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11.09.2023 | 00:09 | Klimawandel und Armut 

G20-Gipfel ohne Durchbruch und dennoch bedeutend

Neu Delhi - Mit einem mühsam errungenen Kompromiss zum Ukraine-Krieg hat die Gruppe führender Industrie- und Schwellenländer ein Scheitern des G20-Gipfels in Indien verhindert.

Neues Miteinander von Nord und Süd
Die Ergebnisse des G20-Gipfels wecken wenig Hoffnung, im Kampf gegen Klimawandel und Hunger spürbar voranzukommen. Und doch haben die Staats- und Regierungschefs in Indien Schlimmeres verhindert. (c) Edyta Pawlowska - fotolia.com
Die Staats- und Regierungschefs demonstrierten am Wochenende in Neu Delhi den Willen, weiter gemeinsam Lösungen für Menschheitsprobleme wie Klimawandel und Armut zu suchen - auch wenn die Ergebnisse diesmal dürftig blieben.

Die Ukraine zeigte sich verärgert, weil der russische Angriffskrieg in der Abschlusserklärung nicht explizit verurteilt wird. Das verhinderte Russland mit Unterstützung von China. Der Westen sieht in dem Text dennoch klare Kritik an Russland - auch Moskau lobte allerdings das Ergebnis und reklamierte es als Erfolg für sich.

Wegen des Streit war zwischenzeitlich unklar, ob überhaupt eine gemeinsame Gipfelerklärung zustande kommt oder der Gipfel scheitert. Belastet wurde das Treffen auch durch die Absage des chinesischen Staatschefs Xi Jinping, der sich von Ministerpräsident Li Qiang vertreten lies - für Gastgeber Indien ein Stoß vor den Kopf.

Der indische Premierminister Narendra Modi hatte den Gipfel unter das Motto gestellt: «One Earth, one Family, one Future» (deutsch: «Eine Erde, eine Familie, eine Zukunft») und sich selbst zum Anwalt der ärmeren Staaten in der Welt - des sogenannten globalen Südens - ernannt.

Der sichtbarste Erfolg seiner Strategie war die Aufnahme der Afrikanischen Union (AU) gleich zu Gipfelbeginn als vollwertiges Mitglied der G20. Die AU vertritt die Interessen von rund 1,3 Milliarden Menschen.

Brasilien, das nun von Dezember an für ein Jahr die G20-Präsidentschaft übernimmt, will den Kampf gegen Hunger und Ungleichheit ins Zentrum seiner Arbeit im nächsten Jahr stellen, wie Präsident Luiz Inácio Lula da Silva sagte.

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) lobte den Geist des Treffens: «Ein neues Miteinander von Nord und Süd, das ist hier beim G20-Gipfel in Neu-Delhi gelungen.» Für US-Präsident Joe Biden bewies der Gipfel, dass auch in wirtschaftlich schwierigen Zeiten «die G20 in der Lage sind, nach Lösungen für unsere drängendsten Probleme» zu suchen.

Anders als beim Gipfel im Vorjahr auf Bali in Indonesien konnte der russische Angriffskrieg nun nicht mehr explizit von einer Mehrheit der Länder verurteilt werden. Stattdessen verweist die Abschlusserklärung auf entsprechende Resolutionen der Vereinten Nationen - und allgemein auf die territoriale Integrität, also die Unverletzlichkeit von Grenzen.

Dennoch würdigte Scholz die Passage: Es seien Entscheidungen getroffen worden, bei denen «Russland akzeptieren musste, dass die Weltgemeinschaft die gewalttätigen Prinzipien russischer Politik nicht richtig findet». Biden sagte, es habe unter den Anwesenden ausreichende Zustimmung gegeben, dass ein gerechter und dauerhafter Frieden notwendig sei.

Über eine mögliche Teilnahme des russischen Präsidenten Wladimir Putin am nächsten G20-Gipfel 2024 in Brasilien wollte Scholz nicht spekulieren. Lula da Silva hatte zuvor gesagt: «Wenn ich Präsident bin und er nach Brasilien kommt, dann wird er auf keinen Fall verhaftet.» Der Internationale Strafgerichtshof hat einen Haftbefehl gegen Putin wegen mutmaßlicher Kriegsverbrechen in der Ukraine erlassen.

Russlands Außenminister Sergej Lawrow, der Putin in Neu Delhi vertrat, war sehr zufrieden mit den Ergebnissen. Der Westen verliere heute seine «Vormachtstellung» in der Welt und eine multipolare Weltordnung gewinne an Gewicht, sagte er. «Der Westen kann kein Hegemon bleiben, wenn man in Betracht zieht, dass objektiv neue globale Zentren entstehen und an Stärke gewinnen.» Es sei dank der Geschlossenheit des «globalen Südens» gelungen, eine «Ukrainisierung» des Gipfels zu verhindern

In der Ukraine war der Ärger über die Gipfelerklärung groß. Auf Bali hatte der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj noch per Video zum Gipfel gesprochen, das blieb ihm dieses Mal verwehrt. Mychajlo Podoljak, Berater im Präsidentenbüro, warf Lawrow vor, beim Gipfel Kriegspropaganda verbreitet zu haben. Es brauche mehr internationale Haftbefehle wegen Kriegsverbrechen wie gegen Putin, um Auftritte von «Subjekten wie Lawrow» zu verhindern.

Frankreichs Präsident Emmanuel Macron sagte angesprochen auf die ukrainische Kritik, man dürfe nicht den Rest der Agenda blockieren. Die G20 sei vor allem dazu da, über Wirtschafts-, Finanz- und Klimafragen zu sprechen.

Klimaschützer beklagten eine «absurd große» Lücke zwischen den Versprechen der G20-Nationen und ihrem tatsächlichen Engagement im Kampf gegen die Erderhitzung. Insbesondere Russland und Saudi-Arabien hätten bei dem Gipfel in Neu Delhi verhindert, dass in der finalen Erklärung ein Ausstieg auch aus Öl und Gas angekündigt wurde, bilanzierte zum Beispiel Christoph Bals von Germanwatch.

Angesichts der Gefahren durch Künstliche Intelligenz (KI) schlug EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen die Einrichtung eines neuen globalen Beratungsgremiums vor. Ein Organ, das dem Weltklimarat (IPCC) ähnele, könnte sich mit den gesellschaftlichen Risiken, aber auch mit den möglichen Vorteilen der Technologie beschäftigen.

Auch ein Konfliktpunkt in Neu Delhi war, ob der G20-Gipfel im Jahr 2026 in den USA oder anderswo ausgerichtet werden soll. Die USA setzten sich dabei nach Angaben von Diplomaten gegen China durch. Nach Brasilien im kommenden Jahr ist 2025 Südafrika an der Reihe.
dpa
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