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11.06.2023 | 11:54 | Ukrainisches Getreide 

Getreideabkommen: Chancen auf Verlängerung deutlich schlechter

Kiew / Moskau - Nach der Sprengung der Pipeline Togliatti-Odessa, durch die in Russland produziertes Ammoniak zum Hafen von Odessa zur Weiterverschiffung geleitet wurde, steht das Getreideabkommen zwischen Russland und der Ukraine zunehmend auf der Kippe.

Getreideabkommen
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Die Wiederinbetriebnahme der Pipeline war nämlich eine wichtige Forderung Moskaus als Gegenleistung für die Übereinkunft mit der Ukraine. Diese wurde zuletzt bis zum 17. Juli 2023 verlängert. Russland kündigte unterdessen an, die Zahl der Schiffe mit Destination Pivdennyi-Seehafen zu beschränken. Allerdings wurde von dort nach Daten der Vereinten Nationen (UN) seit dem 16. Mai 2023 kein Getreide mehr verschifft.

Vor diesem Hintergrund dürften sich die Chancen für fortgesetzte Lieferungen von Agrarprodukten über den Schwarzmeer-Korridor weiter verdüstert haben. Die Ammoniakpipeline wurde nach Angaben des russischen Verteidigungsministeriums vom Mittwoch (7.6.) zwei Tage zuvor gesprengt. Der betroffene Pipelineabschnitt befinde sich in der Nähe des Dorfes Masiutivka in der ostukrainischen Provinz Charkiw. Das Ministerium schreibt die Sprengung ukrainischen Saboteuren zu.

Derweil berichtete der Charkiwer Provinzgouverneur, dass russische Truppen die Pipeline mehrmals bombardiert hätten. Die Pipeline ist mit einer Länge von 2 470 km die längste Ammoniakpipeline der Welt. Allerdings ist die Anlage seit dem Einmarsch Russlands in die Ukraine im Februar 2022 nicht mehr betrieben worden. Zuvor wurden jährlich schätzungsweise 2,5 Mio.t Ammoniak über die Fernleitung zu insgesamt drei Schwarzmeerhäfen für den internationalen Export transportiert. Der Wichtigste war hierbei der bei Odessa gelegene Pivdennyi-Seehafen gewesen.

Russische Agrarexporte „indirekt behindert“

Der ständige Vertreter Russlands bei der UN, Vasiliy Nebenzya, erklärte am Montag (5.6.) laut der russischen Nachrichtenagentur „Tass“, dass der Export russischer Nahrungsmittel und Dünger im Gegensatz zu Behauptungen der EU und der USA indirekt behindert werde, und zwar unter anderem mit erschwerten Frachtversicherungen, Banktransaktionen und Möglichkeiten für die Instandhaltung von Landmaschinen.

Das Moskauer Außenministerium hatte zuvor mehrmals vergeblich gefordert, die Russische Landwirtschaftsbank wieder an das Interbankenzahlungssystem SWIFT anzuschließen und die Ammoniakpipeline Togliatti-Odessa wieder in Betrieb zu nehmen. Außerdem kritisierte es, dass die Ukraine bislang vorwiegend reiche und entwickelte Länder über den Schwarzmeerkorridor beliefert habe. Nur 2,5 % des betreffenden Volumens seien in den vom Welternährungsprogramm (WFP) der UN unterstützten afrikanischen Ländern angekommen.

Bald Wüsten im Süden?

Unterdessen dürfte die Zerstörung des Kachowka-Staudamms erhebliche Folgen für die ukrainische Landwirtschaft und Fischerei haben. Das Kiewer Agrarressort befürchtete in einer am Mittwoch (7.6.) veröffentlichten ersten Bestandsaufnahme, dass durch die Sprengung am Tag zuvor die Versorgung von 31 Bewässerungssystemen der Felder in den Regionen Dnipropetrowsk, Cherson und Saporischschja unterbrochen wurde.

Die davon betroffene Fläche bezifferten die Kiewer Beamten auf 584.000 ha, von denen 2021 insgesamt rund 4 Mio. t Getreide und Ölsaaten im Wert von etwa 1,5 Mrd. $ (1,4 Mrd. Euro) geerntet worden seien. Im kommenden Jahr könnten sich die Felder im Süden der Ukraine in Wüsten verwandeln, hieß es. Außerdem ist nach vorläufigen Schätzungen des Ministeriums unter anderem mit der Überflutung von rund 10.000 ha landwirtschaftlicher Nutzfläche am rechten Ufer der Region Cherson zu rechnen. Auch am linken Ufer dürften bald mehrere Tausend Hektar unter Wasser stehen.

Süßwasser schadet

Dem Kiewer Agrarressort zufolge wird auch die Fischerei leiden. Die Beamten veranschlagen die voraussichtlichen Verluste auf 95.000 t Fisch im Wert von umgerechnet gut 100 Mio. Euro. Schon jetzt werde ein Fischsterben registriert. Die Laichzeit sei gerade beendet und infolge des sinkenden Wasserspiegels werde der Kaviar in den Flachwassergebieten austrocknen. Durch den massiven Zustrom von Süßwasser sei auch die Fauna des Schwarzen Meeres gefährdet. Der Schaden durch das Sterben aller biologischen Ressourcen wird vorläufig auf insgesamt rund 270 Mio. Euro taxiert.

Russland und die Ukraine werfen sich gegenseitig vor, den Kachowka-Staudamm zerstört und damit die Überschwemmung des Umlandes ausgelöst zu haben. Der Staudamm wird seit Beginn des Krieges Ende Februar 2022 von Russland kontrolliert. Das EU-Koordinierungszentrum für Notfallmaßnahmen sagte indes zu, nach Bedarf weitere Hilfe für die Ukraine zu koordinieren. Gleichzeitig stimme sich das EU-Büro für humanitäre Hilfe in der Ukraine mit seinen Partnern ab, um rasch auf die Bedürfnisse der von den Überschwemmungen betroffenen Menschen zu reagieren.

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AgE
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