Kanzlerin und CDU-Chefin Angela Merkel sagte am Sonntagnachmittag in Berlin, mit den anschließenden Beratungen beginne die nächste Runde der Sondierungen von
CDU, CSU, FDP und Grünen.
«Jetzt in der dritten Etappe heißt die Aufgabe, Kompromisse zu finden.» Mit den Verhandlungsführern der anderen drei Parteien bereitete sie am Abend die Woche vor. Auf der Agenda standen die kniffligen Themen Finanzen, Flüchtlinge und Klima.
Die Unterhändler peilen an, an diesem Donnerstag die Sondierungen abzuschließen. Es wird aber erwartet, dass sie bis in den Freitag hinein andauern. Mit dem Ergebnis wollen die Parteien ihre Gremien dann überzeugen, dem Beginn offizieller Koalitionsverhandlungen für ein schwarz-gelb-grünes Bündnis zuzustimmen. Besonders spannend dürfte es bei den Grünen werden, da bei ihnen ein Parteitag zustimmen muss.
FDP-Chef Christian
Lindner sagte, nachdem sich FDP und Grüne bewegt hätten, sei es jetzt an den Unionsparteien, Maximalforderungen zu räumen. Dabei geht es auch um das Kooperationsverbot von Bund und Ländern in der Bildungspolitik. Er setze bei allen Seiten guten Willen für die Verhandlungen voraus.
Grünen-Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt sagte: «Ich erwarte, dass jetzt ein Ruck durch die Sondierer geht.» Themen, Argumente und Zahlen seien ausgetauscht. Jetzt müsse man daran arbeiten, «ob es Kompromisse gibt, ob die reichen, ob man am Ende was 'rauskriegt, was auch gut fürs Land ist - das wäre ja wünschenswert». Sie gehe davon aus, dass alle Seiten «total rational sind und eine anständige Regierung bilden wollen».
In der ARD-Sendung «Bericht aus Berlin» erklärte sie, die Grünen hätten bereits Kompromisse angeboten. «Da ist noch nichts zurückgekommen.»
Die Grünen hätten aber mit den Kompromissen keine Positionen geräumt.
FDP-Vize Wolfgang Kubicki sagte auf die Frage, ob er einen Durchbruch in der Chefrunde erwarte, nein, er hoffe eher, «dass es keinen Einbruch gibt». Er wie auch CSU-Chef Horst
Seehofer konnten die Enttäuschung der Grünen nicht nachvollziehen. Deren Behauptung, es habe keine Bewegung gegeben und es stehe 0:10, stimme nicht. Auf die Frage, wie es bei den Verhandlungen stehe, sagte Kubicki: «0:0 (...) Wir sind genau da, wo wir angefangen haben.»
Seehofer sagte, die Unterhändler hätten noch fünf Tage Zeit. «Keine Stunde länger. Und innerhalb dieser fünf Tage müssen wir jetzt Klarheit schaffen. Das heißt: entscheiden.» Die CSU-interne Debatte um seine politische Zukunft helfe «auf jeden Fall nicht» bei den Jamaika-Verhandlungen, sagte der bayerische Ministerpräsident. Aber «die CSU sei voll handlungsfähig in Berlin». Dies werde man in den nächsten Tagen sehen.
Nach Merkels Worten wurde in der ersten Sondierungsrunde Material gesammelt, in der zweiten wurde es verdichtet und festgestellt, wo es Meinungsunterschiede gibt. Sie glaube, dass es nun in der dritten Runde Möglichkeiten zu Kompromissen gebe. «Es wird ein noch durchaus großes Stück Arbeit. Aber aus meiner Sicht kann bei gutem Willen auch eine Lösung erzielt werden.»
Schon zuvor warfen die Grünen Union und FDP vor, sie seien bei den Sondierungen bisher zu wenig kompromissbereit. «Bei der Europa-, Außen- und Innenpolitik, beim bezahlbaren Wohnen, bei guter Arbeit, der Verkehrs- und
Agrarwende spüren wir keinerlei Entgegenkommen», sagte Grünen-Chef Cem Özdemir der «Bild am Sonntag».
Ex-Umweltminister Jürgen Trittin (Grüne) nannte die Abschaltung der Kohlekraftwerke als einen wesentlichen grünen Standpunkt. Wenn Merkel mit den Stimmen der Grünen zur Kanzlerin gewählt werde wolle, müsse sie sich bewegen, sagte er am Samstag bei einer Landesdelegiertenkonferenz in Hameln.
Grünen-Fraktionschef Anton Hofreiter warnte Merkel davor, auf Zeit zu spielen. «Es darf nicht sein, dass die zentralen Streitpunkte erst in der Nacht zu Freitag auf den Tisch kommen», sagte er dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND, Montag). Die Grünen-Politikerin Claudia Roth bekräftigte, dass die nächste Bundesregierung keine Rüstungsgüter mehr an Saudi-Arabien liefern dürfe.
In der Sicherheits- und Innenpolitik sind sich die Sondierer nach dpa-Informationen in zentralen Punkten noch uneins - vor allem bei der Vorratsdatenspeicherung und der Telekommunikationsüberwachung.
Für FDP und Grüne ist die anlasslose Speicherung von Daten «ein nicht zu rechtfertigender Eingriff in die Grundrechte». Einig sind die Jamaika-Unterhändler dagegen beim Vorsatz, so schnell wie möglich zusätzliche Stellen für die Polizei in Bund und Ländern, die Justiz sowie das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik zu schaffen.