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14.01.2018 | 14:03 | Koalitionsverhandlungen 
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GroKo-Sondierung: Gutes Ergebnis für die Landwirtschaft?

Berlin - Mehr Geld für Landwirtschaft und ländliche Räume, ein Bekenntnis zu einer finanziell starken EU-Agrarpolitik und ihrer bisherigen Förderstruktur, der Aufbau eines mehrstufigen staatlichen Tierwohllabels sowie die Erarbeitung und Umsetzung einer Ackerbaustrategie - das sind aus landwirtschaftlicher Sicht die Kernpunkte des Sondierungspapiers, auf das sich CDU, CSU und SPD am vergangenen Freitagmorgen geeinigt haben.

Agrarpolitik CDU, CSU und SPD
1,5 Milliarden Euro zusätzlich für Landwirtschaft und ländliche Räume. (c) proplanta
Bundeslandwirtschaftsminister Christian Schmidt zeigte sich nach dem Verhandlungsmarathon zufrieden: „Wir haben ein gutes Ergebnis für die Landwirtschaft erzielt, auf dem wir in den Koalitionsverhandlungen aufbauen werden“, erklärte der CSU-Politiker gegenüber Journalisten in Berlin. Man habe sich darauf verständigt, Anreize für Investitionen in die Zukunft der Landwirtschaft zu schaffen. Tierwohl stehe dabei für ihn „weit oben auf der Agenda“.

Ein beträchtlicher Teil der für die kommenden vier Jahre zugesagten zusätzlichen 1,5 Mrd. Euro werde in diesen Bereich fließen. Positiv fiel auch das Fazit der SPD aus. Die Bundestagsabgeordnete Rita Hagl-Kehl verwies auf die Handschrift ihrer Partei, die sich in dem Ergebnis niederschlage. Sie nannte ein angestrebtes Verbot der Anwendung von glyphosathaltigen Pflanzenschutzmitteln, ein Verbot des Gentechnikanbaus sowie die Einführung eines staatlichen und verbindlichen Tierwohllabels.

Der Deutsche Bauernverband (DBV) und der Deutsche Raiffeisenverband (DRV) begrüßten die europapolitischen Aussagen der möglichen künftigen Koalitionspartner. Sie bemängelten zugleich, dass die agrarpolitischen Vereinbarungen vage seien und einer Konkretisierung in künftigen Koalitionsverhandlungen bedürften. Als nicht ambitioniert kritisierten Umweltverbände die Sondierungsergebnisse. Scharfe Kritik kam von den Grünen.

Anreize für Stallumbauten

Wie aus dem Ergebnispaper der Sondierungsgespräche hervorgeht, sollen in den nächsten vier Jahren zusätzlich 1,5 Mrd. Euro für Landwirtschaft und ländliche Räume bereitgestellt werden. Schmidt nannte als ein Beispiel im Bereich Tierwohl die Investitionsförderung der Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes“ (GAK). Hier werde man Anreize für Stallumbauten geben.

Einen Teil der Mittel werde man dazu verwenden, Agrarumweltziele zu erreichen. „Wir wollen beispielsweise Maßnahmen zur Umsetzung der nationalen Biodiversitätsstrategie sowie zur Verbesserung des Insektenschutzes fördern“, sagte der CSU-Politiker. Schließlich werde man auch die Förderung der ländlichen Entwicklung aufstocken. Da zudem die Mittel für die regionale Strukturpolitik sowie für kommunale Förderprogramme erhöht werden sollen, seien in diesem Bereich Synergieeffekte zu erwarten, „die wir nutzen werden“. Schmidt räumte ein, dass er sich auch eine deutlich höhere Summe als die nun vereinbarten 1,5 Mrd. Euro hätte vorstellen können.

Im Laufe der Verhandlungen war die Rede von 5 Mrd. Euro gewesen, die für die Landwirtschaft aufgebracht werden sollten. Allerdings wurden in der „Nacht der langen Messer“ auch zahlreiche Ausgabenwünsche aus anderen Politikbereichen zurechtgestutzt, nachdem die Ansprüche den finanziellen Spielraum deutlich überstiegen hatten.

