Man habe gehofft, dass sich Bundesregierung und Autobranche bei den Beratungen im Kanzleramt auf die Marke von 100.000 neuen Ladepunkten bis 2022 verständigen würden, sagte ein Sprecher des niedersächsischen Städte- und Gemeindebunds (NSGB) am Dienstag.
«Das wurde leider nicht erreicht.» Zunächst gilt als Zwischenziel, in den kommenden zwei Jahren 50.000 zusätzliche öffentliche Ladepunkte einzurichten. Die Industrie will 15.000 davon übernehmen.
«Es muss noch mehr und schneller Ladeinfrastruktur in allen Teilen des Landes geschaffen werden», forderte der NSGB. Dabei dürfe sich die Debatte nicht auf größere Städte konzentrieren, sondern müsse den ländlichen Raum hinreichend mit berücksichtigen: «Sonst wird es lange dauern, bis eine Akzeptanz für E-Fahrzeuge gegeben ist.» Bei der Planung erhofften sich die Kommunen außerdem Mitsprache. «Und wir müssen auch mit Supermärkten und Kaufhäusern sprechen.»
Um große Zahlen an Elektroautos gleichzeitig laden zu können, müssen neben öffentlichen auch private Stationen leichter eingerichtet werden können. Man setze auch darauf, dass den Kommunen hier nicht doch noch Finanzierungslasten auferlegt werden, erklärte der NSGB.
Für Ministerpräsident Stephan Weil (SPD), der am «Autogipfel» teilnahm und im VW-Aufsichtsrat sitzt, bedeuten die Beschlüsse zum Ladenetz-Ausbau «einen Schritt vorwärts». Auch er betonte jedoch, dass man die Ziele höher hätte ansetzen können: «Ich hätte mir persönlich ein deutlich ambitionierteres Vorgehen gewünscht. (...) Wer ein Elektrofahrzeug hat, möchte es auch überall unkompliziert aufladen können.» Die Branche stehe vor «ganz entscheidenden Jahren».
Die SPD-Fraktion im Landtag schloss sich dem an. Es gehe in die richtige Richtung, das bisher Vereinbarte reiche jedoch nicht aus. Grünen-Fraktionschefin Anja Piel erklärte, Weils Kritik sei verständlich: «Umso wichtiger wäre es, dass
SPD und
CDU in Niedersachsen endlich aktiv werden. Wir brauchen ein klares Zukunftsbild für die Mobilität.»
FDP-Fraktionsvize Jörg Bode dagegen meinte: «Die einseitige Bevorzugung von E-Mobilität ist ein fatales Signal.» Man werde so «weder den
Klimaschutz vorantreiben noch den Arbeitsplatzabbau in der Automobilbranche verhindern».
Volkswagen trägt die Beschlüsse zu höheren Kaufprämien für Elektro- und Hybridautos sowie zum Netzausbau mit. Dabei hätte man durchaus ehrgeiziger sein können, erklärte auch der Wolfsburger Konzern: «Es bedarf weiterer erheblicher Anstrengungen aller Beteiligten, um das Netz bis 2030 wie geplant auf eine Million Ladepunkte auszubauen.»
Die Förderung privater Ladeinfrastruktur müsse man ebenfalls im Blick behalten. «Der dafür vorgesehene Betrag von 50 Millionen Euro ist aus unserer Sicht bei weitem nicht ausreichend.»
In Niedersachsen ging es mit der Erweiterung des Ladenetzes zuletzt nur langsam voran. Bis Juli hatte sich die Zahl der Ladesäulen für E-Autos im Land nach Angaben der Bundesnetzagentur auf 852 erhöht, im April waren es 742 Stück. Das Rathaus in Hannover begrüßte die Berliner Ergebnisse.
Nötig sei aber auch ein prinzipielles Umdenken: «Die Förderung alternativer Mobilitätskonzepte darf grundsätzlich nicht vernachlässigt werden, um die Klimaschutzziele 2030 hinsichtlich der Senkung des CO2-Ausstoßes noch erreichen zu können.»
In der Landeshauptstadt beteiligt sich der Versorger Enercity. «Die Ladeinfrastruktur für E-Mobilität auszubauen, ist dringend erforderlich, sollen die CO2-Ziele erreicht werden», sagte Vorstandschefin Susanna Zapreva. Man übernehme landesweit bereits etwa 500 Ladepunkte.
Der Oldenburger Energiekonzern EWE berichtete, innerhalb des vergangenen Jahres habe man die Zahl mit der eigenen Mobilitätsfirma Waydo um mehr als die Hälfte gesteigert. Bis Ende 2020 seien im Nordwesten Niedersachsens rund 1.000 Ladepunkte geplant.