Vorsprung durch Wissen
Das Informationszentrum für die Landwirtschaft
29.11.2009 | 11:02 | Konjunkturprogramm 

Grünlandmilchprogramm - Ein Vorschlag mit Haken und Ösen

Hannover - Nachdem die Bundesregierung bereits vor der Wahl für diverse Branchen Konjunkturprogramme aufgelegt hat, wurde endlich auch für die Landwirtschaft ein „Sofortprogramm" im Koalitionsvertrag vereinbart.

Grünlandmilchprogramm - Ein Vorschlag mit Haken und Ösen
(c) proplanta
Es wurde auf der Klausurtagung des Bundeskabinetts in Meseberg bewilligt. Erhebliche Probleme zeigten sich jedoch bei der nun anstehenden Umsetzung, die von der Politik offensichtlich im Vorfeld nicht bedacht wurden.





Worum geht es im Einzelnen?

Die bereits beschlossene Reduzierung der Agrardieselbesteuerung in Höhe von ca. 280 Mio. Euro jährlich soll unbefristet fortgeführt werden. Darüber hinaus hat das Kabinett vorgesehen, in den Jahren 2010 und 2011 ein Sofortprogramm zur Bewältigung der Krise in der Landwirtschaft im Volumen von insgesamt 750 Mio. Euro aufzulegen. Von diesem Betrag sollen 200 Mio. Euro als Aufstockung der Bundesmittel zur landwirtschaftlichen Unfallversicherung und 50 Mio. Euro für die Fortführung des Liquiditätshilfeprogramms der landwirtschaftlichen Rentenbank zur Anwendung kommen.

Die verbleibenden 500 Mio. Euro will der Bund infolge der „krisenbedingt aktuell schwierigen Situation" in der Milchwirtschaft für ein „Grünlandmilchprogramm" einsetzen, „um aktuell drohende Flächenbrachen und damit verbundene unwiderrufliche Schäden für Natur und Kulturlandschaft zu verhindern". Vorgesehen sind 300 Mio. Euro in 2010 und 200 Mio. Euro in 2011. Daraus folgt: Gemäß der Zielsetzung des Koalitionsvertrages soll die Umsetzung zum einen schnell erfolgen, zum anderen müssen die Maßnahmen etwas mit „Grünland" und „Milchwirtschaft" zu tun haben. Eine derartige Umsetzung wird EU-rechtlich kaum möglich sein, es zeichnen sich für das „Grünlandmilchprogramm" nachfolgende „Elemente" ab.


Grünlandprämie:

Um hier etwas machen zu können, soll der Artikel 68 der Betriebsprämienverordnung (EG) Nr. 73/2009 nun doch angewendet werden. Allerdings ist das „verteilbare" Mittelvolumen über diesen Weg begrenzt auf ca. 113 Mio. Euro im Jahr. Bemessungsgrundlage soll die festgestellte Grünlandfläche aus dem Sammelantrag des jeweiligen Antragsjahres sein. Damit ist gemeint Dauergrünland gemäß Artikel 2 Nr. 2 der EU-Verordnung Nr. 796/2004 und Grünland im Sinne des Artikels 2 Buchstabe F der EU-Verordnung Nr. 795/2004, also auch Wechselgrünland. Der Nachweis der Milcherzeugereigenschaft soll durch Vorlage der Milchgeldabrechnung aus April des jeweiligen Antragsjahres bzw. bei Direktvermarktern durch eine Bestätigung des Hauptzollamtes über die am 1. April des Antragsjahres verfügbare Direktvermarktungsreferenzmenge erfolgen.

In Niedersachsen könnten über diesen Weg 16,8 Mio. Euro an die Landwirte ausgezahlt werden, was rechnerisch einen Betrag von ca. 37 Euro je ha durch Milcherzeuger bewirtschaftetes Grünland ergibt. Probleme bei dieser Variante bestehen insbesondere darin, dass die erste Auszahlung der Mittel frühestens mit der Betriebsprämie 2010, also im Dezember 2010, erfolgen kann, sofern die EU hier nicht noch kürzere Entscheidungswege möglich macht.


Kuhprämie:

Diese soll im Rahmen der sogenannten De-Minimis-Beihilfe (Obergrenze für Betriebsinhaber in drei Jahren maximal 7.500 Euro pro Betrieb) erfolgen. Der Bund schlägt vor, 85 Mio. Euro im Jahr 2010 und 75 Mio. Euro im Jahr 2011 für eine derartige Prämie vorzusehen. Bemessungsgrundlage soll der durchschnittlich gemeldete Kuhbestand in der HIT-Datenbank im April des Antragsjahres sein, ausgenommen die Kühe von Fleischrassen. Aus dem Anteil Niedersachsens an diesen Mitteln würde sich ein Betrag von 21 Euro je Kuh im Jahre 2010 und knapp 19 Euro je Kuh im Jahr 2011 ergeben.