Weniger Bürokratie und mehr Effizienz

In ihrem Papier bekennen sich Union und SPD zu einer Weiterentwicklung der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) und einer Fortschreibung des bisherigen Finanzvolumens. Die Förderstrukturen sollen nach ihren Vorstellungen „gezielter und einfacher“ als bisher ausgerichtet werden. Man wolle „weniger Bürokratie und mehr Effizienz für eine marktfähige Landwirtschaft.

Ausdrücklich wird betont, dass der gesellschaftliche Wandel in der Landwirtschaft und die veränderten Erwartungen der Verbraucher einer finanziellen Förderung bedürften, und zwar national und europäisch. „Wir wollen an der bisherigen Förderstruktur in der GAP grundsätzlich festzuhalten und für weniger Bürokratie und mehr Effizienz eintreten“, erläuterte Schmidt. Die Direktzahlungen sind für eine marktfähige Landwirtschaft weiterhin unverzichtbar. Über Details der künftigen Gestaltung werde man in den Koalitionsverhandlungen sprechen.

Verbindliche Kriterien für Fleisch aus besonderer Haltung

Vorangetrieben werden soll der mehrstufige Ausbau einer staatlichen Kennzeichnung von tierischen Lebensmitteln. Dazu dienen sollen „verbindliche Kriterien für Fleisch aus besserer Haltung“. Ziel ist es, die Erkennbarkeit von tierischen Lebensmitteln, die über die gesetzlichen Vorgaben der Haltung hinausgehen, „verlässlich, einfach und verbraucherfreundlich“ zu gestalten. Ob das auf die vieldiskutierte „Haltungskennzeichnung“ nach dem Vorbild der Eier hinausläuft, bleibt abzuwarten.

In jedem Fall soll der Mehraufwand, der mit einem Label für die Erzeuger verbunden ist, honoriert werden. Schmidt betonte, eine mögliche große Koalition werde auf dem von ihm initiierten Tierwohllabel aufbauen. Man wolle auf diese Weise dem Wunsch der Verbraucher nach einer verständlichen Haltungskennzeichnung nachkommen. Schließlich wollen die möglichen Koalitionäre Lücken in den Haltungsnormen im Tierschutzrecht schließen. Festhalten will man an einer nationalen Nutztierstrategie, „die den Tier- und Umweltschutz genauso beachtet wie Qualität bei der Produktion und Marktorientierung“.

Glyphosatausstieg als Ziel

Den Einsatz von glyphosathaltigen Pflanzenschutzmitteln wollen Union und SPD „deutlich einschränken“ und die Anwendung „so schnell wie möglich beenden“. „Wir werden die Entwicklung von praxistauglichen Alternativen für den Einsatz von Glyphosat in der Landwirtschaft unterstützen“, kündigte Schmidt an. Für den privaten Bereich wolle man Glyphosat nicht mehr zulassen. Erarbeitet werden sollen eine systematische Minderungsstrategie sowie eine „Ackerbaustrategie“, die gemeinsam mit der Landwirtschaft umgesetzt und adäquat mit Fördermitteln ausgestattet werden soll.

Gefördert werden sollen Maßnahmen zur Umsetzung der Nationalen Biodiversitätsstrategie „und insbesondere des Insektenschutzes“. Im Rahmen der Ackerbaustrategie sollen zudem „natur- und umweltverträgliche Anwendungen von Pflanzenschutzmitteln“ geregelt werden. Ein Gentechnikanbauverbot wollen Union und SPD bundesweit einheitlich regeln, nachdem sie sich zuletzt noch auf eine Umsetzung der Brüsseler Opt-out-Richtlinie hatten einigen können. Festgehalten werden soll im Hinblick auf gentechnisch veränderte Organismen an der Saatgutreinheit.

Kommission Gleichwertige Lebensverhältnisse

Betont wird in dem Sondierungspapier das Ziel gleichwertiger Lebensverhältnisse in ganz Deutschland. Man werde Strukturschwächen im ländlichen Raum bekämpfen, um gleichwertige Lebensverhältnisse zu schaffen, heißt es darin. Ausdrücklich genannt werden in diesem Zusammenhang „Dezentralisierungsstrategien“. Die möglichen Koalitionspartner wollen eine „Kommission Gleichwertige Lebensverhältnisse“ einrichten, die konkrete Vorschläge erarbeiten soll.

