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25.06.2023 | 11:17 | Naturwiederherstellungsgesetz 

EU-Umweltminister unterstützen den Kommissionsvorschlag zum Nature Restoration Law

Luxemburg / Brüssel - Das Naturwiederherstellungsgesetz (NRL) ist noch nicht vom Tisch. Anders als Teile des Europaparlaments wollen die EU-Mitgliedstaaten mehrheitlich weiter an dem Vorschlag der Brüsseler Kommission arbeiten.

Naturwiederherstellungsgesetz
NRL: Bundesumweltministerin Lemke unterstreicht Bedeutung des Vorhabens. (c) proplanta
Die federführenden Umweltminister haben sich am Dienstag (20.6.) in Luxemburg auf eine gemeinsame Verhandlungsposition verständigt. Sollte das EU-Parlament Mitte Juli ebenfalls für ein Verhandlungsmandat zu dem NRL-Vorschlag stimmen, könnten unmittelbar danach die Trilog-Gespräche mit der Kommission beginnen. Bekanntlich versucht die Europäische Volkspartei (EVP) zurzeit allerdings eine Mehrheit für die Zurückweisung des Verordnungsentwurfs zu organisieren.

Der Umweltrat einigte sich darauf, bis 2030 mindestens 30 % der Lebensräume in Land-, Küsten-, Süßwasser- und Meeresökosystemen, die sich nicht in einem guten Zustand befinden, in eben diesen zu überführen. Dies soll sich gemäß den Ratsschlussfolgerungen aber auf die Gesamtfläche der Lebensraumtypen, die sich in keinem guten Zustand befinden, beziehen und nicht auf „einzelne Lebensraumgruppen“, wie von der Kommission vorgeschlagen. Darüber hinaus wollen die EU-Länder, dass bis 2040 Wiederherstellungsmaßnahmen auf wenigstens 60 % der Lebensraumflächen stattfinden. Zehn Jahre später, also 2050, sollen sich mindestens 90 % der Areale jeder Lebensraumgruppe wieder in einem guten Zustand befinden.

Moorschutz abgeschwächt

Für die Landwirtschaft ist vor allem die Forderung nach einer Moorwiedervernässung von Brisanz. Der Umweltrat will hier die Zielvorgaben der Kommission aufweichen. Damit tragen die Umweltressortchefs der Tatsache Rechnung, dass einige Mitgliedstaaten, darunter auch Deutschland, von diesen Verpflichtungen „unverhältnismäßig stark“ betroffen wären. Der Rat legte in seinem Verhandlungsstandpunkt fest, dass 30 % der entwässerten, landwirtschaftlich genutzten Moore bis 2030 wiederhergestellt werden.

bis 2050 soll es die Hälfte sein. Für Mitgliedstaaten, die stark betroffen sind, sollen gegebenenfalls auch niedrigere Prozentsätze gelten. Bekanntlich fordert die Kommission ebenfalls, dass bis Ende dieses Jahrzehnts 30 % der entwässerten Torfgebiete, die aktuell landwirtschaftlich genutzt werden, wiederhergestellt werden. Bis zur Mitte dieses Jahrhunderts sollen es den Brüsseler Beamten zufolge allerdings 70 % sein. Dies gilt allerdings nicht für jeden Mitgliedstaat, sondern betrifft die Gesamtfläche der EU.

Für Landschaftselemente mit großer Vielfalt in landwirtschaftlichen Ökosystemen wie Hecken, Baumreihen, Beete, Gräben, Teiche oder Obstbäume fügte der Rat die Möglichkeit hinzu, Maßnahmen auf diejenigen Elemente zu konzentrieren, die für die Erhaltung der biologischen Vielfalt besonders notwendig sind. Zudem soll es mehr Flexibilität bei den Indikatoren zur Überwachung der Waldökosysteme geben.

Niederlande dagegen

Angenommen wurde der Beschluss des Rates mit der notwendigen qualifizierten Mehrheit. Dagegen stimmten fünf Mitgliedstaaten, darunter Polen, die Niederlande, Finnland und Schweden. Österreich und Belgien enthielten sich. Klar für das NRL hat sich die deutsche Delegation in Luxemburg ausgesprochen. Bundesumweltministerin Steffi Lemke konstatierte, dass eine intakte Natur das Netz sei, „das uns alle trägt“.

Mit der ambitionierten Verordnung der Kommission zur Wiederherstellung der Natur könne man jetzt die Weichen neu stellen. „Es ist enorm wichtig, dass der Umweltrat heute mit einem klaren positiven Votum dafür gesorgt hat, dass dieses so bedeutende Dossier nun Rückenwind für die weiteren Verhandlungen des Europäischen Parlaments gibt“, erklärte die Grünen-Politikerin. Der Umweltrat habe mit seinem Votum ein deutliches Signal zur Wiederherstellung der Natur gegeben.

