle Faktoren (wie den Abschluss der Rückgabeprogramme) voranzukommen.
Der für Binnenmarkt und Dienstleistungen zuständige Kommissar Michel Barnier erklärte dazu: „Der heutige Beschluss beruht auf einer eingehenden Analyse aller Argumente. Wir gewähren Ungarn eine letzte Verlängerung der Übergangszeit um drei weitere Jahre, denn wir hoffen, dass Ungarn sich so weiter auf die vollständige Liberalisierung vorbereiten kann. Danach wird die ungarische Landwirtschaft voll vom EU-Binnenmarkt profitieren können.“
In seinem Antrag wies Ungarn darauf hin, dass eine Verlängerung notwendig sei, weil nach wie vor Unterschiede bei den Grundstückspreisen und den Einkommen der ungarischen Landwirte gegenüber den Mitgliedstaaten bestünden, die der EU vor 2004 beigetreten sind.
Offensichtlich wurde der ungarische Agrarsektor von der weltweiten Krise hart getroffen. Das reale landwirtschaftliche Einkommen fiel 2009 wesentlich drastischer als anderswo in der EU (um ca. 30 % gegenüber durchschnittlich ca. 12 % für die Union). Diese Situation verschärfte sich noch aufgrund der besonders schlechten Kreditbedingungen in Ungarn.
Weitere Faktoren für die Situation in Ungarn waren die nur langsamen Fortschritte bei der Konsolidierung der Eigentumsverhältnisse auf dem Agrargrundstücksmarkt sowie der seit langem andauernde und immer noch nicht abgeschlossene Prozess der Rückgabe und Privatisierung landwirtschaftlicher Flächen.
Angesichts der besonderen Situation des ungarischen Agrarmarktes ist die Kommission der Auffassung, dass tatsächlich die Gefahr schwerer Störungen des ungarischen Agrargrundstücksmarktes besteht.
Die Kommission weist Ungarn allerdings erneut auf die Vorteile hin, die eine stärkere Zuführung ausländischen Kapitals für den Agrargrundstücksmarkt hätte, sowie auf die positiven Auswirkungen ausländischer Investitionen für die Bereitstellung von Kapital und Know-how, das Funktionieren der Grundstücksmärkte und die landwirtschaftliche Produktivität [1].
Da eine Verlängerung nur einmal möglich ist, wird erwartet, dass Ungarn den verbleibenden Übergangszeitraum nun besser nutzen wird als bisher. Ungarn muss unbedingt Fortschritte in Bezug auf institutionelle Faktoren machen, die die Entwicklung der Agrarmärkte beeinflussen:
- Die Kredit- und Versicherungsmöglichkeiten für Landwirte sind zu verbessern.
- Die Rückgabeprogramme müssen abgeschlossen werden.
- Die Verfahren zur Schaffung von Rechtssicherheit in Bezug auf Eigentumsrechte müssen abgeschlossen werden.
Angesichts der letztendlich unvermeidlichen Liberalisierung des Agrarmarktes rät die Kommission Ungarn, eine schrittweise Lockerung der Beschränkungen für ausländisches Eigentum während des verbleibenden Zeitraums, in dem die Übergangsmaßnahmen gelten, in Erwägung zu ziehen.
Hintergrund:
Nach der Beitrittsakte von 2003 kann Ungarn die zum Zeitpunkt des Beitritts in seinen Rechtsvorschriften existierenden Verbote sieben Jahre lang (d. h. bis zum 30. April 2011) beibehalten. Diese Verbote gelten für den Erwerb landwirtschaftlicher Nutzflächen durch nicht in Ungarn ansässige EU-Bürger und sämtliche juristischen Personen.
Es handelt sich hier um eine befristete Einschränkung des freien Kapitalverkehrs, der durch die Artikel 63 bis 66 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union gewährleistet wird. Hauptgrund für die Einführung dieses Übergangszeitraums in Ungarn nach seinem Beitritt war die Notwendigkeit, die sozioökonomischen Bedingungen für die Ausübung landwirtschaftlicher Tätigkeiten nach Einführung des Binnenmarkts und dem Übergang zur Gemeinsamen Agrarpolitik zu erhalten.
In der Beitrittsakte von 2003 ist auch vorgesehen, dass die Kommission auf Antrag Ungarns eine Verlängerung des Übergangszeitraums um bis zu drei Jahre gewähren kann, wenn ausreichend nachgewiesen wird, dass nach Ablauf des Übergangszeitraums schwere Störungen des Markts für landwirtschaftliche Flächen eintreten werden. Weitere Verlängerungen sind nicht zulässig.
Der Beschluss der Kommission vom 20. Dezember 2010 zur Verlängerung des Übergangszeitraums für den Erwerb landwirtschaftlicher Flächen in Ungarn tritt am 20. Tag nach seiner Veröffentlichung im Amtsblatt der Europäischen Union in Kraft. (EU)
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[1] Dies wurde bereits in der Zwischenüberprüfung der Übergangsmaßnahmen betont, die die Kommission dem Rat 2008 vorlegte (KOM(2008)461 endg. vom 16. Juli 2008).