Unterstützt und gestärkt werden sollen das ehrenamtliche und bürgerschaftliche Engagement. Ausdrücklich genannt wird in dem Papier die Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur“ (GRW). Sie soll „weiterhin auch und gerade“ auf die wirtschaftlichen Strukturprobleme ländlicher und städtischer Räume abzielen.

Bis 2025 wollen Union und SPD den flächendeckenden Ausbau mit Gigabit-Netzen erreichen. Dabei sollen künftig nur die Ausbauschritte förderfähig sein, die mit Glasfasertechnologie ausgebaut werden. Der Finanzierungsbedarf der öffentlichen Hand wird auf 10 Mrd. Euro bis 12 Mrd. Euro in dieser Legislaturperiode veranschlagt. Zur Deckung will man die Erlöse aus der Vergabe der UMTS- und 5G-Lizenzen zweckgebunden bereitstellen. Einen Schwerpunkt ihrer Politik will eine mögliche große Koalition auf die Verbesserung der Mobilität legen. Dabei will man den gesellschaftlichen Herausforderungen wie „dem demografischen Wandel, Urbanisierung, Anbindung ländlicher Räume und Globalisierung“ Rechnung tragen.

Bäuerliche Landwirtschaft erhalten

Der CDU-Bundestagsabgeordnete Alois Gerig bezeichnete den Abschluss der Sondierungen als einen wichtigen Schritt von Union und SPD, eine stabile Regierung zu bilden. Die Ergebnisse für die Agrarpolitik und die ländlichen Räume wertet Gerig als „Schritte in die richtige Richtung“. „Für mich sind die Sondierungsergebnisse ein klares Signal, dass Union und SPD eine nachhaltige und wettbewerbsfähige bäuerliche Landwirtschaft in Deutschland erhalten wollen“, so der bisherige Vorsitzende des Bundestagsernährungsausschusses. Darüber hinaus werde deutlich, dass gleichwertige Lebensverhältnisse in Stadt und Land zu einem Schwerpunktprojekt einer neuen „GroKo“ werden könnten.

Demgegenüber warf der Agrarexperte der grünen Bundestagsfraktion, Friedrich Ostendorff, der SPD vor, sie lasse sich im Hinblick auf eine Haltungskennzeichnung „mit ganz dürftigen Klauseln“ abspeisen. Ohne eine verpflichtende Haltungskennzeichnung bei Fleischprodukten werde man den selbstgesteckten Klimazielen ebenso wenig gerecht wie der Verantwortung gegenüber den Verbrauchern. Eine „freiwillige Nischenkennzeichnung“ werde nichts bringen.

Fraktionskollege Harald Ebner hält die Formulierungen zu Glyphosat und Gentechnik im Sondierungspapier für dürftig. Die Ankündigung, die Glyphosatanwendung so schnell wie möglich zu beenden, lasse „einen riesigen Spielraum“. Notwendig seien ein konkretes Ausstiegszieldatum sowie eine verbindliche Festlegung, dass die jetzt neu erteilte Zulassung endgültig die letzte sei. Enttäuscht zeigte sich Ebner darüber, dass weder zum Ökolandbau noch zum Thema Ernährung Aussagen im Papier enthalten seien.

Aufbruch für Europa

 Der DRV hofft angesichts des Abschlusses der Verhandlungen auf „neuen Schwung in der Zusammenarbeit der Koalitionspartner“. Ein gutes Signal sieht der Raiffeisenverband in dem Aufruf zu einem neuen Aufbruch für Europa. Der DRV unterstützt eigenen Angaben zufolge mit Nachdruck das Ziel, die Handlungsfähigkeit der Europäischen Union zu stärken und sie mit höheren Mitteln auszustatten.

Der Bauernverband begrüßte ebenfalls das Bekenntnis zu einer Stärkung der EU, in Verbindung mit einem stabilen Agrarbudget. Beide Verbände monierten, dass die agrar politischen Festlegungen wenig konkret seien. Es sei daher von entscheidender Bedeutung, in möglichen Koalitionsverhandlungen die Vorgaben detaillierter im Sinne einer innovativen und zukunftsgerichteten Landwirtschaft auszugestalten, so der Bauernverband.