Substanzloser Vorschlag

Unterdessen stellte die EVP klar, an einer Zurückweisung des Kommissionsvorschlags für das Naturwiederherstellungsgesetz festhalten zu wollen. Daran ändert nach Ansicht des umweltpolitischen Sprechers der EVP-Fraktion im Europaparlament, Dr. Peter Liese, auch das Votum der Umweltminister nichts. Liese plädierte für einen neuen Vorschlag der Brüsseler Behörde. Dem aktuellen Vorschlag fehle es an Substanz.

„Diese Umweltpolitik mit der Brechstange darf und wird auf Dauer keinen Erfolg haben“, zeigte sich Liese überzeugt. Der CDU-Politiker wies darauf hin, dass der Text im Rat gegen das Votum vieler Mitgliedstaaten angenommen worden sei. Die schwedische Präsidentschaft habe „offensichtlich unter Druck“ gestanden, Schlussfolgerungen des Rates vorzulegen; sie selbst habe aber diesen nicht zugestimmt. Die Schattenberichterstatterin der EVP-Fraktion für das Gesetz zur Wiederherstellung der Natur, Christine Schneider, kündigte ebenfalls an, man werde gemeinsam „mit großen Teilen der Liberalen den Widerstand fortsetzen“.

Sie wertete es als „beeindruckend“, dass auch Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann gegen den Kommissionsvorschlag sei. „Ich glaube, dass wir spätestens im Plenum des Europäischen Parlaments eine Mehrheit haben werden, den Vorschlag abzulehnen“, sagte die CDU-Europaabgeordnete.

COPA und COGECA bestürzt

„Bestürzt“ zeigte sich der landwirtschaftliche Berufsstand über das Votum des EU-Umweltrats. Jetzt bleibe nichts anderes übrig, als darauf zu setzen, dass das Europaparlament bei seiner Sitzung Mitte Juli das Vorhaben an die Brüsseler Behörde zurückweise, so die EU-Ausschüsse der Bauernverbände (COPA) und ländlichen Genossenschaften (COGECA).

Die Dachverbände beklagten, dass „massiver Druck“ auf die schwedische Ratspräsidentschaft ausgeübt worden sei. Den Zeitplan der Kommission, noch vor den EU-Wahlen in einem Jahr den Gesetzgebungsprozess für das NRL abzuschließen, lehnen COPA und COGECA ab. In seiner jetzigen Form müsse der Vorschlag an die Kommission zurückgeschickt werden. Brüssel müsse eine neue Folgenabschätzung vornehmen und eine realistischere sowie vernünftigere Zielsetzung festlegen.

NABU sieht „starkes Signal“

Der Präsident des Naturschutzbundes Deutschland (NABU), Jörg-Andreas Krüger, wertete das Votum der Mitgliedstaaten hingegen als ein „starkes Signal an das bisher zerstrittene Europäische Parlament“. Er forderte von den Europaabgeordneten, sich nicht von ihren Regierungen ökologisch überholen zu lassen. „Vielmehr sollten sie dem erheblich verwässerten Gesetzesvorschlag zu alter Stärke verhelfen, um die Wiederherstellung unserer Wälder, Moore und Meere endlich auf den Weg zu bringen“.

Tobias Arbinger, Referent für Naturschutzpolitik beim World Wide Fund for Nature (WWF) Deutschland, sprach von einer wegweisenden Entscheidung der Umweltminister. Gleichzeitig kritisierte er die konservativen Mitglieder des Parlaments. Diese versuchten seit Wochen, den Gesetzentwurf zu Fall zu bringen und schreckten mitunter auch nicht vor Falschaussagen zurück. Leider sei die allgemeine Ausrichtung im Umweltrat mit Abschwächungen zu Lasten der Natur und des natürlichen Klimaschutzes einhergegangen.

Der „Flut von Fehlinformationen“ widerstanden

Sergiy Moroz, Policy Manager für Wasser und Biodiversität beim Europäischen Umweltbüro (EEB), begrüßte erwartungsgemäß das Votum des Umweltrats. Die überwiegende Mehrheit der Minister habe trotz der „Flut von Fehlinformationen“, die von konservativen Politikern und der Landwirtschafts- und Fischereilobby verbreitet worden seien, Kurs gehalten. Moroz appellierte an den spanischen Ratsvorsitz, eine weitere Verwässerung zu verhindern und sich stattdessen darauf zu konzentrieren, die Verordnung zu stärken. Laut dem EEB-Vertreter fordern schließlich zahlreiche Bürger, Wissenschaftler und Organisationen der Zivilgesellschaft sowie eine Vielzahl von Unternehmen die Verabschiedung des NRL.
AgE
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