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09.07.2023 | 00:46 | Sustainable Use Regulation 

Neue SUR-Folgenabschätzung: Kommission sieht Ernährungssicherheit weiterhin nicht gefährdet

Brüssel - Die Sorge vieler Akteure, dass die geplante Verordnung zur nachhaltigen Anwendung von Pflanzenschutzmitteln (SUR) die Ernährungssicherheit gefährdet, ist aus Sicht der Europäischen Kommission unbegründet.

SUR-Folgenabschätzung
Mechanischer Pflanzenschutz hat zeitweise zugenommen - Keine sofortige Halbierung des chemischen Pflanzenschutzes geplant. (c) proplanta
Zu diesem Ergebnis kommt die Brüsseler Behörde in ihrer am Mittwoch (5.7.) offiziell vorgestellten aktualisierten SUR-Folgenabschätzung. Die EU-Landwirtschaftsminister hatten im vergangenen Dezember die Kommission dazu aufgefordert, die im Mai 2021 vorgelegte Folgenabschätzung zu dem Verordnungsvorschlag zu überarbeiten.

Es ging dabei darum, die Folgen des Ukraine-Krieges einzubeziehen. Der geschäftsführende Vizepräsident der EU-Kommission Frans Timmermans stellte vor Journalisten fest, dass die Fakten nun auf dem Tisch lägen. Die Landwirtschaftsminister seien jetzt aufgefordert, sich zeitnah auf eine Position zu verständigen, mahnte der Niederländer. Der Kommissionsvorschlag für die SUR sieht im Kern eine Halbierung der Einsatzmengen chemischer Pflanzenschutzmittel sowie eine entsprechende Reduzierung bei besonders gefährlichen Wirkstoffen vor.

Gemäß der überarbeiteten Folgenabschätzung sind die stärksten, dadurch ausgelösten Effekte bei Kulturen zu erwarten, die „für die Lebens- und Futtermittelsicherheit eine relativ geringe Rolle spielen“. Genannt werden unter anderem Weintrauben, Hopfen und Tomaten. Insofern dürften sich viele Winzer in ihren Sorgen aufgrund der SUR bestätigt sehen. Die Kommissionsbeamten geben in der Studie aber zu bedenken, dass Landwirte und Mitgliedstaaten hier eigene Prioritäten setzen könnten.

Keine Reduktion mit dem Rasenmäher

So gibt es nach ihrer Ausführung die Möglichkeit, die Verringerung des chemischen Pflanzenschutzmitteleinsatzes so zu gestalten, dass dieser „nur geringe oder keine Auswirkungen“ auf die Ernährungssicherheit hat. Mit diesem Hinweis tritt Brüssel erneut dem vorherrschenden Missverständnis entgegen, dass jeder Betrieb dem Prinzip des Rasenmähers entsprechend mindestens 50 % seines Pflanzenschutzmitteleinsatzes einsparen müsse.

Festgestellt wird, dass der russische Einmarsch in die Ukraine kurzfristig zu einem Anstieg des mechanischen Pflanzenschutzes geführt habe, obgleich Preissteigerungen für die Pflanzenschutzmittel ausgeblieben seien. Die Auswirkungen dieses reduzierten Pestizideinsatzes auf die Erträge waren der Kommission zufolge bei den wichtigsten Kulturen „relativ gering“. Gleichzeitig hätten die Agrarmärkte aber auf das leicht reduzierte Angebot reagiert.

Kritisch angemerkt wird außerdem, dass die Mehrheit der vorliegenden Studien in ihren Szenarien von einer „sofortigen“ Halbierung der Einsatzmengen ausgehe - also von einem Worst-Case-Szenario. Ein strategischerer und kulturspezifischer Ansatz sowie ein schrittweises Vorgehen in Richtung 50-prozentiges Reduktionsziel dürfte nach Einschätzung der EU-Behörde aber sehr viel geringere Ertragseinbußen zur Folge haben.

Kritik an Alternativmangel „unbegründet“

Mit Blick auf die Bürokratiekosten räumt die Brüsseler Behörde ein, dass sie nicht über hinreichend Daten zur Bewertung der betreffenden Folgen durch die geplante Verordnung verfüge. In der Folgenabschätzung präsentierte Modelle gehen jedoch von bis zu 180 Euro an Zusatzkosten je landwirtschaftlichen Betrieb im Jahr aus. Die Kritik, dass es an alternativen Pflanzenschutzmitteln und -methoden fehlt, hält die Kommission auch gemäß der aktualisierten Folgenabschätzung für „weitgehend unbegründet“.

Nach aktuellem Stand sei damit zu rechnen, dass bis 2030 genügend Instrumente zur Verfügung stehen dürften, die notwendige Verringerung des Einsatzes chemischer Pflanzenschutzmittel und ihrer Risiken zu erreichen, heißt es dazu. Als ein wesentliches Hindernis für die Einführung integrierter Pflanzenschutzmaßnahmen wird allerdings das bisher geltende Gentechnikrecht in Bezug auf die neuen Züchtungstechniken gesehen. Dem werde durch die Vorlage des neuen Regelungsrahmens entgegenzutreten versucht.

EVP soll Blockade aufgeben

Die Berichterstatterin des Europaparlaments für die SUR im federführenden Umweltausschuss, Sarah Wiener, sieht sich durch die Ergebnisse der erweiterten Folgenabschätzung bestätigt: „Die zusätzlichen Daten zeigen schwarz auf weiß, Pestizidreduktion ist kein Risiko für unsere Ernährungssicherheit.“ Die Grünen-Politikerin forderte daher in Richtung der Christdemokraten und der Mitgliedstaaten, die SUR nicht länger zu blockieren. Laut Wiener macht sich die EVP mit ihren Attacken auf den Green Deal „zur Oppositionspartei im Schulterschluss mit der extremen Rechten“. Zudem werde damit EU-Kommissionspräsidentin Dr. Ursula von der Leyen aus den eigenen Reihen angegriffen.

Vorschlag „unrealistisch“

Die Koalition des Europäischen Weinbausektors zeigte sich nach der Veröffentlichung der zusätzlichen Folgenabschätzung zur SUR sehr besorgt. Der Koalition gehören der Europäische Verband Unabhängiger Winzer (CEVI), der Europäischen Verband der Ursprungsweine (EFOW) sowie die EU-Ausschüsse der Bauernverbände (COPA) und ländlichen Genossenschaften (COGECA) als auch die Vertreter der europäischen Weinbaugebiete (AREV) an.

Der Vorschlag zur SUR wird von ihnen im Hinblick auf den Weinbau als „unrealistisch“ bezeichnet. Offenbar habe die Kommission bereits die Entscheidung getroffen, die Zukunft des Weinbaus in der EU zur Disposition zu stellen. Die Projektionen würden Produktionsrückgänge von 28 % bei Weintrauben in Frankreich, von 20 % in Italien und von 18 % in Spanien ergeben. Bei diesen „alarmierenden Zahlen“ seien die zunehmenden klimatischen Herausforderungen für den Weinbau noch nicht berücksichtigt.
AgE
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