Der DRV beklagte, dass sich die Sondierungsergebnisse zur Landwirtschaft noch auf wenige Themenfelder der aktuellen gesellschaftlichen Diskussion beschränkten. Aus seiner Sicht ist es erforderlich, in den Koalitionsverhandlungen „Land- und Agrarwirtschaft in ihrer ganzen Breite zu betrachten und dafür einen markt- und wettbewerbsorientierten Rahmen abzustecken.“ Der DBV bekräftigte schließlich seine Forderung, die Anliegen der Landwirtschaft und der ländlichen Räume in einem erweiterten und gestärkten Ministerium zu bündeln.

Klarer Kurswechsel nötig

Der Naturschutzbund Deutschland (NABU) bekräftigte seine Forderung nach einem „klaren Kurswechsel“ in der Agrarpolitik. Präsident Olaf Tschimpke warf Union und SPD vor, das milliardenschwere EU-Agrarbudget weiterhin halten zu wollen, ohne konkrete Ideen vorzulegen, „wie diese Zahlungen künftig sinnvoll an Naturschutz- und Klimaschutzleistungen geknüpft werden können“. Statt weiterhin die pauschalen Zahlungen pro Hektar in der Fläche versickern zu lassen, müssen die Agrarsubventionen endlich umgeschichtet und zum Vorteil von Natur und Landwirtschaft genutzt werden“, so Tschimpke. Das Bekenntnis der GroKo-Unterhändler zu einem Aktionsprogramm Insektenschutz nannte er hingegen „ein gutes Signal“.

Enttäuscht zeigte sich auch der World Wide Fund For Nature (WWF) Deutschland. Das Sondierungspapier enthalte weder konkrete Maßnahmen zum Erreichen der Klimaziele, noch stelle es die dringend nötigen Weichen für die Landwirtschaft und den Verkehr, kritisierte der Geschäftsführende Vorstand Eberhard Brandes. Positiv, aber in Summe nicht ausreichend seien die Vorschläge zur Einführung eines Klimaschutzgesetzes, die Abkehr von Glyphosat sowie ein Aktionsprogramm für den Insektenschutz.

Rückwärtsgang eingelegt

Ein klares Bekenntnis und wesentlich mehr Engagement für den Klimaschutz hätte sich der Biogasrat+ gewünscht. Gerade bei diesem wichtigen Thema hätten die Verhandler „den Rückwärtsgang eingelegt“, kritisierte Geschäftsführerin Janet Hochi. Der Deutsche Landkreistag (DLT) begrüßte die geplante Einsetzung einer Kommission „Gleichwertige Lebensverhältnisse“. Einer künftigen Regierung müsse es darum gehen, gerade die ländlichen Räume als Orte des Lebens, der Wirtschaft und des Arbeitens voranzubringen, so der Landkreistag. „Wichtig ist es, die Kommunen in die Lage zu versetzen, maßgebliche Zukunftsinvestitionen, etwa bezogen auf Bildung, Wirtschaft, Digitalisierung, Integration oder Mobilität, eigenverantwortlich zu betreiben“, erklärte DLT-Präsident Reinhard Sager.

AgE
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Kommentare 
johann96 schrieb am 14.01.2018 22:15 Uhrzustimmen(17) widersprechen(21)
was war das nur für ein dummes Zeug des cource.
Bekommt man ja Kopfschmerzen davon. Es reicht doch schon an Fortschritts- und Wissenschaftsfeindlichkeit was drin steht.
So wird niemand Deutschland retten. Geht es nicht schnell genug mit dem Abstieg ?
cource schrieb am 14.01.2018 16:28 Uhrzustimmen(30) widersprechen(22)
geschickt eigefedelt: die FDP hat sich geopfert damit die Grünen auch raus sind und da die SPD nur noch aus dem rechten flügel der Schröder/niedriglohnsektor sympatisanten besteht sind die rechtsgerichteten parteien CSU/CDU/SPD jetzt unter sich und können ohne bauchschmerzen auf kosten der prekären unterschicht/niedriglohnsektor versuchen den wirtschaftsstandort deutschland zu retten
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