Die Wirtschaft pocht auf Steuerentlastungen. Banken hoffen auf nicht zu strenge Regeln bei Boni und Eigenkapital. Aber es gibt auch deutliche Warnungen: Die Gewerkschaften verlangen, dass es nicht zu einem Kahlschlag bei Jobs und Änderungen beim Kündigungsschutz kommt. Umweltschützer bangen um den
Klimaschutz und fürchten ein Comeback der Atomkraft.
Wirtschaft: Der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK) fordert ein 100-Tage-Sofortprogramm gegen die Krise. Top-Themen seien Kredite für Unternehmen sowie Reformen der Erbschaft- und Unternehmensteuer. In Betrieben mit weniger als 20 Beschäftigten sollte der Kündigungsschutz aufgehoben werden. Der Städte- und Gemeindebund warb in der «Leipziger Volkszeitung» für ein Sofortprogramm für notleidende Kommunen, um die explodierenden Unterkunftskosten für Hartz-IV-Empfänger aufzufangen.
Der Präsident des Verbands der Familienunternehmer ASU, Patrick Adenauer, sagte, in der Steuerpolitik müsse die «kalte Progression» (Lohnsteigerungen werden durch höhere Steuern aufgefressen) beseitigt werden. Arbeitgeberpräsident Dieter Hundt verlangte im «Hamburger Abendblatt» eine Senkung von Steuern und Abgaben.
Die IT- und Telekombranche rät CDU-Kanzlerin Angela Merkel und FDP-Chef Guido Westerwelle zu einem neuen Innovationsministerium. «Der Zuspruch für die Piratenpartei zeigt, dass die Internetpolitik der alten Bundesregierung Lücken hat», sagte Bitkom-Präsident August- Wilhelm Scheer. Der Einzelhandelsverband HDE lehnte eine weitere Portemonnaie für den privaten Konsum.
Banken/Versicherungen:
Die Versicherungen appellierten an Union und FDP, neben der Stabilisierung der Finanzmärkte die Grundlagen für mehr Wachstum zu schaffen. «Die Menschen brauchen finanziellen Spielraum, um privat vorsorgen zu können.» Nach Ansicht des Bundesverbandes der Deutschen Volksbanken- und Raiffeisenbanken (BVR) muss Schwarz-Gelb den Faden der Agenda 2010 wieder aufnehmen und den Arbeitsmarkt reformieren. Auch müsse das strukturelle Defizit des Bundeshaushalts bis zum Jahr 2016 beseitigt werden.
Gewerkschaften: Die Dienstleistungsgewerkschaft Verdi kündigte an, dass der Kampf für einen gesetzlichen Mindestlohn fortgesetzt wird. «Eine schwarz- gelbe Regierung wird die sozialen Fragen nicht einfach wegwischen können. Dies gilt gerade für den Mindestlohn. Wer die sozialen Probleme ignoriert wird, diese Gesellschaft sozial spalten.» DGB-Chef Michael Sommer warnte vor einem «sozialen Eissturm». Die Arbeitslosen- Initiative «Erwerbslosen Forum» fürchtet, dass die sozialen Sicherungssysteme auf der Kippe stehen. AWO-Chef Rainer Brückers wies auf die prekäre Situation vieler Familien und Kinder hin: «Lohnarmut führt zu Kinderarmut und mündet in Altersarmut.»
Umweltschützer:
Die Deutsche Umwelthilfe fürchtet, dass der Atomausstieg auf der Kippe steht. Die Förderung der erneuerbaren Energien dürfe nicht gekürzt werden. «Wenn diese Koalition den Weg der Ökologie und neuen Energiepolitik nicht konsequent weitergeht, dann wird sie einen der wenigen industriellen Hoffnungsträger dieses Landes abwürgen», betonte die Umwelthilfe.
Der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (
BUND) hält das Wahlergebnis nicht für ein Votum zugunsten längerer Atom-Laufzeiten. «Die kommende schwarz-gelbe Regierung muss sich gut überlegen, ob sie die Gesellschaft mit einem Ausstieg aus dem Atomausstieg spalten oder ob sie Klimaschutz und erneuerbare Energien voranbringen will», sagte BUND-Vorsitzender Hubert Weiger.
Bauern: Bauernverbandspräsident Gerd
Sonnleitner erwartet von Union und FDP eine starke Agrarpolitik: «Die extrem schwierige Situation der Milchbauern, aber auch der Ackerbaubetriebe sowie der Obst- und Gemüsebaubetriebe macht Hilfeleistungen und politische Weichenstellungen auf europäischer Ebene dringend erforderlich.» Auch müssten die Bauern bei Steuern und Abgaben entlastet werden.
Gesundheit: Die Pharmabranche warnt, Mittelständler stünden vor einem ruinösen Preiskampf. Forschung sollte steuerlich gefördert werden, erklärte der Bundesverband der pharmazeutischen Industrie (BPI). Die Ärzteverbände setzen auf eine Stärkung der Mediziner-Position. Der Präsident der Bundesärztekammer, Jörg-Dietrich Hoppe: «Die Ärztinnen und Ärzte hoffen, dass mit der künftigen Regierung endlich eine neue Vertrauenskultur im Gesundheitswesen begründet wird.» A
uch die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) ist zuversichtlich: «Wir brauchen nun endlich eine nachhaltige Gesundheitsreform, die mehr leistet als eine reine Kostendiskussion», sagte der Vorstand der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV), Carl-Heinz Müller. (dpa)