Aber auch dieser Weg ist nicht ohne Probleme. So haben einige Betriebe einen Teil ihrer Freigrenze im Rahmen der De-Minimis-Beihilfe durch Teilnahme an verschiedenen Programmen (z.B. Liquiditätshilfeprogramme der Rentenbank oder bereits gezahlte Kuhprämien in Höhe von 25 Euro in Bayern) schon ausgeschöpft. Es bestehen also unterschiedliche Fördermöglichkeiten von Bundesland zu Bundesland aber auch von Betrieb zu Betrieb. Der Förderweg über De-Minimis-Beihilfen würde durch diese zusätzliche Maßnahme über Jahre blockiert. Schließlich ist auch diese Maßnahme nicht kurzfristig umsetzbar. Je nachdem, wann das notwenige Geldleistungsgesetz in Kraft treten wird, ist mit einer möglichen Antragstellung kaum vor Mai 2010 zu rechnen. Damit dürften auch über diesen Weg die ersten Mittel frühestens im zweiten Halbjahr 2010 fließen.

Sofern die Umsetzung des „Grünlandmilchprogrammes" über die Schritte „Grünlandprämie" und Kuhprämie„ in der beschriebenen Art erfolgt, verbleiben insgesamt noch ca. 118 Mio. Euro von dem vorgesehenen Gesamtbetrag in Höhe von 500 Mio. Euro.


Unfallversicherung:

Diese 118 Mio. Euro sollen in die landwirtschaftliche Unfallversicherung fließen, 100 Mio. Euro in 2010 und 18 Mio. Euro in 2011. Bundesweit geht das BMELV nach den diversen Aufstockungsschritten von einer Absenkung der Beiträge zur Berufsgenossenschaft von ca. 45 Prozent aus. Nach dem derzeit geltenden Schlüssel der Verteilung der Bundesmittel zur Unfallversicherung wird Niedersachen einen Anteil von nur 11,85 Prozent erhalten, Bayern hingegen von gut 30 Prozent. Um zu einer sachgerechten Verteilung der Mittel über diese Schiene zu kommen, müsste aus niedersächsischer Sicht ein Verteilungsschlüssel zur Anwendung kommen, der der Zielsetzung „Grünland und Milcherzeugung" besser gerecht wird.

Schließlich steht auch noch das zusätzliche EU-Milchprogramm vom Oktober des Jahres zur Umsetzung an. Beschlossen wurde seinerzeit ein EU-Mittelvolumen von 280 Mio. Euro EU-weit. Hiervon entfallen ca. 57 Mio. Euro auf Deutschland und damit knapp 8,5 Mio. Euro auf Niedersachsen. Diese Mittel sollen spätestens bis zum 30. Juni 2010 ohne Antrag auf Grundlage der festgestellten Grünlandfläche aus dem Sammelantrag 2009 an die Milchviehhalter ausgezahlt werden. Sie werden einen Betrag von ca. 18 Euro je ha Grünland erhalten.

Das „Grünlandmilchprogramm" scheint sich in der Umsetzung etwas unübersichtlich zu gestalten, die Auszahlung erfolgt in Raten. In 2010 wird es vermutlich zwei Grünlandprämien geben, knapp 18 Euro je ha bis Juni aus dem EU-Milchprogramm und noch einmal 35 Euro je ha im Dezember aus dem Sofortprogramm des Bundes. Irgendwann dazwischen kommt die Kuhprämie mit 21 Euro pro Kuh zur Auszahlung. Schneller geht es über die Beitragssenkung zur Unfallversicherung. Hier muss aber der Verteilungsschlüsse noch nachgebessert werden.

Der gute Vorsatz der Politik, auch die Landwirtschaft in der Krise nicht „im Regen stehen zu lassen", wird getrübt durch eine eher „holprige" und in großen Teilen sehr langatmige, nicht unbedingt zielgerichtete und „gerechte" Umsetzung. Ob hier noch etwas zu machen sein wird, muss sich zeigen. Den Namen „Sofortprogramm" verdient die Maßnahme bislang noch nicht. (PD)
Kommentieren
weitere Artikel

Status:
Name / Pseudonym:
Kommentar:
Bitte Sicherheitsabfrage lösen:


  Weitere Artikel zum Thema

 Grasfütterung für Kühe nachhaltiger

 Greenpeace fordert Grünfütterung für Milchkühe zu forcieren

 GAP-Vereinfachungspaket: EU-Kommission wird beim Dauergrünlandschutz konkret

  Kommentierte Artikel

 Tag des Wolfes - Bauern machen Druck für vereinfachten Abschuss

 Erleichterungen bei GAP-Anträgen und Hanfanbau

 In der Corona-Pandemie wurden zu oft Antibiotika verschrieben

 Jäger sehen dringenden Handlungsbedarf bei Umgang mit Wölfen

 Söder setzt sich gegen Verbrenner-Aus ab 2035 ein

 2023 war Jahr der Wetterextreme in Europa

 Wind- und Freiflächen-Solaranlagen: Niedersachsen führt Abgabe ein

 Keine Reduzierung beim Fleischkonsum durch Aufklärung

 Größter Solarpark von Rheinland-Pfalz eröffnet

 Gipfelerklärung der EU setzt auf Lockerungen für Landwirte